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"Lenius", noch immer konnte ich mein Lächeln nicht verbergen. Ich bedeutete ihm etwas. Und wenn ich es richtig verstanden habe, dann machte er sich gerade Gedanken darüber, ob ich schon jemandem versprochen war.
Er war so süß.
Ich wendete ihm noch einmal meinen Kopf zu, um ihn anzusehen. Aber sein ängstlicher Gesichtsausdruck holte mich auf den Boden der Tatsachen zurück.
Ich musste jetzt alles klarstellen. Man sah ja wie wichtig es ihm war. Wäre es mir im Übrigen auch.

"Lenius, ich ... also ich meine in den Fieberträumen. Du fragst dich bestimmt von wem ich da gesprochen habe, oder?"

Es folgte ein langsames Nicken. Lenius hatte die Hände im Schoß gefaltet und wenn man genau hinschaute, konnte man sogar sehen, wie sie leicht zitterten.

"Ich habe ..." Wie sollte ich das bloß ausdrücken? Am besten gerade heraus. "Ich habe von dir gesprochen."
Nicht, dass ich mich wirklich daran erinnern konnte, wie ich in meinen Fieberfantasien Du bist wunderschön gesagt habe. Aber wenn, dann kann es sich nur auf ihn bezogen haben. Dessen war ich mir sicher.
Seine Reaktion ging von perplex über erstaunt schließlich hin zu einem seligen Lächeln, was ihn gleich noch viel süßer aussehen ließ.
Auch er rang sichtlich mit sich was er mir nun antworten sollte.

Letztendlich schien er sich für eine Lösung ohne Worte zu entscheiden und legte sanft seine Hand auf meinem Bein ab. Ein warmes Kribbeln breitete sich auf der Stelle aus. Ich genoss das Gefühl und lehnte mich ein Stück weiter in seine Richtung. Vorsichtig legte ich einen Arm um seine Schultern und schmiegte meinen Kopf in seine Halsbeuge. Als Lenius nichts dagegen unternahm, entspannte ich mich mehr und mehr und genoss das warme Gefühl das mich durchströmte.

Eine Weile saßen wir so da. Ohne Worte. Und diesmal liebte ich die Stille, die sich zwischen uns breitgemacht hatte. Sie bildete keine Mauer mehr, die uns trennte, sondern vielmehr eine Glocke, die uns umgab und im stillen Einvernehmen miteinander verband.

Ein Klopfen riss uns jäh aus unserer Zweisamkeit und die Glocke aus Stille zersprang in tausend Teile.
In einer Bewegung nahm ich meinen Kopf von seiner Schulter und riss meinen Arm zurück. Ich merkte schon jetzt, wie mir die Röte ins Gesicht schoss. Auch Lenius schien es nicht besser zu gehen. Er sah peinlich berührt weg und zog schnell seine Hand ein. Auch wenn das Ganze nur einige Sekunden gedauert hatte, so wurde die Stimme auf der anderen Seite der Tür schon ungeduldig.

"Lenius, bist du da drin?" Es war die Stimme seiner Mutter, die durch die noch immer geschlossene Tür zu uns durchdrang.
Ein klägliches "Ja" kam zurück und ich bemerkte, wie peinlich Lenius die ganze Situation eigentlich war.

"Also, was ist jetzt, kann ich reinkommen? Ach was, wer weiß was ihr darin macht, ich will euch ja gar nicht stören. Kommt einfach zum Essen wenn ihr fertig seid."
Dann hörte man sich entfernende Schritte vor der Tür.

Lenius sah mich erleichtert an und ich stieß die Luft aus, die ich unbewusst angehalten hatte. In diesem Moment dachten wir beide das selbe. Wenn seine Mutter hereingekommen wäre, hätte sie bemerkt, dass da was war. Und schon so hatte sie ja mit ihrer Vermutung ziemlich genau ins Schwarze getroffen.

Lenius lächelte mir noch einmal schüchtern zu und erhob sich dann. In dem Moment, wo er nicht mehr auf dem Bett saß, sackte ich ein Stück weiter mit der Matratze ein, was mir ein kleines Lachen entlockte.
Lenius drehte sich noch einmal um und hielt mir seine Hand hin. Ich ergriff sie und mit einem Ruck hatte er mich schon hochgezogen.

"Ich glaube es gibt Hühnersuppe. Meine Mutter hat zur Feier des Tages extra eins geschlachtet. Ich meine immerhin" Schon wieder geriet Lenius ins Stottern, was ihn aber unglaublich lieb aussehen ließ. "Also sie glaubt ja, ich wäre dein Freund und da wäre etwas ernstes zwischen uns. Deshalb wollte sie dir alles Gute tun was sie kann."
Ganz tief in mir drin rührten mich seine Worte an und ich fühlte, wie gerne ich wollte, dass sie Wahrheit wurden. Und unwillkürlich hoffte ich, dass Lenius genauso dachte.

Als er die Tür öffnete, schlug uns tatsächlich der Geruch von gebratenem Fleisch entgegen und ich merkte, dass mein Magen sich nur noch wie ein harter Klumpen anfühlte und dringend etwas zu Essen brauchte.

Hinter der Tür befand sich ein kurzer Flur von dem noch drei weitere Türen abgingen. Eine führte vermutlich in ein zweites Schlafzimmer und hinter der mittleren musste die Küche liegen, denn Lenius steuerte sie soeben an. Eine Treppe konnte ich nicht entdecken. Das kleine Haus schien einstöckig zu sein.

Schon im Flur war der Duft atemberaubend. Im wahrsten Sinne des Wortes. Aber als wir in die Küche kamen, war ich überwältigt.
Und hatte das Essen auf der Burg noch so gut geschmeckt und war noch so kunstvoll angerichtet gewesen, das hier roch nach würziger guter Hausmannskost. Wir setzten uns an einen kantigen dunklen Tisch mit einfachen Holzstühlen. Man sah, dass Lenius' Familie bäuerlich und einfach lebte. Aber das machte mir nichts. Unser Haus war schließlich ganz ähnlich gewesen. Beziehungsweise
war es das natürlich immer noch. Aber wer weiß wann ich das nächste Mal dahinkäme.
Zugegebenermaßen wusste ich nicht einmal in welchem Tal sich Lenius' Haus befand. Ich konnte mich im Prinzip an gar nichts mehr erinnern, was wir auf dem Weg hierher gesehen hatten.

Gerade als wir uns hingesetzt hatten, kam Aluana mit einem großen dampfenden Topf herein und setzte ihn mir quasi vor die Nase.
Dann setzte auch sie sich hin und schien auf irgendetwas zu warten. Fragend warf ich Lenius einen Blick zu. Er eilte mir sofort zu Hilfe und fragte: "Soll ich nach Elae gucken gehen? Vielleicht ist sie noch draußen auf dem Feld."
Lenius hatte eine Schwester? Der Name klang auf jeden Fall wunderschön.

Nachdem Aluana ihre Zustimmung gegeben hatte, stand Lenius auf und ging zügigen Schrittes nach draußen. Ich hörte, wie er immer wieder nach seiner Schwester rief. Doch er entfernte sich nie so weit, dass ich seine Stimme in mir drin vernahm.

Überhaupt war es hier ungewöhnlich still. Man hörte keine anderen Stimmen. Oder besser gesagt, ich hörte keine anderen Stimmen. Das bedeutete wohl, dass dieses Haus sehr einsam stand. Denn ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Nachbarn den ganzen Tag lang schwiegen.
Bei der Vorstellung, dass mir meine mistige Begabung jetzt auch noch dabei half, die geografische Umgebung eines Hauses zu erkennen, schüttelte ich nur stumm den Kopf, musste aber feststellen, dass ich von meiner Gabe doch mehr Gebrauch machte, als mir vorher bewusst gewesen war.

Einen kurzen Moment später trat Lenius wieder durch die Tür. Hinter ihm lief ein braun gebranntes Mädchen in einem kurzen derben Kleid. Ihre Haare warf sie in einer selbstsicheren Bewegung nach hinten und kam direkt auf mich zu.

"Hallo, du musst Lucy sein, habe ich Recht?" Sie streckte mir ihre Hand hin und ich ergriff sie vorsichtig. "Ich bin Lenius' Schwester."
Sie packte ihrerseits fest zu und schüttelte mir so kraftvoll die Hand, dass ich aufpassen musste, nicht das Gesicht zu verziehen.
Dann setzte sie sich mir gegenüber hin und bedachte alle in der Runde mit einem strahlenden Lächeln. Bei Lenius blieb sie besonders lange hängen.
"Ach mein Brüderchen, dass du auch mal wieder nach Hause kommst."
Trotz ihrer glockenhellen und freundlichen Stimme, hörte man den etwas vorwurfsvollen Ton deutlich heraus.
Und auch Lenius schien ihn bemerkt zu haben. "Ich weiß Elae, ich sollte öfter kommen."
"Das solltest du", antwortete sie ihm und gab Lenius einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter.

"Jetzt lasst uns erst einmal essen. Danach können wir weiterreden." Aluana bedachte mich mit einem kurzen Blick und sagte dann zu mir gewandt: "Ich sehe doch wie du Hunger hast"
Sah man mir das an? Bis darauf, dass ich heimlich meine Hand auf den Bauch gepresst hatte, hatte ich eigentlich versucht ganz entspannt zu wirken. Aber trotzdem. Der Gedanke das Essen jetzt sofort hinunterzuschlingen bemächtigte sich meiner wie eine schlechter Gedanke, der nicht mehr verschwinden wollte.

Mit einem weiteren sonnigen Lächeln lehnte sich Elae in ihrem Stuhl zurück und wartete darauf, dass ihre Mutter das Essen verteilte.
Als Aluana den Deckel hob, traute ich meinen Augen nicht und das was ich sah, ließ mich schwer schlucken.

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Hallo ihr Lieben. Es tut mir Leid, aber das hier ist wahrscheinlich der allerdümmste Cliffhanger der Geschichte xD
Falls ihr mir jetzt noch nicht zustimmen könnt, dann spätestens wenn ihr den Anfang des nächsten Kapitels lest...

Rat der SinneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt