Am frühen Montagmorgen betrat ich mit ungetrübt guter Laune den Zoo. Mein kleiner Chwe hatte sich am Wochenende alle Mühe gegeben, mir zu beweisen, dass er mich aufrichtig liebt - und sich seine heißgeliebten Twix wieder zu verdienen. Es wäre gelogen, zu behaupten, ich hätte es nicht genossen und vielleicht ein bisschen ausgenutzt. Als er irgendwann unterwegs war, ein paar Besorgungen machen, hatte ich ein Einsehen mit ihm. Heimlich habe ich unsere Twix Vorräte aufgestockt, um ihn abends damit zu überraschen und ihm eine Freude zu machen. Das Leuchten in seinen Augen hätte fast unsere Deckenlampe überflüssig gemacht. Doch genau diesen Ausdruck liebte ich so sehr in ihnen. Mir schenkte er daraufhin eine stürmische Umarmung und ganz viele Küsse - natürlich erst nachdem er sein erstes Twix verputzt hatte.
In der Erinnerung schwelgend lächelte ich als ich Mingyu begrüßte. Er schien eher weniger gut drauf zu sein und noch halb zu schlafen, weshalb er mich skeptisch musterte. Aber es war Montag. Was wollte man da groß erwarten?
Bevor wir dazu kamen uns richtig an die Arbeit zu machen, klingelte auf einmal Mingyus Diensthandy. Irritiert ging er ran. Sofort veränderte sich seine Mimik in ein vorfreudiges Funkeln.
„Lass alles stehen und liegen, Kleiner, wir gehen zu Jeonghan!"
Überrascht starrte ich ihn an. Was wollten wir bitte so früh bei Jeonghan? Erst als mir Zambi wieder einfiel kam Leben in meinen Körper und ich eilte Mingyu hinterher. Ich würde gleich miterleben wie ein Elefant geboren wurde! Sofort stieg meine Aufregung ins Unermessliche.
Vor dem Elefantenhaus trafen wir auf Jisoo, der ebenfalls herbeigeeilt kam, und betraten mit ihm zusammen das Gebäude. Jetzt machte es sich bezahlt, dass ich bereits in Ruhe hier gewesen bin. Sonst hätten die neuen Eindrücke mich wahrscheinlich erschlagen.
Als wir die Ställe erreichten, trug gerade eine überraschend kleine Person einen großen Koffer zur Wand des Raumes, um ihn dort abzustellen. Aufgrund seiner geringen Körpergröße wirkte der junge Mann ziemlich verloren in der großen Halle. Weiter vorne sah ich Jeonghan und Seokmin zusammen mit einer weiteren Person um etwas herumstehen und reden.
Da ihre Blicke gen Boden gerichtet waren und Zambi sich auf etwas in ihrer Mitte konzentrierte, vermutete ich, dass wir gerade zu spät gekommen sind. Kurzentschlossen hielt ich Mingyu zurück. Jetzt würde es wohl keinen Unterschied mehr machen, ob wir eine Minute früher oder später kamen.
„Hey, Gyu, wer sind die zwei da drüben?" Unauffällig nickte ich zu den mir fremden Personen, um zu verdeutlichen wen ich meinte. Mittlerweile standen sie nebeneinander.
„Das sind unser Tierarzt, Jihoon, und der Direktor, Soonyoung. Lass dich von Jihoons Erscheinung nicht täuschen, er kann wirklich garstig werden, wenn ihm etwas nicht passt. Mit ihm sollte man sich besser nicht anlegen. Davon abgesehen ist er auf seinem Gebiet mit Abstand der Beste. Soonyoung dagegen arbeitet sehr viel, sodass wir ihn kaum zu Gesicht bekommen, hat aber immer ein offenes Ohr für uns."
Verstehend nickte ich. Mit einem Tierarzt würde ich mich ohnehin nicht anlegen wollen. Die kannten bestimmt eine Menge Wege jemanden leiden zu lassen, ohne ihm ernsthaft zu schaden. Dennoch wurde das Bild, das Jihoon neben Zambi bot, immer erheiternder, je näher wir ihnen kamen. Hatte Chan gestern neben Tana schon winzig gewirkt, so war es bei Jihoon nun noch deutlicher. Innerlich nahm ich mir vor, ihn bloß nicht darauf anzusprechen.
„Schade, ihr seid leider gerade zu spät. Zambi hatte es plötzlich eilig, die Geburt hinter sich zu bringen", begrüßte Jeonghan uns, als wir uns in den kleinen Kreis einreihten.
„Dann lief alles glatt?", erkundigte sich Jisoo, ehe er die anderen begrüßte. Mingyu und ich schlossen uns ihm an.
„Ja. Sie hätte uns gar nicht gebraucht. Der Kleine macht auch einen guten Eindruck bislang. Mal abwarten wie er auf die Beine kommt." Jihoon nahm seine Aufmerksamkeit nicht von dem, gar nicht mal so kleinen, Elefantenkalb, das bereits erste Anstalten machte, aufstehen zu wollen. Jedoch waren seine Beine noch sehr wackelig und es fiel schnell wieder zurück. Zambi stand ruhig daneben und ermutigte es durch sanfte Berührungen mit dem Rüssel. Es war sehr bewegend dabei zusehen zu dürfen.
„Wisst ihr schon einen Namen?"
Soonyoung schüttelte auf Mingyus Frage den Kopf. „Wir wollten zuerst abwarten, ob es gesund ist. Und welches Geschlecht das Kalb hat. Ultraschall ist ja so eine Sache bei Elefanten. Falls ihr Vorschläge habt, nur zu. Es ist ein kleiner Bulle."
Nur am Rande bekam ich die Unterhaltung mit, viel zu sehr war ich darin versunken den kleinen Elefanten zu beobachten. Er war aber auch niedlich. Da konnte man sich glatt verlieben, wenn er einen mit seinen kleinen braunen Augen ansah.
„He, Kleiner!" Grinsend knuffte Mingyu mich in die Seite, woraufhin ich überrascht feststellte, dass alle Augenpaare auf mich gerichtet waren. Erwartungsvoll musterten sie mich.
„Wir wollten wissen, ob du einen Vorschlag für einen Namen hast", half Jeonghan mir auf die Sprünge. Anscheinend sah ich genauso überfordert aus wie ich mich fühlte. Einen Namen. Ich? Das war doch das Letzte, über das ich jetzt nachdachte! Woher sollte ich auch ahnen, dass sie mich fragen würden?
Fieberhaft überlegte ich, nur um festzustellen, dass mir nicht viel Afrikanisches einfiel. Schon gar nicht, wenn es für einen Elefanten geeignet sein sollte. Hoffentlich wollten sie nicht mehrere Vorschläge haben. „Ehhh... Jabu?", schlug ich schließlich das einzige vor, das mir nicht komplett bescheuert vorkam.
Bedächtig nickte Soonyoung. „Jabu... Gefällt mir. Vielleicht lasse ich einfach die Besucher entscheiden, ob ihnen Jabu oder Tamo besser gefällt. Dann haben sie noch einen Grund mehr, zu kommen und sich den Kleinen anzusehen. Ja, so machen wir das..." Den letzten Satz schien er mehr zu sich selbst zu sagen. Das meinte Mingyu also, als er sagte, Soonyoung arbeite viel. Selbst jetzt konnte er nicht aus seiner Haut und machte schon wieder Pläne.
Ich hingegen konnte nicht glauben, dass mein Vorschlag so gut ankam, dass der Elefant vielleicht tatsächlich so getauft werden würde. Jetzt, wo die Möglichkeit bestand, hoffte ich, das Publikum würde sich für meinen Namen entscheiden. Es wäre eine unglaubliche Ehre für mich, der Namensgeber zu sein.
Inzwischen schaffte der Kleine es ein paar wackelige Schritte zu machen ohne sofort umzufallen. Dabei fiel auf, dass er gar nicht so viel kleiner war als Jihoon. Ich schätzte den Unterschied auf vielleicht etwas mehr als einen halben Meter. Schnell versuchte ich mein belustigtes Grinsen zu kaschieren, indem ich mich wieder auf etwas anderes konzentrierte. Wie sollte man auch ernst bleiben können, wenn man Jihoon das erste Mal ausgerechnet neben solchen Riesen sah?
Etwa zehn Minuten nach der Geburt stand das Elefantenkalb verhältnismäßig sicher auf seinen Beinen und trank die erste Milch bei Zambi. Die Erleichterung und Freude der Umstehenden war deutlich spürbar. Jeonghan und Seokmin blickten schon voller Liebe auf ihren neuen Schützling. Er würde es sicher gut bei ihnen haben.
„Sehr schön, ich werde hier wohl nicht gebraucht. Ihr ruft mich sofort an, sollte euch etwas Ungewöhnliches auffallen? Dann mache ich jetzt meine morgendliche Runde." Nach Seokmins Bestätigung verabschiedete Jihoon sich. Auch Soonyoung ging kurz darauf, weil er die Pressemitteilung vorbereiten wollte. Seinen ersten Fototermin würde der kleine Bulle erst später haben, wenn wieder Ruhe eingekehrt war und er sicher auf seinen Beinen stand.
Sobald der Kleine seine erste Stärkung bekommen hatte, öffnete Jeonghan das Tor zwischen den Boxen, sodass auch Sweni und Tana ihr neues Herdenmitglied begrüßen konnten. Währenddessen erklärte Seokmin mir, dass Zambi nur als Vorsichtsmaßnahme isoliert wurde, falls Geburtshilfe notwendig gewesen wäre.
Als mein Blick zu Mingyu und Jisoo glitt, fiel mir siedend heiß etwas ein. Wie hatte ich das nur vergessen können?
DU LIEST GERADE
Elefant, Erdmännchen & Co - Jun FF
FanfictionSchon seit einiger Zeit freute Jun sich auf das Praktikum im Zoo. Endlich durfte er den Tieren etwas näher kommen als er es als normaler Besucher durfte. Besonders auf die Erdmännchen freute er sich sehr, da sie schon immer seine Lieblingstiere ware...