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Das morgendliche Klopfen weckte mich aus meinem Dösen. Ich hatte mich bereits daran gewöhnt bei diesem Geräusch aufzuwachen. Und doch kostete es mich jetzt einige Anstrengung meine Augen zu öffnen. Ein paar Tage lang schon war dieses Ritual ausgefallen. Und das machte mir erst bewusst, wie sehr ich mich schon daran gewöhnt hatte.

Nach einer kurzen Pause steckte Lenius dann den Kopf zur Tür herein. Hätte man nicht gewusst, was in den letzten Tagen geschehen war, hätte man fast denken können, er hole mich, wie es die Regel verlangte, zum Frühstück ab.
Aber es war nicht wie immer.
Ganz und gar nicht.

Schon der Blick, den Lenius mir zuwarf, sagte alles aus. Es war ein Blick, der meinen Körper einmal von oben nach unten abzuscannen schien.
Zufrieden mit dem was er sah, schien er sich dazu zu entscheiden doch mit dem normalen Morgenritual fortzufahren, auch wenn wir beide noch nicht wussten, wie dieser Tag aussehen würde und was er mit sich brachte. Bestimmt nichts Gutes. Darauf hätte ich alles verwetten können.

Nachdem Lenius mir mein Bad eingelassen hatte und mir ein Kleid herausgelegt hatte, setzte er sich auf mein Bett und wartete auf mich.
Auch das war neu für mich und passte eigentlich gar nicht in unseren Ablauf, laut dem Lenius vor der Tür auf mich wartete.

Irgendetwas war anders zwischen uns seid ich bei ihm zu Hause gewesen war.
Wir waren uns näher gekommen, als ich es je beabsichtigt hatte. Zumindest Das Dienstboten-Herrin-Verhältnis gehörte nun endgültig der Vergangenheit an.
Trotzdem merkte man ihm an, wie er hier auf der Burg Errata ein bisschen in seine alte Rolle zurückfiel und wieder viel zurückgezogener wirkte als bei sich zu Hause.

Als ich aus dem Badezimmer trat fand ich ihn, immer noch in der selben Position sitzend, auf meinem Bett wieder. Den Kopf in die Hände gestützt.
Ich glaubte zu wissen was ihn beschäftigte. Vermutlich das selbe, was auch mir praktisch die ganze Zeit durch den Kopf ging.
Was sollten wir jetzt überhaupt tun? Das war die Frage.
Nachdem ich mich dazu entschlossen hatte, dass ich auf jeden Fall auf die Festung zurückmusste, mit dem festen Vorsatz etwas zu bewirken, hatte Lenius notgedrungen zugestimmt mich zu begleiten. Denn so sehr er auch versucht hatte, mich von meinem Vorhaben abzubringen, ich war nicht umzustimmen gewesen. Ich hatte meinen Entschluss gefasst.
Insgeheim hatte ich natürlich gehofft, dass Lenius mich begleiten würde. Ohne ihn hätte ich auch den Weg niemals gefunden.
Doch auch mir war klar, was für eine große Gefahr es für ihn war, sich jemals wieder auf der Burg blicken zu lassen.

Und eben das war nun unser Problem. In der Schwärze der Nacht waren wir aufgebrochen, um ungesehen zurückzukehren. Auch wenn unser Aufstieg ohne Probleme verlaufen war, so war uns beiden klar, dass wir jetzt nicht so weitermachen konnten als wäre nichts gewesen.
Sobald wir irgendeiner Person über den Weg laufen würden, gäbe es ein riesiges Aufsehen und innerhalb von Minuten wäre sicherlich die gesamte Burg informiert, dass die beiden Ausreißer zurückgekehrt waren.
Also würde auch Goldkauz es erfahren. Und das schnell.

Als Lenius so auf dem Bett saß, war mir klar, dass auch er über unser weiteres Vorgehen nachsann.
Doch ob er zu einem Schluss gekommen war, erfuhr ich nicht. Denn als ich in sein Blickfeld trat, warf er mir lediglich einen abwesenden Blick zu und erhob sich dann.
Unser beider Frage hing weiter unausgesprochen in der Luft und würde dort wohl auch noch eine Weile bleiben.

Schließlich ging Lenius auf die Tür zu, öffnete sie und trat hindurch. Ich folgte ihm in einigem Abstand, immer noch im Unklaren darüber, was er eigentlich vorhatte. Überhaupt hatte er heute noch fast nichts zu mir gesagt.

Nach ein paar Metern blieb er mitten in meinem einsamen Flur stehen, der mir in meiner Abwesenheit fast ein wenig fremd geworden war, und wandte sich mit ernstem Gesicht zu mir um.
"Du weißt was auf dem Spiel steht?"

Rat der SinneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt