Tag 3

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Der Vormittag verlief ruhig. Weder sprach Mingyu mich auf Jisoo an, noch machte er Witze über Erdmännchen. Es war schon fast ein wenig unheimlich wie ruhig er geworden war. Dennoch war es beeindruckend wie viel Arbeit man erledigen konnte, wenn man sich nicht mit so etwas herumärgerte.

Als ich mir schon Sorgen um Mingyu machen wollte, kündigte dieser an, vor der Pause noch die Erdmännchen füttern zu wollen. Heute schnitten wir dafür nur etwas Obst und Gemüse, schlugen zwei gekochte Eier leicht an und garnierten den Teller mit Mehlwürmern. Aufwendiger verpacktes Futter würden sie in den nächsten Tagen wieder bekommen.

Am Gehege riss ich zuerst das Foto ab und warf es in den Müll. Scheinbar hatte jemand nichts Besseres zu tun gehabt als es neu aufzuhängen. Auf Mingyus hämisches Grinsen rollte ich nur mit den Augen.

„Na los, klettre schon zu deinen Artgenossen!"

Mit diesen Worten drückte er mir den Teller voll Futter in die Hand und nickte auffordernd in Richtung des Geheges. Grinsend folgte ich der Anweisung. Allerdings achtete ich diesmal besser darauf wohin ich trat. Die Folgen meines Sturzes waren noch immer sichtbar. Allerdings waren die Aufräum- und Neubauarbeiten der Erdmännchen bereits in vollem Gange, sodass es wohl bald vergessen sein sollte.

„Du kannst es wohl kaum erwarten deinen Jisoo wiederzusehen."

„Wovon redest du die ganze Zeit, Kleiner? Jisoo ist nicht meiner!" Gespielt mitleidig sah ich ihn an und zog einen Schmollmund, während ich wieder über die Umzäunung kletterte. Den Teller hatte ich am üblichen Futterplatz der Erdmännchen abgestellt.

„Awww... Nicht traurig sein, Gyu." Im Vorbeigehen tätschelte ich Mingyus Schulter. Anschließend rief ich ihm zu, er solle sich beeilen, da Jisoo sicher nur ungern warten würde.

Glücklich wirkte Mingyu nicht als er mir folgte. Wie erwartet schien es ihm nicht zu gefallen, nicht die Kontrolle über die Situation zu haben. Mir hingegen gefiel es immer besser ihn so auflaufen zu lassen. Und ich bezweifelte, dass Jisoo sich beschweren würde, wenn ich seinem Glück etwas auf die Sprünge half.

„Was hast du in letzter Zeit immer mit Jisoo?" Ich war mir nicht sicher, ob es ihn jetzt frustrierte oder nervte aus mir nicht schlau zu werden. Nach einer kurzen Pause redete er schon weiter, sodass mir keine Zeit blieb, darüber nachzudenken. „Oder stehst du etwa auf ihn?" Grinsend wackelte er mit den Augenbrauen als er zu mir aufgeschlossen hatte.

Bei seinem Blick und seiner völlig falschen Schlussfolgerung musste ich lachen. Wieso sollte ich Jisoo auch als 'seinen Jisoo' bezeichnen, wenn ich selbst etwas von ihm wollte? Das wäre ja völlig absurd.

Verdattert, weil ich seinen Auftritt so lustig fand, sah Mingyu mich an. Scheinbar hatte er gehofft mich anders aus der Fassung zu bringen. Darauf konnte er jedoch lange warten.

„Haha, nein. Ich habe meinen Chwe, der Zuhause auf mich wartet." Beim Gedanken an meinen Freund schlich sich ein glückliches Lächeln auf meine Lippen. Nun war ich derjenige, der mit den Augenbrauen wackelte und ihm vielsagende Blicke zuwarf. Mittlerweile waren wir am Pausenraum angekommen, weshalb ich Mingyu noch einen Klaps auf die Schulter gab. „Vermassle es nicht, Gyu!"

Um Mingyu erst gar keine Chance zu geben, nachzufragen, was er nicht vermasseln solle, setzte ich mich schnell Jisoo gegenüber. Wie bereits am Tag zuvor klebte Jisoo mit seinen Augen an Mingyu, sobald dieser durch die Tür getreten war.

Aus meiner Sicht verlief die Pause sehr unterhaltsam. Statt Gesprächen über Erdmännchen wurde heute bestes Live-Kino geboten. Während Jisoo ihn die gesamte Zeit anhimmelte, versuchte Mingyu mit diesem ein Gespräch zu führen, was ihm eher schlecht als recht gelingen wollte. Einerseits wollte er sich konzentrieren und etwas Sinnvolles sagen, andererseits warf er Jisoo immer wieder skeptische Blicke zu und versuchte wohl zu ergründen, wie Jisoo ihn denn eigentlich ansah. Jisoo dagegen schien Mingyus Verwirrung nicht zu bemerken, da er mit jedem Blick, den Mingyu ihm schenkte, noch glücklicher zu werden und sich mehr zu verlieben schien. Es war unglaublich wie Mingyu das übersehen konnte. Ich lehnte mich derweil entspannt in meinem Stuhl zurück und betrachtete das Schauspiel ohne mich einzumischen. In einem unbeobachteten Moment schoss ich ein schnelles Foto.

Am liebsten würde ich die beiden filmen, um meinem Freund zeigen zu können was ich ihm erzählt habe, doch das wäre dann leider doch zu auffällig. Auch für Jeonghan wäre das Ganze bestimmt höchst interessant. Ich war wirklich gespannt wie lange es noch dauern würde bis zwischen den beiden mehr passierte. Gleichzeitig freute ich mich mit jeder Minute, die das Schauspiel anhielt, mehr, dass es zwischen Hansol und mir weniger kompliziert gewesen war. Ich hätte es nicht ertragen ihn so lange vergeblich anhimmeln zu müssen. An meiner Seite gefiel mein kleiner Chwe mir deutlich besser.

Gegen Ende der Pause erhob ich mich seufzend, um kurz die Toilette aufzusuchen. Ich bezweifelte, dass Mingyu in der Zeit einen Geistesblitz bekommen würde, sodass ich die zwei beruhigt allein lassen konnte. Auf dem Rückweg zum Pausenraum machte ich einen kurzen Zwischenstopp am schwarzen Brett, um dort ebenfalls das Foto abzureißen und wegzuwerfen.

Anschließend sammelte ich mit den Worten „Na, erfolgreich gewesen?" einen angespannt wirkenden Mingyu im Pausenraum ein und machte mich wieder an die Arbeit. Dieser machte sich gar nicht erst die Mühe mir zu antworten, da er zu ahnen schien, dass er keine zufriedenstellende Antwort erhalten würde. Stattdessen bedachte er mich mit bösen Blicken, die sich in meinem Rücken anfühlten als wolle er mich töten.

Entsprechend ruhig und wortkarg verlief der Rest des Tages. Wenn wir redeten, dann darüber was als nächstes erledigt werden musste und wie. Ab und an steuerte Mingyu Wissenswertes über die Tiere und ihr Verhalten bei, wenn wir uns um eine neue Tierart kümmerten. In der Hoffnung, er würde etwas Sinnvolles zutage fördern, ließ ich Mingyu mit seinen Gedanken allein. Immerhin sollte er Jisoo am Ende des Tages mögen und es nicht an ihm auslassen, dass ich meinen Mund nicht halten konnte und in Rätseln sprach.

Zum Feierabend kam ich auf dem Weg zu meinem Spind erneut am schwarzen Brett vorbei. Als ich schon fast vorbeigegangen war, fiel mir etwas ins Auge, das dort eigentlich nicht sein dürfte. Verwundert hielt ich inne und sah noch einmal genauer nach.

Tatsächlich hing dort wieder eins dieser Fotos, die ich gefühlt den ganzen Tag abriss. Mingyu konnte es allerdings nicht gewesen sein, denn der war die ganze Zeit mit mir unterwegs gewesen. Wie also kam dieses Bild hierher?

Mir fiel auf Anhieb nur einer ein, der Mingyu diesen Gefallen tun würde. Aber der wirkte immer viel zu lieb für so etwas. Andererseits hoffte er vielleicht, Mingyu würde auf ihn aufmerksam werden, wenn er ihm half? Auf jeden Fall war er noch hier als wir gingen und hätte somit die Möglichkeit gehabt. Was für mich allerdings die Frage aufwarf, ob sie hier irgendwo einen ganzen Stapel dieser Bilder lagerten. Woher sonst sollten sie so schnell Nachschub bekommen? Die Weitsichtigkeit, mit der Mingyu das alles geplant hatte, war schon beeindruckend.

Kopfschüttelnd riss ich auch dieses Bild ab. Mir war bewusst, dass es ein Kampf gegen Windmühlen war, aber es fühlte sich immer noch besser an als es hängen zu lassen.

Elefant, Erdmännchen & Co - Jun FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt