9

65 13 8
                                    

Und schon wieder saß ich alleine in diesem Raum, der scheinbar nun meiner war.
Der Scherge - ich hoffte so sehr, dass er Lenius hieß - hatte mich wieder zurückbegleitet. Doch nachdem ich ihn nach seinem Namen gefragt hatte, war er komplett schweigsam geblieben. Also hatte auch ich geschwiegen und hatte meinen Gedanken nachgehangen:

Es gab also einen Rat in der Burg.
Nicht dass man es für nötig befunden hätte der Bevölkerung davon zu erzählen, aber...
Und wofür der gut sein sollte, und was das alles mit meiner Begabung zu tun hatte, hatte mir auch keiner erklärt.
Aber im Endeffekt war ich wohl ziemlich bedeutungslos für all diese 'wichtigen' Personen.
Schließlich war der Scherge mit den Worten verschwunden, ich solle mir etwas Anständiges anziehen und er würde mich dann in einer Viertelstunde wieder abholen.
Und jetzt war ich hier und hatte keine Ahnung, wie viel Zeit schon vergangen war. Normalerweise hatte ich mich innerhalb von einer Minute angezogen, da es im Prinzip keine Auswahl gegeben hatte.
Aber jetzt hatte ich einen riesigen Kleiderschrank und ich hatte nicht die geringste Idee.
Also beschloss ich mir alle Kleider einfach noch einmal anzuschauen. Und gab es hier eigentlich auch andere Schuhe? Zumindest sahen die tiefschwarzen Schuhe der Schergen deutlich edler aus als meine Lederschuhe. Doch als ich die Schranktüren öffnete, konnte ich keine entdecken und gab mich lieber sofort wieder dem Bedürfnis hin, den Stoff anzufassen.
Als ich ein wenig die Kleider hin und her schob, entdeckte ich einen blütenweißen Saum zwischen all den farbenprächtigen Kleidern.
Ich nahm vorsichtig den Bügel von der Stange und legte das Kleid auf dem Bett ab.
Es war wunderschön. Noch schöner als das violette.
Der Saum war von Rüschen besetzt und es zogen sich aufgestickte Ranken von unten herauf, die auf Brusthöhe in einer roten Blütenpracht explodierten.
Der Halsauschnitt wurde lediglich von überaus echt aussehenden Blütenblättern gebildet.
Ich beschloss, es sofort anzuprobieren.
Schnell zog ich mir meine alten Sachen aus und legte sie gefaltet in den Schrank. Ein bisschen Erinnerung musste schließlich bleiben. Dann schlüpfte ich in das Kleid hinein. Es fiel locker an mir hinunter und doch sah es so edel aus.
Ich schob mir eine grüne Ranke, die sich als Träger über meine Schulter schlängelte, ein wenig seitlich von der Schulter hinunter. Dann trat ich wieder an den Schrank heran, um alles im Spiegel zu betrachten.
Es sah umwerfend aus. Ich wusste nicht, wie man so etwas nähen konnte. Es war ein unglaubliches Werk. Ich sah so erwachsen darin aus. Bestimmt hätte mich im Dorf keiner wiedererkannt. Ich strich mir eine widerspenstige Haarsträhne hinter das Ohr. So sah es noch besser aus. Wenn Liv mich doch bloß darin sehen könnte. Ich sah wie mein Spiegelbild mir einen mitleidigen Blick zuwarf, was mich wieder lächeln ließ.
Dann griff ich mir hinter den Hals, um den kleinen Knopf in meinem Nacken zu schließen. Aber er war so tief unten, dass ich nicht heran kam.
Sollte ich gleich den Schergen fragen. Das konnte ich doch nicht machen, oder?
Also eigentlich sah er ja schon nett aus. Nur danach würde er mich für so unglaublich ungeniert halten.
Aber alleine würde ich den Knopf jedenfalls nicht schließen können.

Da klopfte es auch schon an der Tür.
Mein Herz begann zu rasen. Ich ging schnell hin und machte auf.
Und dort stand natürlich wieder er.
Als er mich erblickte zog er nur eine Augenbraue hoch.
"Wie ich sehe haben Sie den Kleiderschrank bereits gefunden."

"Eh ja" Was wollte er damit jetzt ausdrücken?!

"My Lady, das wollen Sie aber nicht zum Speisen tragen?"

Doch eigentlich schon und außerdem wollte ich dich gerade fragen, ob du mir den Knopf schließen kannst, aber das kann ich ja jetzt wohl so oder so vergessen.
"Ehm ja also ich weiß nicht. Ich kann mir auch gerne etwas anderes anziehen", gab ich dann schließlich leise zurück.

"Das wäre angebracht"
Er schob sich an mir vorbei und ging zielstrebig auf den Kleiderschrank zu. Dann holte er ein recht einfaches dunkelblaues Kleid heraus und hielt es mir hin. Ich nahm es wortlos entgegen.

"Ich komme in drei Minuten wieder herein", sagte der Scherge und verließ den Raum.
Ich streifte mich aus dem weißen Kleid und hängte es zurück auf den Bügel. War das jetzt tatsächlich zu schick gewesen oder was hatte er dagegen gehabt?
Das dunkelblaue Kleid war tatsächlich genauso schlicht wie es vorher ausgesehen hatte. Es ging glatt von oben bis unten hinunter. Lediglich ein dünner geflochtener Gürtel in der Taille hübschte es etwas auf.
Das einzige Problem war, dass es bis auf den Boden reichte. So verdeckte es zwar meine alten Schuhe, aber es könnten sich daraus natürlich auch gewisse andere Probleme ergeben.
Ich öffnete die Tür und trat vorsichtig auf den Gang hinaus.
Der Scherge musterte mich von oben bis unten, schien zufrieden mit seiner Auswahl zu sein und nickte zustimmend. Dann lief er auch schon wieder voraus und ich stolperte ihm über mein Kleid hinterher.

~~~

Ein wunderschönes frohes neues Jahr!!!
*knall, knall, Rakete, Böllerexplosion, peng*

Falls euch in diesem Kapitel ein paar Ausdrücke mit den Kleidern bekannt vorkommen sollten, ich habe sie aus dem sechsten Kapitel entfernt und hier eingebaut. Denn dort habe ich alles etwas verkürzt, weil ich in diesem Kapitel die Kleiderszene wichtiger finde und sie bei diesem Kleid auch deutlich begeisterter sein sollte, als beim ersten *-*

Ich hoffe ihr freut euch schon mal aufs nächste Kapitel, auch wenn in diesem jetzt nicht so viel neues passiert ist *entschuldigend grinsend*


Rat der SinneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt