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Geräuschlos öffnete Stephen die Tür zu Tonys Werkstatt und war gerade dabei, sich von hinten an Tony heranzuschleichen, als dieser sich umdrehte und verwirrt Strange erblickte. Er hockte wie eine Katze auf der Lauer hinter seinem Schreibtisch und spähte über die Schreibtischplatte.
»Hey Steph, was verschafft mir die Ehre?« Lachte Tony vergnügt und sah grinsend dabei zu wie der Doktor über einige Käbel stolperte bis er endlich vor dem kleineren Stand und völlig unbeirrt anfing zu lächeln.
»Keine Ahnung, mir war langweilig. Was machst du gerade so?« Interessiert sah Stephen zu dem zugestellten Schreibtisch und schlussfolgerte daraus, dass er an irgendwas arbeiten musste.
»Ich bastele gerade Mark 73 zusammen.«
»Dreiundsiebzig?!« Wiederholte Stephen laut und starrte ihn unglaubwürdig an.
»Ich habe eben viel Freizeit. Außerdem ist es eine... eine gute Ablenkung.« Meinte Tony schulterzuckend und wurde zum Ende des Satzes hin immer leiser.

Schon wieder musste sich Stephen auf die Lippe beißen, um nicht den traurigen Tony vor sich in die Arme zu schließen und ihn nie und nimmer wieder loszulassen.
Seufzend legte der besorgte Doktor eine Hand vorsichtig auf die Schulter seines kleinen Mechanikers, der sich mittlerweile wieder umgedreht hatte und sich mit gesenktem Kopf still und leise seiner Arbeit widmete. Stephen trat einen Schritt näher auf ihn zu und drückte die Schulter des kleineren sanft zurück, sodass Tony sich gezwungenermaßen umdrehen musste.
Durch die wässrigen Augen erkannte Tony dennoch diese Wärme die in den letzten Wochen beinahe immer in den Augen von Stephen zu erkennen war und ganz allein ihm galt.
»Es wird alles wieder gut.« Wisperte der Zauberer lächelnd und drückte Tony an sich, sodass dieser sein Gesicht schluchzend in Stephens Brust drückte und Strange sein Kinn auf den Kopf des deutlich kleineren legte. Er schloss die Augen für einen Moment, weil er Tony für diese paar Sekunden so nah sein durfte.
»Ich habe ihn sterben lassen, Stephen... I-ich habe ihn... Ich habe ihn sterben lassen.« Schluchzte er so verzweifelt und zerbrochen das es Stephen das Herz zerbrach.
»Du hast dein Bestes gegeben. Wir waren einfach zu schwach gegen Thanos und konnten manche Tode einfach nicht verhindern. Du schaffst das schon.« Hauchte Stephen sanft und strich ihm immer wieder beruhigend den Rücken hoch und wieder herunter.
Tony wusste, dass Stephen nicht mal annähernd Ahnen konnte, wie es war, wenn man so sehr trauerte. Wenn die Wunden mit nur ein paar Worten wieder aufgerissen werden konnten, wenn sie einfach nicht zu heilen schienen und man für diesen Moment, wo die Trauer in einem hochsteigt, unbedingt einen Halt benötigte. Denn wenn man so viel verloren hatte wie Tony, siegte die Trauer für gewöhnlich.
Doch dass Stephen trotz all dem versuchte es zu verstehen und trotz all dem versuchte ihn zu trösten, ja, sogar bei ihm blieb, obwohl Tony den jüngeren sowie viele Andere in der Zeit kurz nach dem Krieg mit Thanos einfach ignoriert hatte, obwohl sie sich so gut wie nicht kannten und obwohl Tony seine Dankbarkeit nie richtig zeigte, das alles, ließ seine Tränen jedes Mal wieder versiegen.
Wenn man Stephens Herz, das wusste Tony, erst einmal geöffnete hatte und man ihn aus nächster Nähe erlebte - wie der nach Vernunft handelnde, vermeintlich kalte und abstoßende Meister der mystischen Mächte einen in seinen Armen sanft hin und her wiegte, erkennt man schnell das dieses Herz, welches Tony leise und zärtlich schlagen hörte, eigentlich viel zu groß ist für diesen Körper.
Und genau dieser Gedanke zauberte Tony für einen Moment ein Lächeln auf das Gesicht, bevor er sich wieder sanft weggedrückte und sich rein gar nichts dabei dachte. Er machte sich schon lange keine Gedanken mehr dazu, wie liebevoll Stephen eigentlich mit ihm umging. Und vor allem machte er sich keine Gedanken mehr dazu, was er von ihm dachte. Scham spürte er schon lange nicht mehr, jetzt war es nur noch Dankbarkeit.

»Du sahst so glücklich aus in den letzten Tagen, ich dachte, es wäre alles wieder okay?« Fragte Stephen leise nach und blickte Tony einmal von oben bis unten an. Er zitterte leicht und hatte die komplette Farbe aus dem Gesicht verloren und trotzdem... lächelte er.
»Nein, mir geht es auch besser, wirklich. Nur manchmal kommt alles wieder. Aber nicht ansatzweise mehr so häufig wie früher dafür bin ich dir auch dankbar.« Tony schaffte es nicht bei diesen Worten Stephen in die Augen zu sehen und blickte immer wieder unauffällig zur Seite bis er es komplett aufgab und nur auf seine Hände starrte.
Dankbarkeit, oder generell seine Gefühle zu zeigen, lag ihm noch nie so richtig.
Stephen allerdings schmunzelte nur liebevoll und stupste den kleineren an, der nun endlich zu ihm hochsah. »Komm mal mit.« Meinte er lächelnd und machte ein paar kreisende Hand Bewegungen in der Luft. Er zog Tony sofort ohne Widerrede sanft hinter sich her, wodurch sie beide gleichzeitig durch das leuchtende Portal stiegen und in einen für Tony völlig unbekannten Wald wieder herauskamen.

»Was ist das? Wo sind wir hier?« Hauchte der Mechaniker leise, um zwei Eichhörnchen nicht zu verschrecken, welche ein paar Meter von ihnen entfernt sich um eine Eichel stritten.
»Das ist fürs Erste egal. Jetzt sind wir hier und können tun was auch immer wir wollen. Dieser Wald ist komplett verlassen.« Zwinkerte Stephen ihm zu und zog Tony an der Hand zu einem kleinen Fluss, der durch dichte Vegetation floss und in welchem große und kleine Steine lagen, die manchmal ihre grauen Köpfe über die Wasseroberfläche hielten.
Lächelnd ließ er seine Hand wieder los und freute sich innerlich über den mehr als erstaunten Blick des braunhaarigen.
Auf der anderen Seite des Flusses tummelten sich die verschiedensten Tiere.
Eine Handvoll Rehe, dutzend kleine und große Vögel, ein Luchs Weibchen mit ihren Jungen, ein scheuer Dachs, im Hintergrund ein Rudel brauner, schwarzer und weißer Wölfe, ein junger, brauner Bär der die vielen Fische im Wasser jagte, drei, vier Eichhörnchen in den Baumkronen der kleinsten Bäume und ein Wildschwein mit ihren Frischlingen auf der Suche nach Nahrung.
»Es ist ein verzauberter Ort wie du siehst. Die Tiere würden in freier Wildbahn nie so dicht an dicht Leben. Aber wenn du willst, können wir auch in einen Regenwald mit exotischen Tieren oder in die Antarktis, Pinguine beobachten.« Lächelte Stephen liebevoll Tony gegenüber und legte kurz den Kopf in den Nacken, um in den strahlend blauen Frühlings Himmel zu blicken.
Sie waren an einer großen Lichtung, und wenn man aufschaute konnte man das helle Grün der vielen Blätter an den Bäumen beobachten, welche ihre langen, dunklen Arme bis hoch in das Blau des Himmels reckten.

»Schon gut, ich würde gerne hier bleiben.« Erwiderte Tony leise, mit erstickter Stimme und konnte seine Augen nicht von den zwei drolligen Luchs jungen lassen, die sich schon die ganze Zeit geschwisterlich um ein kleines Stück Fleisch kabbelten.
Tony merkte überhaupt nicht wie Stephen kurz durch ein Portal verschwand und schließlich mit einer großen Decke wiederkam.

Sie hüpften lachend über ein paar große Steine, die aus dem Wasser ragten, um auf die andere Seite des Flusses und gleichzeitig einer kleiner, offenen Wiese zu gelangen.
Die beiden legten sich auf die Decke und sahen in den strahlenden Himmel, der ein wenig mit grünen Blättern und Zweigen verdeckt war.
Nach einiger Zeit des Redens und des Tiere-Beobachtens, kam auf einmal wie aus dem nichts ein einzelner Wolf an und blickte aus glänzenden, wilden Augen Tony an.
Er setzte sich langsam auf und betrachtete den jungen Wolf. Dieser hatte ein goldbraunes und ein blaues Auge. Das flauschige Fell schimmerte schneeweiß mit braunen und schwarzen Stellen. Seine Ohren stellten sich sofort Kerzengerade auf und die äußerst klugen Augen blickten Tony ziemlich interessiert an, als ob er noch nie so eine ungewöhnliche Zweibeiner-Gestalt gesehen hatte.
Die feuchte Nase schnupperte an dem Menschen herum, welcher sich kaum zu atmen traute, bis der Wolf ein freudiges Bellen austieß und in derselben Sekunde noch über Tony herfiel, sodass dieser nach hinten umkippte und sein ganzes Gesicht sofort von dem freudigen Wolf abgeschleckt wurde. Herzlich lachend versuchte Tony sanft das große Tier mit dem üppigen, flauschigen Fell von sich wegzudrücken und hörte nebenbei wie Stephen, welcher eben ein wenig weggedöst war, anfing Tony herzlich auszulachen.

𝘥𝘰𝘯'𝘵 𝘺𝘰𝘶 𝘬𝘯𝘰𝘸 ᶤʳᵒᶰˢᵗʳᵃᶰᵍᵉWo Geschichten leben. Entdecke jetzt