Kapitel 1 | Das Abenteuer beginnt

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Zehn Jahre später...

Mama hat früher immer gesagt, „Wir sind alle Sterne und verdienen es, zu funkeln". Damals war ich noch sehr jung und habe nie verstanden, was sie damit meinte, aber mit der Zeit dachte ich an diesen Spruch immer häufiger und er entwickelte sich für mich zu einer Lebensweisheit.

Schon früh begann ich mich für die Sterne, den Mond und das Weltall zu interessieren. Die ganze Sache mit dem Universum war noch viel aufregender, als man zunächst vermutete und ich glaubte fest daran, dass das Schicksal auch eine große Rolle darin spielte. Genauso, wie das Schicksal irgendwann auch in mein Leben einschlug wie ein Komet und meine Zeit zum Funkeln bevorstand, so, wie der Spruch es prophezeit hat.


Der gesamte Flur war übersät mit vollgestopften Taschen und Koffern, die die Wege von Zimmer zu Zimmer blockierten und ich stolperte unzählige Male über das ganze Chaos, während ich wie von einer Tarantel gestochen durch das Haus lief und verzweifelt meinen Reisepass suchte. Zwar hatte ich noch genug Zeit, bis wir uns zum Flughafen aufmachen würden, aber ohne meinen Reisepass gefunden zu haben, würde ich keine Ruhe geben und schließlich konnte ich unmöglich ohne ihn losfahren. Ich durchwühlte jegliche Schubladen, alle Kommoden und Schränke, aber er war nirgendwo aufzufinden.

Als ich mich nach mehreren Minuten und so einigen blauen Flecken erfolglos und erschöpft auf den Boden fallen ließ und den Tränen nahe war, stand mein kleiner, siebenjähriger Bruder mit einem frechen Grinsen im Gesicht in meinem Türrahmen. Der Witzbold wedelte doch tatsächlich mit meinem Reisepass herum und ich zögerte keine Sekunde, rappelte mich schnell auf und versuchte ihn ihm aus der Hand zu reißen, die er jedoch sofort wegzog.

„Louis!", mahnte ich und verdrehte genervt meine Augen. „Nun gib schon her."

„Und was bekomme ich dafür?", fragte er herausfordernd und ließ mir einfach keinen Zugriff auf das, was ich wollte.

„Höchstens einen Tritt in den Hintern", murmelte ich verärgert.

Louis schnappte laut nach Luft und seine Augen wurden groß. „Was hast du gesagt? Das erzähle ich gleich Mum und Dad!"

„Ach ja? Dann sage ich Mum und Dad, dass du mir meinen Reisepass weggenommen hast, den ich bereits seit einer halben Stunde suche." Er zog eine Schnute und ich streckte triumphierend meine Hand aus, wissend, dass er keine andere Wahl hatte, als sich geschlagen zu geben.

„Na schön", erwiderte er grummelnd und reichte mir meinen Reisepass, den ich mir aufgeregt an die Brust hielt. „Wofür brauchst du das überhaupt? Das ist doch nur ein olles Notizbuch."

„Nein, das ist ein Reisepass, du Dummerchen. Ohne den komme ich nicht nach Europa."

„Ist Europa weit weg?" Louis sah mich nun wieder mit seinem unwiderstehlichen Hundeblick an und meine Wut auf ihn verflog in Windeseile.

„Sehr weit. Siehst du diesen Punkt hier?" Ich deutete auf die riesige Weltkarte, die an meiner Wand hing, um es ihm zu verdeutlichen. „Hier wohnen wir. Und hier" Mein Finger wanderte quer über den Ozean bis nach Europa und kreiste den Kontinent einmal ein. „Das hier ist Europa. Und an jedem Ort, auf dem ich einen Stern aufgelebt habe, werde ich sein."

„Wow", hauchte Louis fasziniert und starrte die glitzernden Sternensticker an. „Das ist aber ganz schön weit weg."

„Allerdings. Du wirst deine Schwester doch bestimmt vermissen, oder?" Auffordernd streckte ich meine Arme breit aus, in die er freudig hineinlief und mich fest drückte.

Ich verspürte einen Stich in meinem Herzen, sobald er sich an meine Schulter schmiegte und ich realisierte, dass ich ihn fast ein Jahr lang nicht mehr sehen würde. Er würde in dieser Zeit enorm wachsen, viel lernen und ich konnte nicht dabei sein und ihm dabei zusehen. Denn auch, wenn wir öfters unsere Auseinandersetzungen hatten und ich ihm jede Woche mindestens einmal den Kopf abreißen möchte, liebte ich meinen kleinen Bruder mehr als alles andere.

Lumina ✈ Destination: EuropaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt