Er wirkte unsicher und wollte augenscheinlich erst verneinen, mein Blick ließ ihn jedoch umschwenken. "Es ist ja eh erst kurz nach 2 Uhr", gab er schon zum zweiten Mal nach und stand auf. Er richtete seine Haare und begutachtete sein Aussehen im Spiegel. "Nimmst du mich eigentlich mit?", fragte ich kleinlaut nach, worauf er in Gelächter ausbrach. "Ohne dich würde ich da nicht hinfahren. Natürlich kommt du mit", meinte er, als sei es selbstverständlich.
"Soll ich was anderes anziehen oder geht das so?", fragte ich nach, worauf er mich forschend musterte und mein Aussehen abnickte. Er hielt meine Hand, während wir das Haus verließen. Es verursachte eine gewaltige Gänsehaut, wenn er über meinen Handrücken strich, es hörte jedoch auf, als wir auf den Hof kamen.
Er hatte Ghost überzeugt, ihm das Auto zu leihen, da es wie aus Eimern schüttete. Wir rannten beinahe zum Auto, wo ich mich auf den Beifahrersitz fallen ließ. Er selbst saß hinterm Steuer und fuhr los. Während der Fahrt lauschte ich eigentlich nur der Musik, die aus dem Radio erklang, während er nachdenklich, aber konzentriert auf die Straße starrte. Ich langweilte mich etwas, weshalb ich mein Handy hervor nahm und mit dem Auto verband, um meine Musik abzuspielen. "Hätte niemals gedacht, dass du solche Musik hörst", gab er zu und wirkte amüsiert. "So schlimm?", fragte ich deshalb unsicher, was ihn aber lachen lies. "Nein, gefällt mir. Bei mir siehts ähnlich aus", korrigierte er mich und legte eine Hand auf meinen Oberschenkel, während ich einige unnötige Spiele spielte, bis er irgendwann endlich anhielt.
Sein Blick lag auf mir, während er tief durchatmete und sich zurück lehnte. "Ich habe die beiden seit über 15 Jahren nicht mehr gesehen", meinte er und drehte seinen Kopf dann zu dem kleinen Häuschen, in dem sie scheinbar wohnten. Ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange und stieg dann aus, was er mir nachtat. Zusammen gingen wir auf das Haus zu und klingelten an der Haustür. Es dauerte ein wenig, bis eine etwa ende 40 jährige Frau diese öffnete und uns ansah. "Kann ich Ihnen helfen?", fragte sie verwirrt nach, doch es dauerte nicht lange, bis ich Tränen in Xater Augen sehen konnte. "Erinnern Sie sich noch an den kleinen Sohn Ihrer ehemaligen Nachbarn? Sie haben sich um ihn gekümmert, weil seine Eltern nie Zeit für ihn hatten", erzählte er. Ich konnte sehen, wie nun auch ihr die Tränen in die Augen stiegen. "Aaron?", fragte sie nach. "Ja, ich bin's", bestätigte er, während er versuchte, seine Mimik in den Griff zu bekommen. Ihre Stimme klang gebrochen, bevor sie ihm um den Hals fiel.
Er war insgesamt bestimmt anderthalb Köpfe größer als sie, sodass die Frau im Gegensatz zu ihm winzig aussah. Es dauerte etwas, bis sich die beiden voneinander lösten. "Das ist meine Freundin Alexine. Sie hat mich überredet, herzukommen", stellte er mich vor. Sie zog auch mich in ihre Arme, jedoch nicht so lange, wie sie es bei Xater getan hatte. "Kommt rein, ihr beiden. Herald wird sich freuen, dich zu sehen", lud sie uns sofort aufgeregt ein und lief in die Küche. Vorsichtig folgte ich Xater, der ihr beinahe schüchtern in die Küche folgte. Ich schloss die Tür hinter mir und kam in die Küche, als scheinbar Herald Xater in seine Arme zog.
"Wir dachten, du hättest das alles nicht überstanden. Jahrelang haben wir uns Vorwürfe gemacht, dass wir dich nicht einfach mitgenommen haben", erklärte die Frau, die sich als Sabine vorgestellt hatte, als wir uns an den Tisch gesetzt hatten. "Das Geld, das ihr jeden Monat bekommt, ist von mir", beichtete er, wodurch Stille einkehrte. Die Blicke von beiden lagen auf ihm. "Von dir kommt das ganze Geld?", fragte Herald, der als Erster seine Stimme wieder fand. "Ich wollte mich somit revanchieren, weil ich mich nicht getraut habe, euch persönlich unter die Augen zu treten. Vor allen wegen dem, was aus mir geworden ist", erklärte er und griff unter dem Tisch nach meiner Hand. Ich verschränkte unsere Finger.
"Das Geld ist nicht ganz sauber, oder?", fragte Herald ernst, worauf sich Xaters Blick senkte. "Woher weißt du das?", gegenfragte er. "So eine Menge an Geld hat niemand einfach so übrig. Außerdem haben wir geahnt, dass du wirst wie deine Eltern. Auch wenn ich denke, dass du um Längen besser bist als sie. Du siehst mir jetzt nicht aus wie ein Abhängiger", erwiderte Herald und lächelte ein wenig anerkennend. "Nein, ich verkaufe nur. Außerdem habe ich darauf geachtet, dass es so wirkt, als würde ich Arztrechnungen bezahlen, deshalb immer unterschiedliche Beträge", bekräftigte Xater und schaute ihm nun wieder in die Augen. "Das habe ich mir gedacht. Niemand hat dadurch irgendwelche Probleme bekommen", beruhigte Herald ihn, weshalb Xater erleichtert aufatmete.
"Ich glaube ich kann für uns beide sprechen, wenn ich sage, dass wir einfach froh sind, dass du noch lebst und nicht an irgendeiner Spätfolge vom Drogenkonsum deiner Eltern gestorben bist", unterbrach Sabine die ernste Stimmung, riss somit aber gleich das nächste Thema an. "Als wenn die Wachstumsstörung, das Abstinenzsyndrom und der Tod von meinem Bruder nicht schon gereicht hätten", seufzte Xater, weshalb ich ihn mit großen Augen ansah. "Was ist mit deinem Bruder passiert?", fragte ich kleinlaut nach, wodurch sich sein Kopf sofort zu mir drehte. "Ich erzähle dir später alles", versprach er und drückte mir einen Kuss auf die Schläfe.
"Ich muss zugeben, dass aus dir ein gut aussehender junger Mann geworden ist", gestand Sabine. Augenblicklich landete Xaters Blick auf ihr. "Also wirklich, die Mädchen scheinen ja echt auf dich zu fliegen", bekräftigte sie ihre Aussage, weshalb mein Blick ein wenig verstört wirken mochte. "Wir sind nicht zusammen wegen seinem Aussehen, sondern weil er innerlich so viel anders ist, als man es durch seine Fassade erwarten würde. Das Aussehen hat dem den letzten Schliff gegeben", gab ich so und wurde zum Ende hin ein wenig rot.
Sabine hatte Kekse aus dem Schrank geholt und auf einem Teller drapiert, während sie eine Kanne frischen Kaffee kochte. Da ich diesen jedoch ablehnte, kochte sie mir wider meiner Bitte sich einfach hinzusetzen einen Tee, damit ich nicht ganz ohne Tasse da saß. "Ich habe noch alte Fotos von dir. Wollt ihr euch die ansehen?", fragte sie, als sie die kleine Teekanne und eine weitere Tasse zu den anderen auf den Tisch stellte. "Du hast Fotos von mir?", fragte er überrascht, sie lachte jedoch ein wenig. "Ein ganzes Album", gab sie stolz zu und zog ein Buch aus dem Regal. Sie legte es vor Xater und mich auf den Tisch. Interessiert schlug er die erste Seite auf und ich konnte sehen, wie ihm die ersten Tränen aufstiegen. "Da deine Eltern nicht für dich da waren und Baby- und Kinderfotos von dir gemacht haben, habe ich das übernommen, um es dir mal zu zeigen, wenn du groß bist. Als wir dann aber wegziehen mussten und dich nicht mitnehmen konnten, dachte ich schon, ich würde dich nie wieder sehen. Manche Fotos sind zwar nicht so schön, da sie eher zur Verletzungsprotokollierung da waren, aber Fotos sind Fotos", erzählte sie und bekam selbst Tränen in den Augen.
Xater schlug eine Seite auf, auf der Fotos waren, auf denen er wie ein Häufchen Elend saß. Sein Rücken war voller Brandnarben und blauer Flecken. Ich hielt mir schockiert die Hand vor den Mund. "Mach dir keine Sorgen, die sind alle gut verheilt", beruhigte er mich und wischte mir die Tränen weg, die unwillkürlich über meine Wangen liefen.
Nach einer halben Stunde verabschiedete sich Herald, da er in seine Praxis musste, sodass wir nur noch mit Sabine allein waren, während wir uns die Fotos ansahen. Zwischendurch unterhielten sich Xater und Sabine sich über alte Geschehnisse, während ich die leckeren Kekse beinahe in mich hinein stopfte.
"Du warst ja wirklich echt klein", stellte ich fest, als ich ein Foto sah, dass ihn im Alter von 6 abbildete. Er sah wirklich aus wie ein 4 jähriger und dazu noch extrem abgemagert. "Zum Glück ist nie aufgefallen, dass Herald ihm verschreibungspflichtige Wachstumshormone verabreicht hat", erklärte Sabine und strich mit ihren langen Fingern über ein Foto von Xater, als er schon um einiges gesünder aussah.
Mein Blick fiel auf die Uhr, wodurch mir erst auffiel, wie spät es war. Sabine schien meinen Blick bemerkt zu haben, da sie uns beide anlächelte. "Ihr könnt das Album gerne mitnehmen. Ich habe es so lange nicht mehr angerührt", erklärte sie und brachte die Teekanne in das Waschbecken, da ich diese gerade geleert hatte. "Ich glaube auch, wir sollten langsam los. Danke für die Gastfreundschaft", sagte er höflich und stand auf, "Wir haben noch einige Meilen bis nach Hause vor uns."
Wir verabschiedeten uns von Sabine und fuhren dann wieder zurück. Im Auto schaute ich das erste Mal wieder auf mein Handy und sah die vielen Nachrichten meiner Mutter. Als ich den Inhalt las, musste ich schwer schlucken.
< Du musst unbedingt nach Hause kommen. Das Jugendamt stand heute vor der Tür, weil ein Freund deines Vaters mich angeschwärzt hat, dich zu schlagen. Die wollen die nächsten Tage wieder kommen und ich würde dich gerne behalten, wenn du verstehst, was ich meine.

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Smoke and Red Lipstick
Teen FictionAlexine ist eine Musterschülerin und auf dem besten Weg Ärztin zu werden. Was jedoch keiner weiß, ist, dass sie dieses Leben abgrundtief hasst. Sie WILL abrutschen und kriminell sein. Sie WILL Gefahr und Abenteuer, doch das können weder ihre Mutter...