Tag 2 - 2

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„Bring ihn mir in einem Stück wieder, Jeonghan, ich brauche ihn gleich noch."

Der Typ, der offensichtlich Jeonghan hieß, nickte nur kurz, ehe er mich hinter sich her zog. Es beruhigte mich etwas, dass er nicht auf Mingyus Anspielung eingegangen war. Trotzdem wollte ich gerne den Grund für sein plötzliches Auftauchen erfahren. Doch schon zum zweiten Mal heute kam ich nicht dazu meine Frage zu stellen, denn Jeonghan blieb plötzlich vor etwas stehen, das auf den ersten Blick wie eine chaotische Zettelsammlung aussah. Erst genaueres Betrachten offenbarte den eigentlichen Sinn und Zweck des Ganzen. Es war das schwarze Brett der Mitarbeiter. Aber was wollte er hier mit mir? Ich würde doch gar nicht lange genug hier arbeiten, um mich ernsthaft dafür zu interessieren.

„Tut mir leid dich so überfallen zu haben. Mein Name ist Jeonghan", stellte er sich schließlich noch einmal richtig vor. Auch wenn ich noch nicht wusste, weshalb ich überhaupt hier stand, hatte ich das Gefühl bei ihm gut aufgehoben zu sein. Er strahlte so eine Warmherzigkeit aus, obwohl wir Fremde waren. Da musste ich ihn einfach mögen.

„Schon okay. Heute kommt ohnehin alles anders als ich es beim Aufstehen erwartet hätte. Mein Name ist übrigens Junhui, aber nenn mich ruhig Jun." Ich schenkte ihm ein ehrliches Lächeln, bevor ich mich wieder dem schwarzen Brett zuwandte. „Was machen wir eigentlich hier? Ich dachte dieser Ort wäre für mich als Praktikant nicht von Bedeutung."

„Freut mich, Jun", erwiderte Jeonghan ebenfalls lächelnd, ehe er wieder ernst wurde. „Du hast Recht, dass dieser Ort eher für dauerhafte Mitarbeiter gedacht ist. Es geht mir allerdings auch weniger um den Ort an sich, als um das was ich hier gefunden habe. Vielleicht beantwortet es dir die eine oder andere Frage..."

Mit diesen Worten zog Jeonghan ein Foto von der Wand. Sein mitleidiger Blick ließ mich zögern als ich es entgegennahm. Hatte ich eben noch fragen wollen, inwieweit mir etwas von dieser Wand Fragen beantworten sollte, so wurde mir jetzt auf einen Schlag alles klar. Das hatte Mingyu also gemeint, als er sagte, er habe es nicht nötig jedem davon zu erzählen.

Dieser Typ raubte mir irgendwann noch meinen letzten Nerv. War es nicht schon demütigend genug gewesen, mich vor den Augen der Besucher auszulachen statt mir zu helfen und anschließend Jisoo brühwarm davon zu erzählen? Anscheinend nicht.

„Tut mir leid, Jun. Ich wollte es zuerst einfach abreißen und in den Müll werfen. Doch ich dachte du hast verdient zu wissen, wieso dich jeder darauf anspricht. Manchmal benehmen sie sich echt wie kleine Kinder."

Bis Jeonghan mir eine Hand auf die Schulter legte und sie sanft drückte, war mir nicht einmal aufgefallen wie sehr ich mich verspannt hatte. Mit zusammengebissenen Zähnen zeriss ich das Foto und atmete tief durch, um mich zu beruhigen. Jeonghan konnte nichts dafür.

„Danke... Du bist echt der Erste, der mich normal darauf anspricht. Es gefällt mir nicht das Foto hier zu sehen, aber so weiß ich wenigstens wovon sie reden. Und woher sie es wissen. Eigentlich sollte es mich nicht einmal wundern nach Mingyus Reaktionen gestern." Schwer seufzend lehnte ich mich an die Wand hinter mir und betrachtete die Fetzen in meinen Händen. Womit hatte ich so einen Kollegen nur verdient? „Kindisch trifft es wirklich gut, Jeonghan."

„Nimm es ihm nicht übel. Eigentlich ist er ein toller Kollege, nur sein Humor ist manchmal etwas... naja, sagen wir gewöhnungsbedürftig."

Ein trockenes Lachen entwich meiner Kehle. „Das hast du schön gesagt. Aber du hast schon Recht, wenn wir nicht gerade über gestern reden ist er ganz in Ordnung. Trotzdem finde ich diese Aktion unter aller Sau."

Es gefiel mir wie offen ich bereits nach so kurzer Zeit mit Jeonghan sprechen konnte, ohne dafür verurteilt zu werden, dass ich mich über unseren Kollegen ärgerte.

„An deiner Stelle würde es mir nicht anders ergehen. Ich bezweifle allerdings, dass er das macht, um dir zu schaden. Wenn du möchtest kann ich sie gerne abreißen und wegwerfen, falls ich noch mehr dieser Fotos sehen sollte."

Bei dem Gedanken, es könne noch mehr davon geben, lief es mir kalt den Rücken runter. Wer wusste schon wo Mingyu überall welche aufgehangen hatte, weil er es lustig fand? Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, dass bei den Erdmännchen vielleicht ebenfalls eins hängen könnte.

Zustimmend nickte ich Jeonghan zu. „Das wäre lieb von dir, wenn du das tun würdest. Wer weiß was sonst als nächstes kommt... Ich habe ehrlich gesagt wenig Interesse es herauszufinden."

Von Jeonghan bekam ich daraufhin ein aufmunterndes Lächeln geschenkt. „Das glaube ich dir auf's Wort. Gut, ich werde mal die Augen offen halten und versuchen die Auswirkungen klein zu halten. Mingyu wird das Spiel bestimmt schnell selbst wieder langweilig, so ist es immer. Die anderen freuen sich nur, dass diesmal nicht sie an der Reihe sind. Also Augen zu und durch. Du schaffst das, Jun!"

Elefant, Erdmännchen & Co - Jun FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt