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Gerade um die erste Ecke gebogen schreckte ich zusammen. Ich zog mir die Kopfhörer aus den Ohren, als ich einen Motor neben mir ausgehen hörte. Langsam drehte ich mich zur Seite und schluckte schwer. 

Er stand direkt vor mir. Panisch schnappte ich nach Luft und wich zurück, bis ich mit dem Rücken an der Hauswand stand. Er begann breit zu grinsen und fuhr sich durch die Haare. Das sah unglaublich scharf aus, musste ich zugeben, auch wenn die Angst die Oberhand gewann. 

Ich schluckte schwer, als er immer näher auf mich zukam und eine Hand neben meinem Kopf an die Wand stützte. "Denkst du etwa, ich hätte dich gestern Abend nicht gesehen?", fragte er und lachte darauf leicht. Mir rutschte im wahrsten Sinne das Herz in die Hose. Ich hatte Angst, dass er mir etwas antat. Schon beim ersten Blick hatte ich die Waffe bemerkt, die an seinem Gürtel befestigt war. 

"Ich hatte es gehofft", gab ich kleinlaut zu, worauf er nur noch mehr lachte. "Du hast mittlerweile eindeutig zu viel gesehen", meinte er und drückte mir einen Motorradhelm in die Hand. "Du kommst jetzt mit zu mir", stellte er klar und schaute mich an. 

Die Angst wich in den Hintergrund und Wut übermannte mich. "Was bildest du dir eigentlich ein? Ich kenne dich doch nicht einmal!", regte ich mich auf, worauf er auf einmal ernst wurde. "Jetzt atme mal durch, Prinzesschen. Du scheinst den Ernst der Lage nicht zu verstehen. Ich bin in kriminelle Machenschaften verwickelt und wenn du dich zu oft in meiner Nähe aufhältst, wirst du da auch mit reingezogen. Die anderen haben dich gesehen und werden hinter dir her sein, um an mich ranzukommen. Ich erkläre dir das alles später, also setz jetzt den Helm auf und steig zu mir auf mein Motorrad", erklärte er, wobei ich deutlich die unterdrückte Wut hören konnte. 

Eingeschüchtert nickte ich und folgte ihm, als er sich auf das schwarze Motorrad schwang und seinen Helm aufsetzte. Ich folgte ihm und setzte mich nah hinter ihn. Nach kurzem Knobeln hatte ich dann auch den Verschluss geschlossen und schaute verwirrt zu dem Jungen vor mir, dessen Namen ich immer noch nicht kannte. Ich hörte ihn genervt seufzen, bevor er sich meine Hände schnappte und um seinen Bauch schlang. "Ich habe keinen Bock, dich von der Straße kratzen zu müssen", meinte er und fuhr los. Ich klammerte mich an ihn aus Angst, wirklich auf der Straße liegen zu bleiben. 

In den Kurven zwang er mich beinahe dazu, mich mit ihm zu lehnen, was mir extreme Angst machte. Nach einer gefühlt unendlichen Fahrt hielt er vor einem Haus außerhalb der Stadt und deutete mir, abzusteigen, was ich dann auch tat. Immer noch eingeschüchtert setzte ich den Helm ab und beobachtete ihn dabei, wie er ebenfalls abstieg und seinen absetzte. 

"Starr mich nicht so an", knurrte er und ging auf die Haustür zu. Vorsichtig folgte ich ihm und betrat hinter ihm das Haus, als er mir die Tür aufhielt. Wenigstens ein wenig Gentleman hatte er in sich, auch wenn es nur ein Funken an Anstand war. 

"Ghost, ich bin wieder zuhause", schrie er plötzlich in das Haus, weshalb ich zusammenzuckte. "Warum so schreckhaft?", spottete er und zog mich hinter sich in die Küche. Während er lief, stolperte ich ihm hinterher und konnte mich erst wieder sammeln, als er stehen geblieben war. 

Ein Junge mit hellbraunen Haaren schaute von seinem Handy auf und schaute erst den neben mir an und dann verwirrt zu mir. Sein Blick fiel kurz auf sein Handy, bevor er es sperrte und vor sich auf den Tisch legte. "Wer ist die Kleine?", fragte er an meinen 'Entführer' gewandt. "Das ist...", setzte er an, bevor er einige male schnipste und dann zu mir schaute. "Wie heißt du?", fragte er mich eher uninteressiert. "Alexine", antwortete ich ein wenig angepisst, da er sich doch scheinbar noch weniger für mich interessierte, als ich befürchtet hatte. 

Der Junge am Tisch stand auf und kam auf uns zu. "Ich bin Ghost", stellte er sich vor und lächelte, was sogar ein wenig ehrlich aussah. "Warum bist du hier?", fragte er an ich gewandt, doch bevor ich antworten konnte, hatte der noch immer Namenlose begonnen. "Sie hat mich bei zwei Deals beobachtet", erklärte er kalt, worauf Ghost verstehend nickte. 

Wenn ich mir die beiden so ansah, waren beide gleich Alt, wobei Ghost jedoch erfahrener und charakterlich älter wirkte, auch wenn der Namenlose, wie ich ihn jetzt getauft hatte, mehr Macht ausstrahlte. Eine eigenartige Atmosphäre hier. 

"Und wo soll sie bleiben?", fragte Ghost interessiert, aber auch ein wenig amüsiert und spöttisch. "Sie kann ja bei mir pennen", schlug der Namenlose vor, worauf ich einschritt. "Wartet... Was hast du gerade gesagt? Ihr könnt mich doch nicht einfach hierbehalten! Meine Mutter wird sich unglaubliche Sorgen um mich machen, wenn ich nicht nach Hause komme!", rief ich aufgebracht, worauf sich beide ein Lachen verkniffen. "Das hättest du dir vorher überlegen sollen", meinte Ghost und grinste in die Richtung des Namenlosen. "Ich bin doch nicht mal freiwillig hier", widersprach ich und versuchte aus der Küche zu flüchten, jedoch hielten die beiden Jungs mich auf. 

"Ich muss nochmal los, pass auf, dass sie hier bleibt", meinte der Namenlose zu Ghost, der nur verstehend nickte. Ehe ich mich versah, war er schon verschwunden und ich stand alleine mit Ghost in der Küche. Ich fühlte mich wie bestellt und nicht abgeholt, während ich perplex auf die Haustür starrte, die längst ins Schloss gefallen war.

Er ging um den Tisch herum und setzte sich auf den Stuhl, auf dem er schon vorher gesessen hatte. "Xater ist so ein Vollidiot", murmelte er vor sich hin und widmete sich wieder seinem Handy. 

Ich stand dort weiterhin dumm herum, bis Ghost genervt seufzte und auf einen freien Stuhl ihm gegenüber zeigte. "Setz dich, das dauert noch", meinte er, worauf ich mich auf diesen Stuhl niederließ. 

Wir schwiegen eine Weile, bis ich mein Handy aus meiner Jackentasche zog. Seufzend ließ ich es jedoch auf den Tisch fallen und lehnte mich weiter zurück. Mein Akku war mal wieder leer. "Und was soll ich jetzt hier machen, während ich hier bin?", fragte ich genervt, worauf Ghost den Kopf hob. "Keine Ahnung. Handy ist ja scheinbar schonmal als Idee ausgeschieden", schmunzelte er, worauf ich nur schnaufte. 

"Wie alt bist du?", fragte er nun nach und legte sein Handy weg. "17", antwortete ich mal wieder beinahe kleinlaut. Ich wusste auch nicht, was mit mir los war. Mal war ich wütend, mal genervt und manchmal einfach nur der größte Angsthase, den die Welt je gesehen hatte. 

Stimmungsschwankungen waren doch was tolles

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Ich muss zu diesem Kapitel und allgemein wahrscheinlich dem gesamten Buch anmerken, dass ich absolut gegen so wenig Schutzkleidung beim Motorradfahren bin. Das ist verdammt gefährlich und ich habe das nur in diese Story geschrieben, weil sie 1. sicherlich realistischerweise keine gesamte Ausrüstung hat und 2. diese ganze Geschichte eine fiktive Erzählung ist. Nehmt euch daran bitte kein Beispiel!!

Und an den Drogen bitte erst recht nicht. 

Smoke and Red LipstickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt