Kapitel 5 | Unruhiger Morgen

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Ausgeschlafen und voller Tatendrang wachten Savannah und ich am nächsten Morgen auf. Ich blickte aus dem Fenster und sah bereits eine Menge Menschen, die sich auf dem Weg zur Schule oder zur Arbeit befanden und  ihrem Alltag hinterher gingen. Für uns war jetzt erst einmal vorbei mit Alltag, für uns begann ein komplett neuer Lebensabschnitt. 

„Wie lange haben wir noch bis zum Frühstück?", fragte Sav, während sie an mir vorbeirauschte und wild in ihrem noch unausgepackten Koffer herumwühlte. 

„Etwa eine halbe Stunde", stellte ich mit einem Blick auf die Uhr fest. Ich befand mich selbst noch in meiner Pyjama und musste furchtbar aussehen, aber ich wollte mich nicht abhetzen wie meine beste Freundin, die panisch ins Bad lief und nun in ihrem Schminktäschchen kramte. 

„Mist, ich habe meinen Lieblingseyeliner zu Hause vergessen!", fluchte sie und ich holte schon einmal meine Sachen hervor, da ich genau wusste, was nun kommen würde. Mit einem flehenden Lächeln lugte sie aus der Tür hinaus und sah mich an. 

„Lumiiii", zog sie meinen Spitznamen in die Länge und klimperte mit ihren Wimpern. „Kann ich mir deinen Eyeliner ausborgen, bevor ich mir einen neuen gekauft habe?" 

„Das musst du mich doch nicht fragen", meinte ich und reichte ihr das gewünschte Produkt. „Ich schenke ihn dir sogar, ich werde ihn wahrscheinlich sowieso nicht mehr benutzen." 

„Du bist echt die Beste, weißt du das?", hörte ich sie gedämpft. 

Mit einem seligen Lächeln auf den Lippen machte ich mich nun ebenfalls langsam daran, meine Anziehsachen für den heutigen Tag vorzubereiten und meine Koffer zu entleeren. Nachdem Savannah auch endlich das Bad nicht mehr blockierte und ich mich darin breit machen konnte, warf ich einen Blick in den Spiegel. 

Meine langen, welligen Haare sahen wie erwartet wie ein Vogelnest aus und ich kämmte es flüchtig durch und beschloss, es offen zu lassen. Auch wenn Sav länger im Bad brauchte als ich, schminkte sie sich nicht allzu stark, aber im Vergleich zu ihr schminkte ich mich so gut wie gar nicht. So etwas wie eine Foundation oder Concealer benutzte ich nie und Wimperntusche, Lippenstift und Blush waren in Nullkommanix aufgetragen. 

Ich war sehr dankbar für meine größtenteils reine Haut, musste dafür aber öfter mit meinen beinahe hüftlangen Haaren kämpfen. Schnell zog ich mich an und war bereit dazu, den Tag in den Angriff zu nehmen. Der erste Tag in London! 

„Wollen wir schon einmal nach unten?", fragte ich meine beste Freundin, die schon wartend auf ihrem Bett saß und auf ihrem Handy tippte. 

„Wir haben sowieso nur noch fünf Minuten, vielleicht sind die anderen auch schon da." 

Ich nickte und wir machten uns auf den Weg nach unten zum Speiseraum. Es standen tatsächlich schon einige Leute davor, die meisten waren Erwachsene, die wir nicht kannten, aber es waren auch welche aus unserer Gruppe dabei. 

„Komm mit", forderte Savannah mich auf, aber aus irgendeinem Grund hatte ich jetzt noch wenig Lust auf so viel Kontakt. „Lumina", seufzte sie. „Wollen wir nicht zumindest Gabbie begrüßen?" 

„Sie kann ja gleich mit zu uns an den Tisch", murmelte ich abwesend und wusste, dass ich mir mal wieder selbst im Weg stand. 

Ich wollte mir vornehmen, dieses eine Jahr offener zu werden, neue Leute kennenzulernen, Verantwortung zu übernehmen und das war die perfekte Gelegenheit dazu. Trotzdem hemmte mich irgendetwas in meinem Inneren, sodass ich nicht einmal auf unsere Gruppe zugehen konnte. Zumindest noch nicht, denn noch waren sie alle Fremde, denen ich nicht vertrauen konnte. Und Vertrauen war eine Sache, die man sich bei mir hart erarbeiten musste. Also blieben wir erst einmal auf Abstand, bis die Tür zum Speiseraum geöffnet wurde und alle sich hinein zwängten, als würden sie verhungern. 

Lumina ✈ Destination: EuropaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt