Mom

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Aubrey erschien im Türrahmen und sah uns verstört an. "Nehmt euch ein Zimmer, das ist ja verstörend", hörte ich Vice, der neben Ghost in der Küchentür stand. Beide schauten uns ernst an, Vice brach jedoch in Gelächter aus, während Ghost beinahe wütend die Arme verschränkte. "Geht wenigstens hoch, wenn du sie schon halb auffrisst", knurrte er.

Xater ging einen Schritt zurück und warf mich plötzlich über seine Schulter. Ich quiekte auf und ließ mich ruhig hängen, während Xater auf Ghost zuging. "Wills du mitkommen?", fragte Xater und ich konnte mir bildlich vorstellen, wie er dreckig grinste und mit den Augenbrauen wackelte. 

Ich konnte Ghost kurz knurren hören, worauf Xater nur ein "War doch nur ein Scherz" äußerte und mich in sein Zimmer trug, wo er mich auf sein Bett warf. "Ghost versteht echt keinen Spaß", kicherte ich, wo er mit einstimmte. 

"Die Sportler haben mich heute nach Stoff gefragt", sagte ich, während ich ihm direkt ins Gesicht sah. "Ich hatte gehofft, das zu vermeiden, aber wenn sie dich nochmal fragen, schreib mir einfach und ich komme vorbei, um etwas zu bringen, wenn ich Zeit habe", versprach er, klang aber ein wenig überfordert dabei, ich merkte ihm jedoch an, dass er nicht gestresst klingen wollte. "Du kannst auch mir etwas geben und ich verkaufe es", schlug ich kleinlaut vor, worauf er mich geschockt ansah. 

"Ich glaube bei dir brennt irgendwas durch. Erst willst du Motorrad fahren und dann willst du auch noch alleine los und dealen? Ich will nicht, dass du so tief in die Scheiße rutscht. Was denkst du, warum ich darauf bestehe, dass du maskiert bist", warf er mir wieder vor, ich seufzte jedoch nur. "Das sind nur die komischen Sportler, die werden mir schon nicht das Hirn wegschießen", spielte ich es herunter, er schnaubte jedoch immer noch. "Aber dich zusammenschlagen, wenn du Pech hast", versuchte er, mir weiter die schlechten Seiten vorzuhalten, ich ging jedoch nicht darauf ein. "Ein wenig Selbstverteidigung kann ich auch und außerdem kennen sie ja dich und wissen, was blüht, wenn die mir irgendwas antun", widersprach ich und grinste ihn triumphierend an. 

"Meinetwegen, aber nur an deiner Schule und nur, wenn dich jemand fragt", knickte er ein und strich über meine Wange. "

Kurzerhand zog ich mein Handy aus meiner Hosentasche und schaute auf das Display, das mir insgesamt 20 Anrufe meiner Mutter ankündigte. "Ich glaube, meine Mom sieht ihren Fehler ein und vermisst mich", stellte ich fest, worauf er nur belustigt auf die Anrufbenachrichtigungen schaute. "Du solltest sie anrufen", schlug er vor, klang dabei sogar ernsthaft. "Wenn du meinst", seufzte ich resigniert und rief meine Mutter kurzerhand zurück, stellte aber auf Lautsprecher, damit er mithören konnte. 

Schon nach dem zweiten Klingeln ging sie ran. "Ich bin so froh, dass du dich endlich meldest. Wo bist du?", fragte sie panisch. "Ich bin immer noch bei ... Aaron, Mom und hier fühle ich mich um einiges wohler als bei dir zuhause", warf ich ihr an den Kopf. Ich konnte sie schlucken hören, bevor sie begann zu sprechen. "Ich weiß, dass ich überreagiert habe und das war falsch von mir. Ich kann dir nicht verbieten, mit ihm zusammen zu sein, aber bitte komm wieder zurück nach Hause. Ich mache mir unglaubliche Sorgen um dich und will dich in Sicherheit wissen", sprudelte es aus ihr heraus, ich seufzte jedoch nur. 

"Erst schmeißen Sie sie raus und jetzt kommen Sie angekrochen, weil Sie merken, dass es doch keine so gute Idee war, die wohl gemerkt 17 jährige und damit minderjährige Tochter einfach auf die Straße zu setzen? Sie können froh sein, dass sie bei ihrer Freundin und dann bei mir unterkommen konnte, denn ansonsten wäre sonst etwas mit ihr passiert. Ich denke mal, dass Sie wissen, wie viele Kriminelle in dieser Stadt herum rennen. Sie mögen zwar Anwältin sein, aber scheinbar keine Gute. Eine Beziehung verändert Menschen, das sollten Sie am besten Wissen", hielt Xater ihr eine Moralpredigt, während ich ihn mit aufgerissenen Augen und leicht geöffneten Mund anstarrte. Meine Mom schwieg, bis er wieder ansetzte: "Glauben Sie also nicht, dass sie so bald wieder nach Hause kommt, ohne dass sich irgendetwas geändert hat."

"Ich mag ihn wirklich gerne und will mir nicht durch dich meine erste Beziehung kaputt machen lassen. Wenn es falsch wäre, würde ich es gerne selbst bemerken und mir nicht von dir vorschreiben lassen, wer gut und wer schlecht für mich ist", erklärte ich noch, bevor ich auflegte. Erleichtert atmete ich durch und erntete ein stolzes Lächeln von Xater. 

"Wieso lässt du dich eigentlich von meiner Mom Aaron nennen?", fragte ich nach, worauf er wieder sentimental wurde, was ich daran merkte, dass er den Kopf senkte. "Den Namen hat mir unsere Nachbarin gegeben, weil ich keinen hatte. Meine Eltern haben mich immer nur 'Kleiner', 'Stöpsel' oder bei schlechter Laune 'Missgeburt' genannt. War nicht so schön", erklärte er, was mir beinahe Tränen in die Augen trieb. "Und warum nennt dich jetzt keiner Aaron sondern Xater?", fragte ich. Er schien selbst zu überlegen, da er mir gedankenverloren über die Wange strich. "Der Name macht mich schwach, weil ich dabei immer an meine Vergangenheit denken muss und das will ich nicht. Du bist aber momentan wie ein Lichtblick für mich, also wird mir die ganze Scheiße mittlerweile auch immer gleichgültiger. Außerdem konnte ich deiner Mom ja schlecht sagen, dass ihre ach so brave Tochter mit Xater, dem meistgesuchten Drogendealer der Stadt zusammen ist, von dem zudem eigentlich gar keiner weiß, wie er aussieht, weil alle nur meine Hinterlassenschaften sehen? Wäre vielleicht nicht so intelligent gewesen, da ich sonst schon längst im Todestrakt sitzen würde", erklärte er, worauf ich nichts anderes als ein verstehendes Nicken erwidern konnte. 

"Ich finde, wir sollten eure ehemaligen Nachbarn mal besuchen, damit du dich persönlich bei ihnen bedanken kannst und ihnen nicht immer anonym Geld schicken musst. Sie sollten wissen, dass du all diese Jahre überlebt hast."


Smoke and Red LipstickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt