Tag 1

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So lange habe ich auf diesen Tag gewartet. Aufgeregt kontrollierte ich, ob ich auch alles Wichtige eingepackt hatte. Heute war mein erster Tag als Praktikant im nahegelegenen Zoo. Schon seit ich ein Kind war kam ich gerne hierher. Unzählige Stunden hatte ich hier verbracht. Umso glücklicher machte es mich, nun einen Blick hinter die Kulissen werfen zu dürfen.

Bei meinem kurzen Treffen mit dem mir zugeteilten Tierpfleger, Mingyu, hatten sie mir sogar versprochen ausgewählte Tiere füttern zu dürfen. Sofort platzte meine dringendste Frage aus mir heraus - ob ich auch die Erdmännchen füttern dürfe. Sie waren schon immer meine Lieblingstiere, sodass mein Kindheitstraum in Erfüllung gehen würde. In meinem Eifer bemerkte ich das belustigte Grinsen des Pflegers nicht.

Schließlich hatte ich die Zusage bekommen. Zwar ließen sie die Praktikanten normalerweise nicht zu ihnen, doch da ich seit so vielen Jahren ein treuer Besucher war, würden sie eine Ausnahme machen. Dementsprechend hatte ich mir fest vorgenommen sie auf keinen Fall zu enttäuschen und alles richtig zu machen.

So kam es, dass ich mich gegen Mittag zusammen mit Mingyu auf dem Weg zu den Erdmännchen befand. Zuvor hatte ich mithelfen dürfen ihr Futter vorzubereiten. Dabei hatten wir es in eine Art Spiel verwandelt, damit die Tiere etwas dafür tun mussten, um an ihr Futter zu gelangen. So mochte ich es am liebsten. Es war einfach zu niedlich die kleinen Tiere dabei zu beobachten wie sie nach ihrem Futter scharrten.

Nervös leistete ich Mingyus Anweisungen Folge als dieser mich schmunzelnd dazu aufforderte über die Umzäunung zu klettern. Dank meiner Größe war dies kein Problem für mich, jedoch sahen die Erdmännchen aus der Nähe betrachtet noch viel kleiner aus als ohnehin schon.

Darauf bedacht nichts fallen zu lassen oder den kleinen Tieren wehzutun, schritt ich unsicher über das neue Terrain. Von außen sah es immer so einfach aus. War es aber nicht, wie ich gerade feststellen musste. Überall gab es größere oder kleinere Hindernisse, über die man stolpern könnte, wenn man nicht aufpasste.

Mingyu war mir auch keine große Hilfe gewesen, als er eben meinte, ich wisse ja wie es geht. Belustigt lehnte dieser außen am Geländer und beobachtete mich bei meinen ersten Schritten. Gerade als ich sicherer wurde, rief Mingyu mir zu, ich solle aufpassen wohin ich trete.

Von dem unerwarteten Zwischenruf aus dem Konzept gebracht, drehte ich mich um, um zu sehen, ob Mingyu mir noch mehr mitteilen wollte. Doch dieser nickte mir nur zu und schien sich das Lachen verkneifen zu müssen.

Im nächsten Moment wusste ich auch weshalb, denn plötzlich fand ich mich auf dem staubigen Boden liegend wieder. Völlig überrascht brauchte ich einige Sekunden, um zu verstehen was passiert war. Scheinbar war ich in den Eingang eines Erdmännchenbaus getreten als Mingyu nach mir gerufen hatte und nun darüber gestolpert.

„Und hier, liebe Gäste, demonstriert Ihnen mein Kollege wie es aussieht, wenn ein Baum gefällt wird. Einen Applaus für diese fabelhafte Vorstellung bitte!"

Noch bevor ich es sah, hörte ich schon Mingyus Lachen und tatsächlich auch einen verhaltenen Applaus. Perplex, dass sie zu glauben schienen es sei eine geplante Vorstellung gewesen, drehte ich mich zu ihnen um.

„Bitte lächeln!"

Bevor ich überhaupt reagieren konnte, hatte Mingyu schon drei Fotos von mir geschossen. Noch immer fassungslos über sein schadenfrohes Verhalten rappelte ich mich auf und klopfte mir den Staub von der Kleidung. Dann wandte ich mich dem im Gehege verteilten Futter zu. Die Erdmännchen schienen einen kleineren Schrecken davongetragen zu haben als ich, denn einige von ihnen waren schon dabei die Papprollen zu untersuchen und erste Leckerbissen herauszuholen.

Bei diesem niedlichen Anblick schlich sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen. Erleichtert, dass nichts Schlimmeres passiert war, sammelte ich meinen Eimer wieder ein, um das restliche, nicht herausgefallene, Futter an seinen Platz zu bringen.

Erst jetzt fiel mir auf, dass ein Teil des Erdmännchenbaus durch meinen Sturz eingebrochen war. Panisch ließ ich meinen Blick durch das Gehege schweifen und zählte schnell die Erdmännchen. Wenn ich einem von ihnen durch meine Unachtsamkeit wehgetan hätte, könnte ich mir das nie verzeihen.

„Was guckst du denn so? Die Kleinen haben ihre eigenen Wachposten!", hörte ich Mingyu hinter mir kichern. Es war unglaublich, wie sehr ihn das alles zu belustigen schien.

Erleichtert atmete ich auf als sich die Gruppe vollständig überirdisch befand und niemand verletzt schien. So viel zu meinem Plan bloß alles richtig zu machen...

Mingyu ignorierend machte ich mich schnell daran das übrige Futter zu verteilen. Diesmal achtete ich auch genauer darauf wohin ich trat, denn ich wollte die Erdmännchen ja nicht komplett ihrer Baue berauben. Dieser eine tat mir schon furchtbar leid.

Als ich dann, ohne weitere Missgeschicke, wieder über die Umzäunung kletterte, atmete ich einmal tief durch und fuhr mir geschafft durch die Haare. Erdmännchen füttern war anspruchsvoller als ich dachte. Noch immer grinsend schlug Mingyu mir auf die Schulter.

„Respekt, so schnell hat ihnen noch niemand das Futter gebracht. Du hast Talent."

Unter anderen Umständen hätte ich mich über dieses Kompliment wohl gefreut, doch so konnte ich es nicht ganz ernst nehmen.

„Beim nächsten Mal mach nur deine Vorführung bitte nicht auf einer Baustelle. Die Armen dürfen jetzt Dank dir ihr Zuhause neu aufbauen. Wer weiß wo sie jetzt schlafen müssen?"

Oh Gott... Das war so peinlich. Wieso musste er mich jetzt daran erinnern?

„Hättest du mich nicht abgelenkt, wäre das sicher nicht passiert...", verteidigte ich mich schwach, in der Hoffnung er würde das Thema endlich ruhen lassen. Doch da hatte ich die Rechnung ohne Mingyu gemacht...

Kaum hatten wir unser Zeug weggeräumt und den Pausenraum betreten, sollte ich wieder daran erinnert werden.

„Jisoo! Du glaubst gar nicht was du gerade verpasst hast! Ein Bild für die Götter, sag ich dir!"

Mingyus Euphorie kannte keine Grenzen als er den anderen jungen Tierpfleger erblickte. Sofort ließ er sich neben diesem auf die Bank fallen und kramte nach seinem Handy.

„Mingyu, wovon re-"

Noch bevor Jisoo ausreden konnte, hatte Mingyu sein Handy entsperrt und hielt es dem anderen hin. Ich ließ mich derweil widerwillig ihnen gegenüber auf einem Stuhl nieder, da ich nicht mitten im Raum stehen bleiben wollte wie bestellt und nicht abgeholt.

„Sieh dir das an, Jisoo! Unser Kleiner hier hat den halben Bau eingerissen. Ohhh, warum habe ich das nur nicht gefilmt?"

Während Mingyu ihm vorschwärmte, wie lustig es gewesen sei mich dort so liegen zu sehen, fragte ich mich, ob es noch peinlicher werden könnte. Eine Frage, die man sich besser nicht stellen sollte. Aber hinterher ist man bekanntlich immer schlauer. Denn schon am nächsten Tag sollte ich erfahren, dass mein Besuch bei den Erdmännchen ungeahnte Kreise ziehen würde...

Elefant, Erdmännchen & Co - Jun FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt