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Nochmal eine kurze Zusammenfassung, da ihr ja gerade vom Zwischenteil kommt, den ich ergänzt habe.

Lucy wurde gerade von Goldkauz verhört, weil sie und Lenius zu ihm nach Hause geflüchtet war. Dann kam ein aufgebrachter schwarz gekleideter Mann (Nigrus) und sagte es gäbe Neuigkeiten von der Vollsstimme und deshalb sei eine Ratssitzung anberaumt worden. Lucy läuft hinter Goldkauz her, weil auch sie daran teilnehmen möchte.

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"Wollen wir eintreten?" Goldkauz machte eine einladende Handbewegung, die man aber durchaus auch ironisch auffassen konnte. Nichtsdestotrotz trat ich heran und nickte einmal höflich. Ich hatte nicht mehr vor, mich in irgendeiner Weise einschüchtern zu lassen. Ich würde von nun an alles an mir abprallen lassen.
Mit einem "Ja, gerne" trat ich einen weiteren Schritt vor und umfasste den metallenen Knauf.
Doch noch bevor ich die Tür hätte öffnen können, stand Goldkauz schon wieder vor mir. Diesmal eindeutig mit einem fiesen Lächeln im Gesicht.
"Und Sie glauben wirklich, dass ich Sie ohne Vorbereitung, ohne Training, und nach alldem, was Sie getan haben, wirklich an der Ratssitzung teilhaben lasse?"

Mein Gehirn arbeitete sofort auf Hochtouren. Ich musste geschickt kontern, wenn ich nicht alles vermasseln wollte. Und tatsächlich war das, was ich sagte, nicht einmal so schlecht.
"Glauben Sie denn, My Lord, dass es eine bessere Möglichkeit zum Lernen gibt, als in der Praxis? Ich muss die Zusammenhänge begreifen, ich muss wissen, wie die Wirklichkeit aussieht. Sie müssen mich mit Ihren Geschäften vertraut machen und Sie wissen, dass ich die einzige, abgesehen von Ihnen, aus dem Sinn Hören bin. Ich habe ein Anrecht darauf, bei den Sitzungen dabei zu sein. Es soll dort schließlich immer zwei von jedem Sinn geben."
Etwas unsicher, ob ich nicht doch zu unhöflich geworden war, stoppte ich. Aber Goldkauz war wirklich beeindruckt. Ich glaube nicht, dass er es gewohnt war, das man überhaupt etwas auf seine fiesen Äußerungen antwortete. Er zog nur die Augenbrauen hoch, legte seinen Kopf schief und nickte dann gespielt ergeben.
"Nun gut, Miss Havel, dann sei es so, wie Sie es sagen, treten Sie ein!"
Warum wurde ich das Gefühl nicht los, dass das hier für Goldkauz ein einziges großes Spiel war?

Aber eigentlich machte ich mir darüber nicht wirklich Gedanken. Viel mehr war ich einfach nur froh, dass ich es geschafft hatte, bei der Sitzung dabei zu sein.

Wie zu erwarten, starrten mich alle an, als ich hinter Goldkauz durch die Tür trat. Einige wirkten verunsichert, andere sahen Goldkauz mit gerunzelter Stirn an. Es war jedenfalls deutlich, dass allgemeine Verwunderung über meine Anwesenheit herrschte.

Goldkauz schritt aber, ohne sich auch nur das Geringste anmerken zu lassen, mit geradem Rücken ans Ende des Tisches und setzte sich vor Kopf, neben ihm war wieder einer der schwarz gekleideten Männer. Ohne mir ein Zeichen zu geben, lief ich direkt hinter ihm her und ließ mich ungefragt zu seiner Rechten nieder, wo sich der zweite in Gold gehaltene Stuhl befand. Unübersehbar war das mein Platz.

Mir wurde bewusst, dass ich es eventuell gerade etwas übertrieb mit meinem selbstbewussten Auftreten, aber es konnte ja nicht schaden auch dem Rat zu zeigen, dass ich mich ab jetzt nicht mehr einschüchtern lassen würde. Das war ein Beschluss. Ein Beschluss von Lucy Havel. Aber vielleicht sollte ich mich ersteinmal selbst von diesem Beschluss überzeugen. Wobei, nein, ich würde das jetzt durchziehen.

Nachdem Goldkauz mir noch einen kurzen Blick zugeworfen hatte, ergriff er endlich das Wort.
"Meine verehrten Ratsmitglieder, meine geehrten Nigri."
Das klang jetzt aber verdächtig ähnlich wie Nigrus. Und auf einmal schauten auch alle, die ein schwarzes Gewand trugen wie der Nigrus, der uns von der Ratssitzung unterrichtet hatte, Goldkauz an und nickten ihm einmal freundlich zu.
Irgendetwas Merkwürdiges war an diesem Begriff. Ich konnte nur noch nicht genau fassen, was es war. Eine Person im schwarzen Gewand hieß Nigrus und zusammen  hießen sie Nigri?
"Lord Forly hat mich über seinen Nigrus darüber informieren lassen, dass es wichtige Neuigkeiten gibt. Lord Forly, Sie haben das Wort."

Der Angesprochene schob langsam seinen Stuhl zurück und stand auf. Von mir aus gesehen saß er an der rechten Tischseite, was bedeutete, dass er fast direkt neben mir saß, wären da nicht zwei Meter Tisch und eine webliche Nigrus, die uns voneinander trennten. Wie er so am Tisch stand und nicht mehr saß, wirkte er fast übernatürlich groß. Vor allem im Vergleich zu Goldkauz, der zwar immernoch mit geradem Rücken auf seinem Stuhl thronte, aber doch viel kleiner wirkte. Dazu kam Lord Forlys Uniform, die wie immer in sattem Rot gehalten war. Sie ließ ihn nur noch größer und wichtiger erscheinen.
Würde ich mit ihm sprechen müssen, wäre ich mir nicht ganz so sicher, ob ich so selbstbewusst bleiben würde, wie ich es mir vorgenommen hatte.
Nachdem Lord Forly sich einmal über die Uniform gestrichen hatte, sodass alle seinen kleinen Anhänger und Auszeichnungen einmal klimperten und die Aufmerksamkeit aller Beteiligten auf sich zogen, wandte er sich zu Goldkauz um und sah ihn direkt an.

Wobei, nein, sein Blick ruhte nicht auf Goldkauz. Er war viel mehr ein Stück weiter nach links gerichtet. Lord Forly starrte mich an. Das wurde mir entdgültig klar, als er jetzt seinen Blick hob und mir in die Augen sah. Wie über eine unsichtbare Verbindung wurde mir plötzlich flau im Magen und ich hatte das Gefühl, dass meine Knie unter mir nachgaben, obwohl ich schon auf meinem Stuhl saß.
Wenn meine Theorie stimmte und die Farben zu den verschiedenen Sinnen gehörten, vielleicht war er ja ein Sehender und ich hatte deshalb diese Reaktion verspürt. Jedenfalls war ich unglaublich froh, als er diesen lastenden und anklagenden Blick von mir nahm und sich nun doch Goldkauz zuwandte.

"Ich dulde sie hier nicht!" Jedes dieser Worte kam langsam und mit Nachdruck aus Lord Forlys Mund. Mir war sofort klar, wen er meinte.
"Du kennst die Regeln!" Das Tempo erhöhte sich etwas, doch die starke Betonung blieb seinen Worten erhalten.
"Auch wenn Du unser Vorsitzender bist, weißt Du genau, dass neue Ratsmitglieder frühestens nach einem Jahr ihrer Ausbildung und nachdem sie die Prüfung bestanden haben, an Ratssitzungen teilnehmen dürfen. Du weißt, dass wir sie erst mit den Regierungsgeschäften vertraut machen, wenn sie sich selbst unter Kontrolle haben. Du weißt es und Du ignorierst es!"

Erst jetzt fiel mir auf, dass Lord Forly Goldkauz eben geduzt hatte, was seine Aussage aber nur noch respekteinflößender gestaltete. Auch Goldkauz schien tatsächlich überrascht und auf einmal klang es gar nicht mehr so, als hätte er den Vorsitz, sondern vielmehr so, als hätte sich dieser ein paar Plätze nach rechts verlagert. Nach meinem ersten Kennenlernen mit Goldkauz hätte ich schwören können, dass er derjenige ist, der allen Befehlen erteilt, der die volle Kontrolle hat und dem sich keiner widersetzen kann. Aber weder war Goldkauz so durchsetzungsfähig, wie ich ihn eingeschätz hatte, noch war er so hinerhältig und gemein, was sich soeben wieder bestätigte. Denn ob ich es glauben wollte oder nicht, er war gerade mitten dabei, für mich Partei zu ergreifen. Gut, vielleicht machte er es auch nur, um sich selbst aus der Bredouille zu retten, weil er mich zur Ratssitzung kommen lassen hatte. Aber die erste Begründung gefiel mir viel besser.

"Lord Forly, wir beruhigen uns erstmal. Lucy ist Vertreterin meines Sinnes und wir haben hier ja wohl keine gewöhnlichen Verhältnisse. Eigentlich hätte sie schon lange geboren werden und auf diesem Platz hier sitzen müssen. Noch nie ist es vorgekommen, dass es zeitweise nur einen Vertreter eines Sinnes in diesem Rat gegeben hat. Es ist schon so lange her, dass der zweite Vertreter meines Sinnes gestorben ist...
Aber jetzt, da Lucy geboren wurde und auf der Burg ist, werden wir sie schnellstmöglich einführen."
Das war ja noch besser als erwartet. Hatte Goldkauz das gerade wirklich gesagt? Aber er war noch nicht fertig.
"Und dann setzen wir uns bitte wieder auf unseren Platz."
Das konnte doch nicht sein. Goldkauz stand weder auf, noch hob er seine Stimme, ganz einfach durch seinen trockenen Humor, von dem ich gar nicht wusste, dass er ihn besaß, rückte er die Verhältnisse wieder zurecht und machte klar, dass er der Chef war.
Ziemlich bedröppelt setzte Lord Forly sich wieder auf seinen Stuhl. Ihm war klar, dass er diesen Schlagabtausch soeben verloren hatte.
Und mir wurde gerade klar, dass das bedeutete, dass ich bei der Sitzung weiterhin dabei sein durfte. Mit einem triumphierenden Lächeln schaute ich zu Goldkauz, der mich seinerseits mit einem zufriedenen Blick musterte.   

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Dieses Kapitel möchte ich gerne der lieben Eule1805 widmen. Sie voted und liest immer ganz fleißig. Dankeee!
Ihr könnt auch mal gerne ihr Buch lesen. Es heißt Iztal-Schattenspiel und ist wirklich sehr zu empfehlen <3

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