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"Nachdem du die Aufenthaltsräume der Adeligen gesehen hast, kommen wir nun zum Innenhof."
Lenius ging zügigen Schrittes voran.

Die Aufenthaltsräume waren wirklich prächtig gewesen. Es gab allerlei Musikinstrumente, die ich noch nie gesehen hatte. Dann waren da Bücherregale, die von oben bis unten voll mit dicken Wälzern waren. Richtige Papierbücher mit hauchfeinen Blättern. Ich war definitiv beeindruckt gewesen. Aber noch mehr freute ich mich, nun endlich wieder etwas Natur zu sehen.

Ich lief schnell hinter Lenius her, immer bemüht, den Abstand nicht allzu groß werden zu lassen.
Eigentlich hatte ich gehofft, dass wir uns bei seiner Führung richtig unterhalten könnten und man nicht von einem Raum zum nächsten hasten musste.

Alles hatte doch eigentlich so gemütlich begonnen.
Nach dem 'Training' - ob ich darauf gleich morgen noch einmal Lust haben würde, wusste ich auch nicht - hatte Mr Gurs mich noch kurz in mein Zimmer gebracht.
Alleine hätte ich es wahrscheinlich niemals gefunden und würde es auch niemals finden. Ich musste dringend lernen, mich hier zu orientieren.
Aber ich glaube ich weiß jetzt, warum es so weit weg und abgeschieden von allem anderen lag.
Dort war ich gewissermaßen abgeschirmt von anderen Geräuschen. Bloß würde ich das auch noch sein, wenn meine Gabe ersteinmal stärker war, vielleicht sogar die höchste Ausprägung erreicht hatte?
Dann würden sie mich wahrscheinlich in eine feucht-nasse Höhle mitten am Berghang stecken, damit ich meine Ruhe hatte. So ekelig die Vorstellung auch war, musste ich trotzdem grinsen. Ich, alleine in einer feucht-nassen Höhle - Moment, was war das überhaupt für ein Wort? 'Feucht- und nass'. Das war ja komplett das gleiche. Am besten noch feucht-nass-kalt. Oder feucht-nass-kalt-widerlich-abartige Höhle. Darein würde man mich stecken, wenn meine Gabe erstmal ausgeprägt war.
Ob ich Lenius damit wohl wieder zum Grinsen bringen konnte?
Ich wollte es wenigstens versuchen. Irgendwie gab es mir einen Stich ins Herz, dass er so unbeteiligt vor mir her lief.
"Was hältst du von einer feucht-nass-kalt-widerlich-abartigen Höhle?"
Lenius drehte sich um. Das erste, was ich in seinem Gesicht sah, war Unverständnis. Keine Belustigung, nur Unverständnis. Eine Sekunde lang versuchte ich noch mein Grinsen zu intensivieren, damit er auch begann zu lachen. Dann erstarrte es langsam in meinem Gesicht.
Lenius hatte sich schon wieder nach vorne gewandt und durchschritt den Flur als wolle er schneller am anderen Ende ankommen, als der kalte Luftzug, der uns von hinten traf.
War irgendetwas vorgefallen, oder hatte ich mir das sanfte Lächeln, das sonst in seinem Blick lag, nur eingebildet?

Am Ende des Flures, der wieder auf den Saal des Rates zulief, bog er rechts ab, und lief auf eine gläserne Tür zu. Sie war vollkommen durchsichtig und ich konnte nicht eine Schramme darin sehen. Am liebsten hätte ich die Tür angefasst, nur um mich davon zu überzeugen, dass sie auch wirklich da war. Dahinter sah ich blühende Sträucher stehen. Rote und gelbe, immer abwechselnd. Sie formten einen lockeren Kreis in dessen Mitte ein kleiner Baum war.
Lenius öffnete die Tür und ich streifte im Vorbeigehen mit der Hand darüber. Sie war kalt und ganz glatt. Ich ließ meine Hand einen kurzen Moment darauf liegen, dann folgte ich Lenius in den Innenhof.
Dieser schaute erst mich, und anschließend die Tür an. Dann ging er zurück, um sie zu schließen. Sein Blick richtete sich kurz auf die Stelle, auf der ungefähr meine Hand gelegen haben muss. Wie konnte er sich das gemerkt haben? Dann nahm er seinen Ärmel und wischte ein paar Mal über die Stelle.
Hatte ich etwas falsch gemacht?

Als er zu mir zurrückkam, meinte ich endlich, ein kleines Lächeln in seinem Gesicht entdecken zu können.
"Mylady, Sie sind sich schon bewusst, dass Sie Fingerabdrücke auf dem Glas hinterlassen, wenn Sie es berühren?"
Wie bitte was?
"Es tut mir Leid, wir hatten zu Hause nicht so feines Glas."
Lenius drehte sich kopfschüttelnd um und lief ein paar Schritte, bis wir den Kreis aus Büschen durchquert hatten. Eine kleine Rasenfläche bereitete sich vor uns aus. Der Baum machte von hier aus einen noch kleineren Eindruck als vom Rand aus. Man merkte, dass viel Aufwand nötig war, damit er in dieser Höhe überhaupt noch wuchs.
Wir gingen auf den Baum zu und als Lenius gerade daran vorbei gehen wollte, ergriff ich seinen Arm und hielt ihn zurück. Hier war definitiv der richtige Platz, um es mit einem Gespräch zu versuchen.
Vielleicht war es etwas zu grob, denn Lenius drehte sich erschrocken zu mir um und ich sah, wie er reflexartig an seinen Gürtel griff. Hatte er dort verborgene Waffen bei sich?
Doch dann besann er sich eines Besseren und ließ die Hand wieder sinken.
"Was ist los?", fragte er mich.
Ich blieb stumm, fasste ihn an den Schultern und drehte ihn so herum, dass er mit dem Rücken zum Baum stand. Dann drückte ich sanft auf seine Schultern und er glitt den Baumstamm hinunter, bis er auf dem Boden saß. Er schaute mich dabei unverwandt an. Ob um seinen Mund nun ein kleines Lächeln spielte, oder nicht, ließ sich beim besten Willen nicht sagen. Ich ließ ich ihn los und setzte mich neben ihn an den Stamm.
Dann schaute ich ihn mit einem kurzen Seitenblick an. Er schien noch immer ein bisschen verwirrt über meine Aktion, aber keinesfalls genervt, oder provoziert.
Das war doch schon einmal ein Anfang. Nein, wenn ich genauer hinguckte, konnte ich sogar schon wieder dieses verräterische Funkeln in seinen Augen sehen. Wollte er seine Nettigkeit nur vor mir verstecken? Ich ließ meinen Blick ein wenig schweifen, und schaute auf die rötliche Burgmauer, die sich kreisrund um den Hof schlang. Es war weitaus bedrückender hier, als auf der weiten Wiese vor unserem Haus. Ich fühlte mich beengt, und doch freier als je zuvor, seit ich auf die Burg gekommen war. Ich spürte Lenius' Gegenwart neben mir und wusste instinktiv, dass ich nicht alleine war.
Und ich fühlte, dass ich diesem Innenhof noch öfter einen Besuch abstatten würde.
Ob mit, oder ohne Lenius, das würde man sehen.
Ich genoss die Stille und doch fiel mir auf, dass ich etwas sagen sollte. Irgendetwas, um das Gespräch zu beginnen. Ich drückte meinen Rücken gegen den Stamm und runzelte die Stirn. Mir fiel nichts ein. Absolut nichts. Mein Kopf war wie leergefegt.

~~~

Soooo, da wäre sie die Nummer 15 :》
Ich denke, ihr könnt euch schon denken worum es dann im nächsten Kapitel gehen wird. Aber was solls, kann ja nicht immer ne Überraschung werden *grinsendes Schulterzucken* (Gibt's dazu irgendwie einen Smiley auf der Tastatur?)

Und nun hasta la vista meine Freunde XD

Rat der SinneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt