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"Hey, ich dachte wir könnten uns mal richtig unterhalten."
Gut. Jetzt war es raus. Ich wusste nicht, ob es klug war so ein Gespräch zu beginnen, aber immerhin entsprach es der Wahrheit.
"Ganz wie Sie wünschen Mylady. Ich bin schließlich derjenige, der sich um Sie kümmert."
Das klang ja nicht wirklich begeistert,  eher pflichtbewusst. Und dieses 'Mylady' war eindeutig das erste, was ich ihm abtrainieren sollte. Ganz wie bei Mr Gurs.
"Bitte nenn mich doch ganz normal Lucy. Sonst fühle ich mich so veräppelt."
"Veräppelt? Schergen, die auf der Burg arbeiten, müssen Grundwortschatz-Training absolvieren, um sich adäquat ausdrücken zu können."

Interessant, wahrscheinlich fand er, dass ich dieses Training auch dringend nötig hatte und zeigte deshalb kein Interesse sich mit mir zu unterhalten.
Ich beschloss ihn direkt zu fragen. Direkt zu sein war manchmal besser, als sich immer zu verstellen. War so eine Erfahrung von mir. Nur, dass ich speziell mit Schergen, natürlich herzlich wenig Erfahrung hatte.
"Möchtest du deswegen nicht mit mir sprechen, weil ich dieses Training nicht habe und weil ich nicht auf deinem Niveau spreche?"
Ich schaute ihn gespannt an. Er ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Dann kam sie:
"Nein, das ist es nicht. Aber wir sind angehalten ein distanziertes Verhältnis zu denjenigen zu führen, denen wir dienen."
Ein Befehl also. Ja das sah Goldkauz ähnlich.
"Aber sieh es doch so. Du dienst mir ja nicht richtig. Du hilfst mir nur. Abgesehen davon bist du im gleichen Alter wie ich und deshalb kann ich dich wohl kaum als meinen Diener bezeichnen."
Während ich noch redete, sah ich, wie sich seine Mundwinkel wieder hoben. Ich merkte, dass ich ihn in gewisser Weise überzeugt hatte. Ob er die Argumentation wirklich unterstütze, oder ob er sie nur glauben wollte, weil ihm das ganze Getue auf der Burg auf die Nerven ging, konnte ich nicht sagen.
Er setzte zu einer Antwort an:
"Du bist ganz schön clever Lucy."
Ich jauchzte innerlich auf. Das war ein Statement. Nicht, weil er mich für schlau hielt, nein, weil er mich geduzt hatte.
Ich schaute ihm mit einem triumphierenden Grinsen an. Er lächelte sanft zurück. Mir fiel auf, wie sehr ich es liebte ihn so zu sehen. Dieses Lächeln, das er aber gleichzeitig zu verbergen versuchte.
Er schaute mich nun geradewegs an. Seine Grübchen waren so niedlich, wenn er lächelte. Doch seine braunen Augen schienen schon wieder Funken zu sprühen.
Als er schon zum Weitersprechen ansetzen wollte, unterbrach ich ihn direkt. Dieser eine Satz war der wichtigste für mich gewesen. Ich wusste auch nicht, warum ich ihm so große Bedeutung beimaß, es kam mehr aus einem Gefühl heraus.
"Danke Lenius. Das war alles was ich brauchte."
Ohne lange zu überlegen lehnte ich mich zu ihm hinüber und zog ihn unsicher in eine Umarmung. Er erwiderte sie kurz und zögerlich. Endlich schien er die Distanz der Diener aufgegeben zu haben.
Wir lehnten uns wieder zurück an den Baumstamm. Irgendetwas hatte die Umarmung in mir ausgelöst. Ich konnte nur noch nicht fassen, was es war.
Dann wandte ich mich wieder Lenius zu. Jetzt war der perfekte Moment für meine Frage. Ich wusste, dass es heikel war und alles kaputt machen konnte. Aber ich musste doch schließlich meine kleine Liste abarbeiten: Volksstimme und äußere Feinde.
"Lenius?"
"Ja?", er schaute zu mir hoch, nachdem er scheinbar ganz interessiert den Rasen betrachtet hatte.
Jetzt oder nie.
"Hast du schon mal von der 'Volksstimme' gehört?"
"Nein, wie kommst du darauf?"
Seine Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. Vielleicht sogar wie auswendig gelernt?
"Naja"
Sollte ich ihm jetzt die Wahrheit sagen, und in wie fern konnte ich ihm vertrauen?
"Ich habe da so etwas aufgeschnappt."
Von meiner Vermutung, dass das Ganze eine viel größere Bedeutung hatte, erzählte ich nichts. Er schien mir sowieso nichts darüber erzahlen zu wollen. Also sollte ich das Ganze eimfach vertagen. Ich glaube es war deutlich unverfänglicher, sich über normale Themen zu unterhalten. Aber welches? 
Doch mein Problem löste sich sofort auf, weil Lenius nun das Wort ergriff.
Gefiel ihm, dass wir miteinander sprachen? Innerlich spürte ich einen Freudenjuchzer.
"Wie gefällt es dir denn hier, MyLa... Es tut mir leid."
Ich grinste ihn an. Und ohne zu zögern lächelte er zurück.
"Weißt du, wenn du jahrelang Leute mit Lord und Lady und sonstwas anredest, irgendwann hat es sich quasi in dein Gehirn eingebrannt."
Ich stellte zufrieden fest, dass Lenius auch anders konnte als gestelzt zu reden.
"Das kann ich mir vorstellen. Nur, dass ich als höchste Anrede bisher nur 'Frau Lehrerin' benutzt habe."
Beim Gedanken an Frau Lamon verzog ich das Gesicht. Ihr Unterricht bestand meistens aus ewig langen Monologen über Historienkunde des Bundes. Und dass in diesem Fach die meisten Tatsachen von Grund auf beschönigt waren, sollte wohl auch dem letzten Dummkopf auffallen sein.

Lenius räusperte sich umständlich und eine kleine Redepause entstand.
Dann wiederholte er seine Frage, wie es mir denn gefalle.
Ich überlegte einen kurzen Moment und mir fiel auf, dass das tatsächlich eine schwierige Frage war. Also antwortete ich erstmal nur sehr allgemein:
"Ja eigentlich muss ich sagen, es gefällt mir besser als ich gedacht hatte."
Das konnte alles bedeuten. Perfekt. Doch ich selbst war mir immer noch nicht im Klaren darüber, was meine eigene persönliche Antwort auf diese Frage wäre.
Innerhalb von wenigen Tagen hatte sich alles verändert. Und alles was ich für festgeschrieben gehalten hatte, hatte sich als doch nicht so sicher erwiesen. Dann war da die Burg. Die ganze Situation an dem Ort, den ich eigentlich hassen sollte. Aber ich stellte unweigerlich fest, dass er mich bereits verändert hatte. 
Doch ich nahm mir in diesem Moment fest vor, auch ihn zu verändern.

Eine geschlagene halbe Stunde später waren Lenius und ich noch immer ins Gespräch vertieft. Ich hoffte nur, dass wir nicht gerade dabei waren, irgendwelche Termine zu verpassen.
Er war so unendlich klug. Er erzählte mir Dinge über Sterne und Galaxien, von denen ich noch nie gehört hatte.
Ich merkte, wie ich es mochte, einfach dazusitzen und ihm zuzuhören.
Seine Begeisterung war in jedem seiner Worte zu hören.
Nur über die Burg verlor er kein einziges Wort und ich traute mich auch nicht, noch einmal eine solche Frage zu stellen.

Dann hob Lenius seine Hand aus seinem Schoß und legte sie aufs Gras. Ich spürte ein aufgeregtes Kribbeln und schob meine Hand etwas näher zu seiner.
Ich sah schon vor meinem inneren Auge, wie sich seine Hand langsam über meine schob, er mich aus fragenden Augen anschauen würde, und ich langsam nicken würde. Und dann würde ich einfach den Moment genießen.
Lenius Hand hatte aufgehört sich auf dem Gras zu bewegen.
Stattdessen stemmte er sich hoch und stand plötzlich vor mir. Er reichte mir die Hand und nach einem kurzen Zögern ergriff ich sie peinlich berührt und erhob mich ebenfalls.
Meine Gedanken waren mal wieder mit mir durchgegangen. Es musste an der fehlenden Zärtlichkeit liegen.
Meine Mutter und meine Schwester waren sonst immer um mich herum gewesen. Und unser Verhältnis war ein ziemlich inniges gewesen. Besonders Liv hatte ich oft in meine Arme geschlossen und lange festgehalten. Das war es, was mir nun schon mehrere Tage lang fehlte. Und nun machte es sich bemerkbar.

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Hallo alle miteinander.
Ich weiß, es ist vielleicht nicht das passiert, was ihr erhofft habt, aber natürlich habe ich einen Plan, wie es mit den beiden weitergeht ;)
(Höhö, ihr kennt ihn nur noch nicht xD)
Aber keine Sorge, wenn ihr weiter tapfer durchhaltet und weiterlest, werdet ihr es natürlich erfahren ^^

Habt eine schöne Woche

und Tschüssi

Rat der SinneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt