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Nun begann die Ratssitzung. Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und harrte gespannt der Dinge, die da kamen. Goldkauz machte eine kleine gekünstelte Pause, nachdem er Lord Forly wieder in seine Schranken gewiesen hatte und es herrschte absolute Stille. Gerade als ich dachte, dass er jetzt aber weitersprechen sollte und es eindeutig übertrieb mit seiner Pause, ergriff er wieder das Wort.
"Lord Forly", man merkte, wie Goldkauz diese Worte genoss, "wären Sie nun so gütig, uns zu erzählen, was sich mit der Volksstimme ereignet hat?"
Entgegen aller Erwartungen ließ sich Lord Forly nicht sofort zu einer Antwort herab. Auch er wartete erst einmal ein paar Sekunden, in denen er nur die Augen zusammenkniff, bis er sich schließlich mit einem theatralischen Seufzen erhob, seinen Stuhl millimetergenau an den Tisch heranschob und seinen massigen Körper darauf abstützte. Wieder fing er an in seiner besonders langsamen und betonten Sprechweise zu reden: "Lord Cliffleroy, ich werde dieser Sitzung nicht länger beiwohnen. Meine Anwesenheit ist nicht erwünscht und ich repektiere dies. Ich habe wichtige Informationen, aber wenn Sie nicht an ihnen interessiert sind, dann soll es so sein. Ich jedenfalls bin nicht derjenige, der für das Wohlergehen des Bundes verantwortlich ist."
Ich hörte nur noch ein "und wie Sie das sind" aus Richtung der Grüngekleideten, als Lord Forly hocherhobenen Hauptes aus dem Raum schritt und die Tür mit einem Knallen hinter sich ins Schloss warf.

Er hinterließ einen Saal voll des Schweigens und bedröppelter Gesichter. Allen schien klar zu sein, dass die Information sehr wichtig gewesen sein könnte, wobei Goldkauz' berechnendes Gesicht eher danach aussah, als überlegte er gerade, ob Lord Forly diese Sitzung nicht nur anberaumt hatte, um selber etwas Aufmerksamkeit zu bekommen. Vorstellen konnte ich mir das auf jeden Fall. Trotzdem war klar, dass jetzt irgendetwas würde geschehen müsste und da soeben unser Informant den Raum verlassen hatte, war der ganzen Sitzung der Sinn verloren gegangen. Auch Goldkauz war das klar, denn er fragte soeben mit einem Blick in Richtung des zweiten Mannes in roter Uniform, ob er etwas über die geheimen Informationen von Lord Forly wisse. Doch dieser verneinte. In meinen Augen sah Lord Forly auch nicht wie jemand aus, der seine Informationen gerne mit zweiten teilte.
Goldkauz wandte sich wieder der Tischplatte zu, die auf einmal sehr interessant zu sein schien und erklärte die Sitzung schließlich für beendet. Anschließend entschuldigte er sich noch dafür, dass alle umsonst gekommen waren. Heute hatte Goldkauz wirklich einen netten Tag, aber mir war durchaus bewusst, wie schnell sich das ändern konnte.

Da ich weiter nichts vorhatte, schob ich ebenfalls penibelst meinen Stuhl zurück an den Tisch und wollte mich langsam auf den Weg Richtung Ausgang machen, als eine Hand mich an der Schulter packte und zurückhielt. Im ersten Moment war ich drauf und dran um mich zu schlagen, weil mich diese Berührung zu sehr an den Moment erinnerte, als ich von dem Schergen abgeholt wurde, aber im nächsten Moment war mir klar, dass ich damit noch mehr Aufmerksamkeit auf mich ziehen würde. Also drehte ich mich einfach nur um, um zu schauen, wer derjenige war, der mich da festhielt.

Es war der Nigrus. Der, der Goldkauz und mich über die Ratssitzung in Kenntnis gesetzt hatte. Derjenige, der ganz außer Atem, etwas von wichtigen Neuigkeiten gejapst hatte. Jetzt sah er ganz ernst aus und fragte mich, ob er mich kurz sprechen könne. Ich spürte, wie mein Herzschlag sich beschleunigte und Freude in mir aufstieg, weil dieser Mann mich augenscheinlich für voll nahm und mich wie ein ganz normaler Ratsmitglied um ein Gespräch bat. Gerade wollte ich nicken, da hatte er sich schon umgedreht und bedeutete mir, ihm zu folgen.

Das tat ich auch und zwar nicht mit weniger Herzklopfen, als ich vorher schon gehabt hatte. Nicht wirklich überrascht darüber, dass Nigrus mich einen Weg führte, den ich noch nie gegangen war, folgte ich ihm auf Schritt und Tritt. Diese Burg war schlicht und ergreifend zu groß und zu unübersichtlich. Nachdem wir die Treppe genommen hat, die auch zu meinem Schlaftrakt führte, umrundeten wir, zumindest vom Gefühl her, einmal die Burg, bis wir in einen Flur kamen, der meinem gar nicht mal unähnlich war. Lediglich der Wandschmuck fiel etwas üppiger aus. Auch hier waren einige Wandteppiche im Gang verteilt und auch an kleineren Statuen fehlte es nicht. Bei einer hätte ich schwören können, dass sie ein Zwilling derjenigen war, hinter die Lenius mich bei unserem Ausflug in die Küche gezogen hatte. Aber wahrscheinlich täuschte ich mich. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass in dieser Burg überhaupt zwei gleiche Dinge aufgestellt waren.

Nachdem wir einige Statuen passiert hatten, blieb Nigrus urplötzlich stehen, zog in einer einzigen flüssigen Bewegung einen Schlüssel aus seiner Tasche und sperrte die Tür auf.
Ganz nach meiner Vermutung war das hier sein Privatgemach, was er mir wenige Sekunden später auch mitteilte. Wie ich feststellen musste, war sein Zimmer viel luxuriöser eingerichtet als meines. Irgendwann, wenn ich auch einmal wichtig war und etwas zu sagen hatte, würde ich mich darüber beschweren. Aber jetzt war es noch zu früh dazu.
Auch in seinem Zimmer gab es Wandteppiche, einen kleinen gläsernen Tisch mit zwei Stühlen und ein großes Bett, auf dem sich mehrere schwarze Hemden stapelten, die genau dem glichen, das Nigrus sowieso schon trug. Es musste traurig sein jeden Tag die gleiche Kleidung tragen zu müssen. Mit einer schnellen Handbewegung raffte Nigrus seine Anziehsachen zusammen und steckte sie in den Schrank. Augenscheinlich war es ihm sehr unangenehm, dass ich sein Zimmer in diesem Zustand gesehen hatte, doch er verlor kein Wort darüber, sondern bat mich stattdessen am Tisch Platz zu nehmen.

Ein merkwürdiger Geruch füllte das Zimmer und je länger ich mich darin befand, desto stärker wurde er. Er ließ mich sofort an die Lavendelsäckchen meiner Mutter denken, die sie uns immer in die Schränke gelegt hatte. Es roch vertraut und irgendwie nach Zuhause. Das war wahrscheinlich auch der Grund, warum ich gar kein schlechtes Gefühl mehr hatte, als ich mich auf einen der beiden Stühle setzte und Nigrus anfing mit mir zu plaudern. Ich hatte bei ihm sofort das Gefühl, dass ich ihm alles erzählen konnte und wenn ich es mir so recht überlegte, erinnerte er mich ein wenig an meinen Vater. Diese kleine unauffällige Statur, die niemals einen Blick auf sich zog und so immer unentdeckt und unauffällig blieb. Dieses kantige Gesicht, dessen runde Augen aber gleichzeitig so viel Wärme ausstrahlten, dass man sie einfach gern haben musste. Genauso sah Nigrus aus, auch wenn ich wusste, dass das Kinn meines Vaters spitzer und die Augen blauer gewesen waren. Trotzdem vermittelte mir alles in Nigrus' Gemach ein Gefühl von Geborgenheit, das ich nicht mehr loswurde.

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Hier kommt schonmal zwischendurch ein Kapitel. Ich habe es gerade erst geschrieben und habe gedacht, wenn ich es jetzt veröffentliche, ist die Motivation größer, nächstes Wochenende einfach noch eins zu schreiben.

Außerdem habe ich meine Geschichte am Wochenende grob durchgeplottet, sodass ich jetzt immer weiß, was ich als nächstes schreiben will. Das erleichtert schon manches. Vor allem häufen sich gerade ein paar Dinge, die ich hinterher noch aufklären muss und ich will ja keine davon vergessen ;)

Also dann, bis zum nächsten Wochenende!

Wie findet ihr eigentlich dieses Kapitel? Hier sind relativ viele Beschreibungen, mit denen ich nicht wirklich zufrieden bin. Findet ihr auch, dass es sich ziemlich holprig liest?

Rat der SinneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt