Kapitel 24 | Geheimnisse

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Es war wenige Tage nach meinem elften Geburtstag. Meine Eltern hatten sich schon eine ganze Weile lang seltsam verhalten, schon vor meinem Geburtstag, an dem Tag selbst und ganz stark danach. Ich wusste, dass irgendetwas nicht stimmte und die Anspannung am Esstisch war unerträglich, weswegen ich das Wort ergriff und diesbezüglich nachhakte. 

„Was ist eigentlich los mit euch? Ihr seid so komisch in den letzten Tagen... Ist irgendwas passiert?" Meine Eltern tauschten einen Blick untereinander aus und das gab mir die hundertprozentige Sicherheit, dass da irgendetwas im Busch war. 

„Lumina, Liebes", fing Mama leise an und stand während des Essens auf. „Komm mit, wir setzen uns ganz in Ruhe auf die Couch." 

Dad und ich folgten ihr und ich begann, mich sehr unwohl zu fühlen und hatte panische Angst davor, was nun kommen würde. Würden meine Eltern sich womöglich trennen? Stimmte etwas nicht mit Louis, der noch ein Baby war? Mein Atem ging schwer und ich suchte nach der Hand meiner Mutter, die sie fest drückte und mich lieb anlächelte. Auch Dad lächelte, also war es hoffentlich doch keine Trennung. 

Vorsichtshalber fragte ich direkt nach: „Ihr trennt euch doch nicht, oder...?" 

„Um Gottes Willen, nein, Lumina", lachte Papa und ich war zutiefst erleichtert. „Ich liebe deine Mama und dich sehr. Wir sind eine Familie und deswegen müssen wir nun dieses sehr wichtige Gespräch mit dir führen." Das klang wieder negativ und ich bekam erneute Bauchschmerzen. 

„Du kommst nun langsam in ein Alter, wo du beginnst, Dinge zu verstehen und wir müssen als Eltern ehrlich zu dir sein. Wir denken, dass jetzt der richtige Zeitpunkt dazu ist, um es dir zu sagen." 

„Mir was zu sagen?", fragte ich ängstlich. 

Sanft strich Mama mir über die Haare. „Erinnerst du dich an den Film, den wir vor einigen Tagen zusammen gesehen haben? Über das liebe Mädchen, das sich nicht mehr so gut mit ihren Eltern verstanden hat und am Ende von einer sehr netten Frau aufgenommen wurde, was sich um das Mädchen gekümmert hat?" Zögerlich nickte ich und sah die Bilder des Films vor meinen Augen ablaufen. 

„Dein Papa und ich, wir sind genauso wie die Frau. Wir haben dich gesehen, dich geliebt und dann aufgenommen." Ich sah zwischen den beiden hin und her und versuchte zu verstehen, was sie mir damit sagen wollten. 

„Wir haben uns so sehr gefreut, dich in unser Leben aufzunehmen und dir eine Familie wie unsere zu schenken", fuhr Papa fort und ich sah ihn mit großen Augen an. „Betrachte es wie ein Märchen - Es war einmal eine nette Frau, die ein Baby in ihrem Bauch hatte. Leider konnte sie es nicht behalten und brauchte unbedingt ein neues, sicheres Zuhause für das Baby. Dieses Baby bist du, Lumina. Wir haben dich sechs Jahre lang gesucht, und dich dann endlich gefunden. Das, was mit dem Mädchen aus dem Film und mit dir passiert ist, nennt man Adoption. Wir haben dich adoptiert." 

„Wir verstehen, wenn das zu viel auf einmal war, aber wir lieben dich, Lumina, und wir werden auch niemals damit aufhören", fügte Mama hinzu und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. 

Ich war zutiefst verwirrt, begann aber langsam zu verstehen. Es fühlte sich so an, als würde ich in meinem eigenen Kopf ein Puzzle zusammensetzen. „Ich bin... adoptiert? So wie das Mädchen aus dem Film?" Meine Eltern nickten und lächelten so ansteckend, dass ich ebenfalls lächeln musste. 

„Das ist nichts Schlimmes?", wollte ich mich vergewissern. 

„Nein, natürlich nicht, Liebes. Das ist sogar etwas sehr Gutes. Wir wollen nur das Beste für dich." 

Nach kurzem Überlegen nahm ich beide in Arm und spürte deren beruhigende Herzschläge. Ich habe nicht alles verstanden, was sie mir gesagt haben, aber ich wusste, dass sie nicht seit meiner Geburt bei mir waren und erst später zu meinen Eltern wurden. 

Lumina ✈ Destination: EuropaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt