Ich wusste gar nicht, wie sehr mich ein Lichtschein freuen konnte.
Aber es war doch unglaublich. Da irrte man seit gefühlten Stunden - wahrscheinlich war es höchstens eine halbe Stunde gewesen, aber egal - durch einen Gang, der keinerlei Abzweigungen hatte und dann sah man das Tageslicht wieder.
So musste man sich bei einer Wiedergeburt fühlen!
Vorausgesetzt es gab sie.Noch immer trennten mich gute hundert Meter vom Licht. Ich beschleunigte meine Schritte und in meinem Kopf formte sich bereits die Frage, was und vor allem wo ich mich gleich wiederfinden würde.
Mitten im Burghof? Nein, dafür war ich viel zu viel bergab gelaufen.
In geheimen Räumen, in denen lichterloh ein Feuer brannte? Nein, dafür flackerte das Licht zu wenig.Jetzt waren es nur noch gut und gerne fünfzig Meter und ich musste schon geblendet die Augen schließen.
Aber war da nicht ein Hauch von Grün im Licht, ein Hauch von Pflanze vielleicht? Bitte...Die letzten Schritte rannte ich fast.
Und was ich sah haute mich dann auch direkt fast um. Keine geheimen Räume, kein Burghof.
Einfach nur Grün um mich herum. Blätter, Gräser, Farnen, Hecken.
Ich schloss die Augen.
Dann begriff ich plötzlich.Ich musste mich mitten auf dem Berg befinden. Genau in dem Bereich, den keiner zu durchschreiten wagte und wo diejenigen, die es versucht hatten, nie zurückgekehrt waren.
Ich hatte das Gelände der Burg verlassen und war nun im Labyrinth. Zumindest wurde es von den Alten im Dorf immer so genannt, weil keiner je hindurchfand.Jetzt verstand ich auch, warum Fallen und Hindernisse im Tunnel gewesen waren. Goldkauz wollte um jeden Preis verhindern, dass jemand in die Burg heingelangte. Und wenn man es so recht bedachte, wahrscheinlich auch, dass jemand aus der Burg heraus kam.
Ich drehte mich um und schaute zurück. Wie es aussah, könnte das Tunnelende einmal ein Dienstboteneingang gewesen sein. Der kleine Steinbogen war von außen mit Moos überwachsen und wenn man nicht wusste, dass er dort war, hätte man ihn vermutlich auch nicht entdeckt. Zusätzlich verdeckten zwei weitere Hecken die Sicht auf den Einstieg sobald man mehr als ein paar Meter davon entfernt stand.
Ich ließ mich zu Boden sinken. Meine Beine machten einfach nicht mehr mit. Und warum noch länger stehen, wenn man sich auch ins weiche Gras setzen konnte? Meine Hände strichen über bemooste Steine und ertasteten sich nach und nach ihre Umgebung.
Das Moos fühlte sich feucht an. Es hatte wohl vor kurzem geregnet. Und dieser Geruch. Einfach himmlisch.
Erdiger Boden mit ein bisschen abgewaschenem Stein. Ich fühlte meine Umgebung nicht nur, ich roch sie auch. Und schmeckte ich nicht auch die feinen Wassertröpfchen, auf meiner Zunge? Ich genoss es mit allen Sinnen und freute mich umso mehr, als erste dicke schwere Tropfen auf meinen Schultern landeten.
Mit meinem Gesicht in den Himmel gestreckt ließ ich mir die Tropfen über das Gesicht kullern.
Vorsichtig wischte ich mir über die Wange. Braune Schlieren bedeckten meine Hand und ich musste lächeln.
Als wäre mein schmutziges Gesicht ein Beweis dafür, begriff ich nun endlich.
Ich war frei! Einfach frei!
Ich hatte die Burg verlassen und niemand folgte mir. Goldkauz würde sich bestimmt frühestens in ein paar Stunden den Gang hinunterbequemen, um zu gucken, ob ich in einem seiner ach-so-genialen Löcher lag.Wenn ich nur den Weg durch das Labyrinth fand, könnte ich zurück. Zurück nach Hause, zurück zu Liv.
Eine wohlige Wärme durchfuhr mich, auch wenn der Regen mir mein Kleid, oder das was davon übrig geblieben war, schon fest an die Haut geklebt hatte.
Ich drehte einmal den Kopf. Ringsherum nichts als Hecken, die in stillem Einklang einen Weg zu formen schienen.
Wie es aussah, war ich schon mitten drin im Labyrinth. Da konnte ich auch gleich den Weg nach unten nehmen.Ich wollte nur noch einen Moment die Stille um mich herum genießen und mich einfach fallen lassen, doch mein Kopf protestierte. Es ratterte und ratterte. Und mir kam es fast so vor, als könnte ich die Zahnräder hören, die ineinander griffen.
Eine Frage oder besser ein einziger Einwand tauchte immer wieder auf. So sehr ich ihn auch zu verdrängen versuchte, mein Gehirn brachte ihn immer wieder an die Oberfläche:
Sollte ich überhaupt gehen? Rein vom Gefühl her wäre ich schon lange weg. Aber irgendetwas hielt mich zurück. Etwas Starkes.War es der Rat, den ich immer noch nicht richtig kennengelernt hatte, an dem ich immer noch nicht teilgenommen hatte, obwohl es mein gutes Recht war?
Oder war es, weil ich versuchen wollte, etwas an der Politik zu ändern?
Wobei man das mit dem Ändern wohl eher als größenwahnsinnig bezeichnen könnte, denn was sollte ich schon gegen Goldkauz ausrichten können?
Vielleicht, weil ich mir Hilfe erhoffte, Hilfe um meine Gabe in den Griff zu bekommen?
Hatte ich Angst mich im Labyrinth zu verirren?Doch bei keinem der Punkte sagte mir mein Verstand: Ja das ist es, deshalb kannst du nicht einfach so gehen.
Er wollte mir einfach nicht zustimmen.Aber eine letzte Sache kam mir noch in den Sinn.
Doch bevor ich sie überhaupt zu Ende gedacht hatte, merkte ich schon wie mir die Röte ins Gesicht schoss und der rationale Teil meines Verstandes sagte: Das geht nicht, das kann einfach nicht sein.
Und schließlich wieder ein anderer Teil von mir provozierend antwortete: Und wenn es doch so ist? Was machst du dann?
Auf diese Frage wusste ich keine Antwort.Ja, was würde ich machen, wenn Lenius der Grund wäre, dass ich nicht den Weg zurück ins Dorf wagen will?
Ja sogar, dass ich mich bei der Entscheidung zwischen Himmel und Hölle für Hölle entscheide, nur weil in ihr ein Teil des Himmels ist?
Mir lief ein Schauer über den Rücken, aber dieser beunruhigende Gedanke ließ sich schlicht und ergreifend nicht mehr abschütteln, wie an mir festgeklebt blieb er in meinem Kopf hängen.
Da konnte selbst der prasselnde Regen nichts mehr ausrichten.~~~
Machen wir es direkt und kurz und knackig.
Ich möchte dieses Kapitel gerne wieder einer Person widmen, die diese Geschichte ganz fleißig liest, dafür voted und mich auf Fehler aufmerksam macht.Dankeschön Juliellaa :-*
Wenn ihr Lust habt, schaut gerne mal in ihr Cover-Buch rein :)
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Rat der Sinne
Fantasy~ Eine Weile saßen wir so da. Ohne Worte. Und diesmal liebte ich die Stille, die sich zwischen uns breitgemacht hatte. Sie bildete keine Mauer mehr, die uns trennte, sondern vielmehr eine Glocke, die uns umgab und im stillen Einvernehmen miteinander...