"Lucy, Lucy ... Lucy!"
Eine zarte Stimme drang in mein Unterbewusstsein, doch sie wurde immer dringlicher.
Aber am liebsten hätte ich sie ignoriert. Jede noch so kleine Faser meines Körpers schien bei dem Gedanken daran, die Augen zu öffnen, zu protestieren."LUCY!"
Nun gut, vielleicht sollte ich die Stimme nicht noch länger ignorieren. Ich zog meine Beine an, um aufzustehen, aber es passierte - nichts. Wie sich mein Kopf auch bemühte den Beinen den Befehl zu geben, sich zu bewegen, die Information kam nicht an. Meine Beine lagen wie eine steife unbewegliche Masse angewinkelt unter meinem Körper.
Eine Hand strich sanft über meine Seite und jagte mir ein angenehmes Kribbeln durch den Bauch. Doch so sehr ich mich auch bemühte, ich schaffte es nicht meine Beine zu bewegen. Langsam begann Panik in mir aufzusteigen, und auch die Hand umfasste mich nun kräftig und begann an mir zu rütteln. Sie kam mir heiß vor, unglaublich heiß. Sie schickte Wärme in meinen ganzen Körper. Noch immer etwas benebelt öffnete ich schließlich die Augen. Ewig konnte ich sowieso nicht ignorieren, was passierte. Ich musste schauen was hier vor sich ging.Sobald ich die Augen öffnete stürmten die Eindrücke und Erinnerungen auf mich ein. Das Grün um mich herum, der harte kalte Boden unter mir.
Ich lag noch immer unter der Hecke in der ich mich versteckt hatte, als die Wachen vorbeigekommen waren. Doch ich konnte mich an nichts genaues mehr erinnern. Ich wusste lediglich, dass mich auf einmal alle Kraft verlassen hatte.
In meinem Rücken hörte ich noch immer diese Stimme, die besorgt nach mir fragte und immer hysterischer wurde, als ich mich noch immer nicht bewegte. Doch schließlich schien derjenige aufzugeben und verstummte.
Ich versuchte meinen Kopf zu drehen, um den Unbekannten endlich zu sehen.Und siehe da, mein Hals gehorchte mir vollkommen widerstandslos, zwar fuhr ein scharfer Schmerz durch meinen Nacken, aber das lag wohl eher daran, dass ich die ganze Zeit auf dem Boden gelegen hatte.
Ein ungläubiges Jauchzen ertönte hinter mir, als ich meinen Kopf wenigstens nach oben gedreht hatte. Sofort beugte sich ein Gesicht zu mir herab und hellblaue Augen strahlten mich an. Dann kam wieder die weiche Stimme: "Ich dachte schon du wärst... Das hätte ich nicht ausgehalten" Seine Stimme brach am Ende des Satzes.
"Aber Lenius", antwortete ich mit krächzender Stimme und verzog mein Gesicht bei seinem Anblick zu einem Lächeln. Meine Kehle war staubtrocken und meine Lippen aufgeplatzt. "Ich bin doch nicht...""Aber ich dachte wirklich, ich meine..."
Sein liebevoller Blick füllte meine Brust mit Wärme. "Ich meine du bist einfach so weggewesen. Alle mussten dich suchen. Den ganzen Tag lang. Wir haben die ganze Festung auf den Kopf gestellt aber nichts gefunden.
Du hättest Lord Cliffleroys Blick sehen sollen, als er erfahren hat, dass du definitiv nicht mehr in der Burg bist. Es war eine Mischung zwischen 'endlich ist sie weg' und 'so ein Mist, meine Nachfolgerin ist verschwunden, ich muss im Amt bleiben bis ich alt und grau bin'"Ein leichtes Lächeln umspielte Lenius' Mundwinkel. Der Anblick musste wirklich zu köstlich gewesen sein.
Doch auch wenn ich es versuchte, wollte mir kein weiteres Lächeln gelingen.
Zu schwer wog die Last auf mir.
"Lenius, ich kann meine Beine nicht bewegen. So sehr ich es auch versuche, es geht einfach nicht. Es ist wie wenn du oben in eine Mühle Korn gibst, aber unten kommt doch nichts raus."Lenius Mine wandelte sich sofort wieder über besorgt zu bestürzt.
"Du lagst so lange im Kalten und alles ist nass. Daran liegt es bestimmt. Schau mal dein Kleid an."
Auch ohne zu schauen konnte ich mir lebhaft vorstellen wie ich gerade aussah. Verdreckt von oben bis unten in einem zerrissenen Kleid, zusammengekrümmt unter einer Hecke.
"Warte, ich versuche deine Beine warmzurubbeln. Sie müssen völlig unterkühlt sein. Schließlich hast du zwei Tage hier gelegen"
Ein Schock fuhr mir in die Glieder.
"Zwei Tage??"
"Verstehst du jetzt warum ich dachte du seist, naja ... tot?"
Kleine Tränen glitzerten in seinen Augenwinkeln.
Ja, ich verstand jetzt. Aber trotzdem kam mir das Ganze so unwirklich vor. Zwei Tage.
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Rat der Sinne
Fantasy~ Eine Weile saßen wir so da. Ohne Worte. Und diesmal liebte ich die Stille, die sich zwischen uns breitgemacht hatte. Sie bildete keine Mauer mehr, die uns trennte, sondern vielmehr eine Glocke, die uns umgab und im stillen Einvernehmen miteinander...