Tag 5 - 4

61 16 9
                                    

Währenddessen räumte Jeonghan seinen Eimer wieder weg und brachte eine Wassermelone mit. Auf sein Kommando hin öffnete Tana ihr Maul und hielt den Rüssel hoch. Zu meinem Erstaunen schob Jeonghan die Melone im Ganzen rein, ehe er Tana abklopfte, als Zeichen, dass sie ihr Maul wieder schließen dürfe. Ohne große Mühe zerbiss sie die Melone und kaute darauf herum. Respekteinflößend, wenn ich bedachte wie wir Menschen uns manchmal mit Wassermelonen abmühten und wie lange wir daran aßen. Anschließend entließ Jeonghan sie und Tana ging wieder ihrer eigenen Wege.

„Das war... wow", brachte Hansol überwältigt hervor und entlockte Jeonghan damit ein Lächeln. Ich konnte mich ihm da nur anschließen. Von Chan ganz zu schweigen. Der sah aus als hätten seine Echsen gerade ernstzunehmende Konkurrenz bekommen.

„Solche großen Belohnungen bekommen unsere Elefanten nur selten, damit sie etwas Besonderes bleiben. Gerade hat sie sich sehr vorbildlich verhalten, obwohl sie keinen von euch kannte. Durch die besondere Belohnung verbindet sie es mit etwas Gutem und lernt, dass es sich lohnt ruhig zu bleiben. Positive Verstärkung nennen wir das. Trotzdem wäre nicht jedes unserer Tiere dafür geeignet gewesen. An Kibo zum Beispiel hätte ich euch nicht so nah heran gelassen. Grundsätzlich ein guter Kerl, aber manchmal etwas nervös. Dann muss man besonders aufpassen was man macht, denn der Elefant ist immer stärker als du, auch wenn er es nicht böse meint. Außerdem akzeptieren Elefantenbullen keine ranghöheren Mitglieder in ihrer Herde, weshalb die Wahrscheinlichkeit, angegriffen zu werden, sehr viel höher ist. Muss ich noch extra erwähnen, dass das lebensgefährlich wäre oder ist das offensichtlich genug?"

Mittlerweile waren wir im angrenzenden Raum angekommen. Auch hier stand ein Elefant hinter massiven Gitterstäben, während ein Pfleger - vermutlich Seokmin - mit einem Gartenschlauch hantierte.

„Ah Jeonghan, du kommst gerade richtig! Beschäftige Sweni mal mit Futter, während ich versuche diesen Dreck abzubekommen." Erst jetzt schien er uns wirklich wahrzunehmen. „Oh, wen hast du mir denn da mitgebracht? Du bist bestimmt Jun, oder?", fragte er zum Schluss an mich gewandt, was ich mit einem freundlichen Nicken bestätigte.

„Klar, ich hole schnell was. Ihr könnt euch derweil ja miteinander bekannt machen." Kaum hatte er ausgesprochen, war Jeonghan auch schon verschwunden.

„Wie du schon ganz richtig vermutet hast, bin ich Jun. Und hier neben mir haben wir Hansol, meinen Freund, und Chan, Hansols besten Freund", stellte ich uns der Reihe nach vor. „Jeonghan war so lieb für die beiden eine Ausnahme zu machen."

„So kennen wir ihn, immer zu einer guten Tat bereit. Ich bin Seokmin. Freut mich euch kennenzulernen."

Kurz meinte ich, er hätte Chan einen längeren Blick zugeworfen, aber das war bestimmt nur Einbildung gewesen. Chans witziger Gesichtsausdruck bestärkte diese Annahme jedoch. Ihm war doch tatsächlich der Mund offen stehen geblieben. Belustigt klappte ich ihn wieder zu, indem ich sein Kinn nach oben schob, was er gar nicht zu bemerken schien. Dieser Kleine war manchmal schon ein Typ für sich.

Ich hatte gerade Chans Kinn losgelassen, da klappte es auch schon wieder herunter. Leise lachend machte ich einen neuen Versuch, blieb jedoch erfolglos. Chan schien echt weggetreten zu sein.

„Chwe?", fragte ich ihn leise, da Jeonghan gerade zurückgekommen war. „Hast du deinen Kumpel schon mal so gesehen?" Um zu demonstrieren was ich meinte, ließ ich Chans Mund mehrfach auf und zu klappen.

Irritiert verfolgte Hansol das Geschehen, ehe er den Kopf schüttelte. „Nein, nie. Was hast du mit ihm gemacht?"

„Gar nichts. Nur versucht seinen Mund zuzumachen. Ich glaube das ist erst seit Seokmins Begrüßung so. Ob wir ihm zu viel zugemutet haben mit dem Besuch hier?"

Ratlos zuckte Hansol mit den Schultern. „Eigentlich hätte er das problemlos verkraften sollen... Es sind ja nur ein paar Tiere. Riesige zwar, aber nur Tiere. Warte mal gerade..." Eifrig kramte er in seinen Taschen bis er sein Handy in der Hand hielt. „Mach das noch mal. Ich will ihm das zeigen, wenn er wieder bei Sinnen ist."

Schmunzelnd tat ich ihm den Gefallen. Ich musste mich zusammenreißen nicht zu lachen, da diese ganze Situation so absurd war.

„Was treibt ihr da?" Jeonghans Lachen riss uns aus unserer eigenen kleinen Welt. Erschrocken zuckten wir zusammen und Hansol steckte schnell sein Handy wieder weg.

„Ehhh... Gar nichts!", winkte ich mit bemüht unschuldigem Lächeln ab.

Wenig überzeugt zog Jeonghan eine Augenbraue hoch, überließ uns dann aber wieder uns selbst, um sich auf Sweni und seine Arbeit zu konzentrieren. Immerhin beschäftigten wir uns nur mit uns selbst und stellten sonst nichts an.

Behutsam rüttelte ich an Chans Schultern, während Hansol ihm vorm Gesicht herum winkte und leise mit ihm sprach. Irgendwie musste er ja wieder ansprechbar werden, denn erklären, weshalb er es nicht war, könnten wir im Zweifelsfall auch nicht.

Plötzlich kam wieder Leben in unseren Freund. Verwirrt blickte er umher, wobei er uns nur kurz ansah bevor seine Augen wieder etwas anderes hinter Hansol fixierten. Zumindest klappte sein Mund sich endlich wieder von selbst zu.

„Chan? Alles gut bei dir?" Hansols Besorgnis war gut aus seiner Stimme herauszuhören. „Wollen wir lieber rausgehen?"

Ohne seinen Blick zu lösen, schüttelte Chan seinen Kopf. Hieß das jetzt, es ginge ihm nicht gut oder er wolle noch bleiben? Seufzend fuhr ich mir mit der Hand über das Gesicht. Wieso konnte nicht einmal etwas normal verlaufen? Da fühlte man sich ja wie im Zoo!

„Was jetzt, Chan? Geht es dir nicht gut?" Inzwischen hatte Hansol seine Hände auf Chans Schultern gelegt und versuchte dessen Blick einzufangen. Sein bester Freund schüttelte erneut den Kopf ohne etwas zu sagen oder ihn richtig wahrzunehmen. Langsam wurde es unheimlich. Das schien auch Hansol so zu sehen, denn der besorgte Ausdruck auf seinem Gesicht vertiefte sich.

„Sollen wir Jeonghan bitten uns nach draußen zu begleiten?" Wieder gab es nur ein Kopfschütteln als Antwort. Hatte er jetzt das Sprechen verlernt? Ausgerechnet Chan? Aber was wollte er, wenn er bleiben wollte, obwohl es ihm nicht gut ging?

Hansol schien auch nicht weiterzuwissen. Hilflos zuckte er mit den Schultern als er keine weitere Reaktion von seinem besten Freund bekam und mich ansah. Gerade als ich ihm sagen wollte, dass ich auch nicht weiter wüsste, fiel mir auf wie Chans Augen sich bewegten. Und sie klebten garantiert nicht an dem Elefanten.

„Geh mal bitte zur Seite, Chwe. Ich will sehen was seine Aufmerksamkeit so fesselt."

Kaum war Hansol zur Seite getreten und hatte Chans Blickfeld freigegeben, fing der Kleine an wie ein Irrer zu lächeln. Auch mein Freund folgte Chans Blick nun.

„Denkst du, was ich denke?", fragte ich ihn langsam, nicht fassen könnend was dieser Tag alles mit sich brachte.

„Unseren kleinen Chan hat es wohl ordentlich erwischt...", sprach Hansol meine Gedanken laut aus.

„Mhm... Und was machen wir jetzt?"

„Keine Ahnung... Uns etwas einfallen lassen wie wir ihn nachher wieder hier raus bekommen? Er sieht nicht aus als würde er freiwillig gehen."

„Und was wollen wir Jeonghan und Seokmin erzählen, falls sie nach ihm fragen?"

„Das wüsste ich allerdings auch gerne." Ertappt zuckten wir zusammen als plötzlich Jeonghans Stimme hinter uns ertönte.

Elefant, Erdmännchen & Co - Jun FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt