Nicolas' Sicht
In der Pause schnappte ich mir Jasmin und zog sie in die nächste Ecke. Okay, das kam jetzt wieder komplett falsch rüber. Ich stand ihr gegenüber und sie lächelte mich nur unsicher an.
"Das ist alles deine Schuld, Jasmin. Wegen dir musste ich auf diese dumme Party. Wegen dir musste ich 'Wahrheit oder Pflicht' spielen. Wegen dir musste ich mit Maxim in einer Vorratskammer rummachen." Ich ließ meinen Frust einfach raus.
"Meine Schuld? Du hättest ja nicht unbedingt Pflicht nehmen müssen. Du wusstest doch, was für Aufgaben da hätten dran kommen können. Jetzt schieb nicht mir die Schuld ihn die Schuhe! Das ist allein dein Problem." Ja, sie hatte ja schon recht. Ich weiß auch nicht, warum ich Pflicht genommen hatte, bei den Aufgaben.
"Es lag wahrscheinlich an dem Alkohol, den ich im Blut hatte.", bemerkte ich. "Nico, du hast gerade mal zwei Bier getrunken. Höchstens. Davon ist man noch nicht mal wirklich angetrunken." Warum musste sie eigentlich immer recht haben? Konnte sie sich nicht einmal irren?
"Aber warum machst du da denn jetzt eigentlich so ein Drama raus?" Ja, warum eigentlich? Es war eine Pflichtaufgabe. Nichts weiter. Keine Gefühle. Gar nichts. Okay, wem machte ich hier was vor? Das war nicht 'gar nichts'. Das hat eine ganze Identitätskrise bei mir ausgelöst!
"Nico?", riss Jasmin mich aus meinen Gedanken, "Was ist los?" Sollte ich es ihr erzählen? Sie war meine beste Freundin, warum nicht? Aber ich hatte Maxim versprochen niemandem zu erzählen, dass er jetzt bei uns wohnte. "Nichts.", antwortete ich einfach. "Nico, lüg mich nicht an." Shit, sie kannte mich zu gut.
"Okay, komm heute einfach vorbei. Dann erkläre ich dir alles." Maxim wird mich umbringen, wenn Jasmin davon erfährt. Sie nickte und zog mich in unseren Klassenraum.
Konnte der Tag noch schlimmer werden? Das hätte ich nicht denken soll, denn dann wurde er immer schlimmer. Als ob man das Schicksal mit der Aussage herausfordern wollte. Warum machte ich immer wieder denselben Fehler?
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Die Schule ging leider nicht schnell genug rum. Einerseits sollte sie endlich enden, andererseits auch nicht, weil mir nämlich das Gespräch mit Jasmin bevorstand. Sollte ich ihr wirklich alles erzählen? Ich wusste ja selber nicht mal, was wirklich los war. Ich konnte ihr ja schlecht sagen, dass ich schwul war und nachher stellte sich raus, dass ich es gar nicht bin. Das wäre auch scheiße.
Und den Rat meines Dads wollte ich ehrlich gesagt nicht befolgen. Was wenn Maxim mich schlug, wenn ich versuchen würde, ihn zu küssen oder irgendwas Anderes versuchte? Das Risiko wollte ich nicht eingehen. Die Situation war momentan schon nicht die beste, da würde ich so was vermeiden.
Mit Jannik ging ich zu dem Platz, wo unser Dad immer auf uns wartete. Maxim folgte uns mit etwas Abstand. Zu Hause angekommen aßen wir alle gemeinsam und ich machte mich dann an die Hausaufgaben. Maxim war weggegangen, was alles Andere als schlecht war, dann begegnete Jasmin ihm nicht und sie fand es nicht heraus.
So gegen 15 Uhr klingelte Jasmin dann bei uns. Ich machte ihr die Tür auf und sie zog mich in mein Zimmer. Ja, sie zog mich, nicht andersherum. Gott war sie ungeduldig. Sie schmiss mich auf mein Bett und setzte sich neben mich. Was war heute mit mir los? Das war schon die dritte sexuelle Andeutung oder so. Ich war doch sonst nicht so zweideutig.
"Also? Was willst du mir erzählen?", drängte sie und hüpfte auf demBett auf und ab. "Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll." "Wie wäre es mit dem Anfang?" "Das ist es ja, das darf ich nicht. Ich hab versprochen, nichts darüber zu sagen. Ich halte meine Versprechen." Jasmin sah mich verwirrt an. "Nico, was-"
"Nick, dein Dad hat gesagt, du sollst mal runter kommen.", unterbrach Maxims Stimme und im nächsten Moment kam er in mein Zimmer gestürmt. Jasmin drehte sich zu ihm und sah ihn mit großen Augen an.
"Was macht er hier, Nico?", fragte sie mich und starrte Maxmi weiterhin an. "Eh...also...das ist eine lange Geschichte.", stotterte ich. "Ich wohne hier.", sagte Maxim gerade heraus. Mein Kiefer fiel ein Stockwerk tiefer und nun war ich an der Reihe, Maxim anzustarren. Oh. Mein. Gott. Was? Was sollte das?
"Als ich das letzte Mal auf die Klingel geschaut habe, stand da'Schulte'.", entgegnete Jasmin. Schlimmer konnte es gar nicht mehr kommen. "Wow, Nicolas. Du hast dein Versprechen also doch gehalten. Ich bin erstaunt." "Das ist immer noch mein Zimmer, Maxim und ich habe gerade Besuch. Würdest du bitte gehen und meinem Vater sagen, dass ich später zu ihm komme?"
Ich hatte da jetzt absolut keinen Nerv für. Ich musste Jasmin schon so genug erklären und wusste nicht wie und jetzt ließ Maxim auch noch diese Bombe platzen. Dankeschön, Wichser!
"Wir teilen uns das Zimmer, schon vergessen?" Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ mein Zimmer wieder. Jasmin sah mich auffordernd an. Jetzt wo sie es wusste, konnte ich ihr die Wohnsache ja auch erzählen, daran war Maxim selber schuld.
Ich machte die Tür zu, weil Maxim sie aufgelassen hatte, und setzte mich wieder zu Jasmin auf mein Bett. "Maxims Eltern haben ihn am Freitag rausgeschmissen. Zufälligerweise ist er ein Patient von meinem Vater. Er hat ihn vor seiner Praxis gefunden und mein Vater hat ihn hier hergebracht. Du kennst meinen Dad ja. Immer muss er allen und jedem helfen." Mein Vater hatte ein kleines Helfersyndrom, was erklärte, warum er Therapeut war. Warum konnte ernicht einfach einen verletzten Hund anschleppen?
"Und als ich meiner Mutter klarmachen wollte, dass ich mit Maxim nicht unter einem Dach leben kann, wegen dem, was er mir schon alles angetan hat, meinte sie nur, dass es die ideale Chance ist, um alle unsere Differenzen aus dem Weg zu schaffen.", erzählte ich ihr. Das musste sie erst mal sacken lassen.
"Seine Eltern haben ihn rausgeschmissen?", fragte sie nach einer Weile. Ich nickte. "Krass." Ich nickte wieder. Das war ja auch mein erster Gedanke. "Okay, das erklärt, warum er hier ist, aber nicht, warum du dich in der Schule so komisch verhalten hast." Das war der Teil, den ich ihr am Wenigsten erzählen wollte.
"Können wir da nicht ein anderes Mal drüber reden? Ich weiß ja selber noch nicht mal, was mit mir los ist." Sie sah mich mit zusammengekniffenen Augenbrauen an. "Okay. Ausnahmsweise.", zögerte sie. "Danke. Und könntest du bitte keinem von der Sache mit Maxim erzählen? Der bringt mich - und jetzt auch dich - sonst noch um. Und ich will nicht ohne dich leben." "Schleimer.", grinste sie und nickte. "Danke.", meinte ich und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
Und genau dieses Verhalten lässt die Leute denken, dass wir mal ein Paar werden. Momentan sah das aber ganz und gar nicht danach aus, wenn man bedachte, dass ich vielleicht schwul war.
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Was eine schwere Geburt. Aber hier ist seit langem mal wieder ein Kapitel! Hoffe es hat euch gefallen.
Vorschläge, Idee, Kritik, Votes und Kommentare sind immer gerne gesehen. :D
Love ya, Joe
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Feinde unter einem Dach [BoyxBoy]
General FictionNicolas und Maxim kommen gar nicht miteinander aus. Sie können sich seit dem Kindergarten schon nicht leiden. Warum? Das wissen sie selber nicht genau. Nicolas ist eher der ruhige Typ, der am liebsten Zuhause rumhockt. Maxim ist das komplette Gegent...