Kapitel 9

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~Pov. Hoseok~
Er schenkte uns beiden etwas zu trinken ein und setzte sich dann mir gegenüber. „Also, womit soll ich anfangen?" Ich überlegte kurz. „Als er gegangen ist, von Anfang an. Ich will wissen, wieso er sich nicht mehr gemeldet hat." Kurz schwieg er, fing dann aber an:„Also nachdem er gegangen ist ging's ihm sofort schlechter. Er war immer frustriert, wenn er irgendetwas nicht machen konnte aufgrund seines Gehfehlers, oder wenn er Wörter falsch ausgesprochen hat. Er ist zur psychischen und physischen Therapie gegangen. Seine Sprachfehler wurden nach und nach besser, doch sein Gehfehler nicht. Es hat sich gebessert, aber wenig und vor einigen Monaten hat er es dann aufgegeben und die Therapie abgebrochen. Weil es ihm damals halt so schlecht ging hat er sich so selten und wenig gemeldet. Und das lag oft direkt an dir, weil er sich eingeredet hat, dass er dich nicht verdient hätte. Dass er zu schlecht für dich wäre, dass er nicht genug für dich wäre. Du weißt gar nicht, wie oft ich Nachts bei ihm geschlafen hatte, damit er sich in meinen Armen in den Schlaf weinen konnte."

Ich musste schwer schlucken und spürte, wie sich Tränen in meinen Augen bildeten. „Selten mal war er nicht weinend eingeschlafen und das ist um einiges schlimmer geworden, als du dich nicht mehr gemeldet hast. Er hat sehr stark abgenommen, kaum geschlafen, lag nur noch in seinem Zimmer. Weinen tat er nicht mehr. Er hatte nicht einmal mehr Kraft dafür." Mir waren ein paar Tränen aus den Augen gelaufen und ich merkte auch, dass es Jack schwer fiel darüber zu reden. Bevor er aber weiter reden konnte fragte ich:„Also war er wieder Depressiv?" Kurz schwieg er, nickte dann aber und musste noch einmal tief durchatmen, was sich diesmal aber etwas zittrig anhörte.

„Ich hatte ihn dann mal zu einer psychischen Therapiestunde begleitet, weil die Therapeutin mit mir reden wollte. Sie wusste, dass ich sein einziger Freund und Ansprechpartner war. Dort hatte sie uns gesagt, dass wenn Yoongi nicht bald sein Leben in den Griff bekäme er eingewiesen werden müsste." Ich presste meine Lippen zusammen, um nicht laut aufzuschluchzen. Jack reichte mir ein Taschentuch und ich bedankte mich kurz mit erstickter Stimme, ehe ich mir die Tränen weg wischte und einmal tief durchatmete. Als Jack sich versichert hatte, dass es mir gut ging redete er weiter:„Aber er wollte nichts machen. Er wollte sein Leben nicht ändern. Er hatte keinen Grund. Keinen Menschen, den er liebte, keine Leidenschaft, die er durch eine Einweisung verlieren würde. Nichts. Es war ihm egal. Sein Leben war ihm egal. J-jeden Abend hatte ich Angst aufzuwachen und ihn tot zu finden."

Plötzlich liefen Jack ebenfalls Tränen aus den Augen, doch schnell wischte er sie weg und redete weiter, wobei seine Stimme aber etwas zitterte:„Dann hab' ich ihn angeschrien. Als wir Zuhause waren habe ich ihn angeschrien, bevor die Haustür richtig zu war. Wieso er so egoistisch sei, sein ganzes Leben weg warf. Nicht an seine Familie dachte, nicht an mich dachte. Nicht an dich dachte. Dass du es sicher niemals so für ihn gewollt hättest, dass du wollen würdest, dass es ihm gut ginge. Ich weiß, dass es ein Fehler war ihn anzuschreien. Schon wegen seiner Vergangenheit, was sich auch sehe bemerkbar gemacht hatte, denn er hatte sofort Angst bekommen und sogar gezittert." Einige Sekunden hielt er die Luft an, um nicht zu schluchzen, redete dann aber weiter:„Aber ich konnte nicht mehr. Ich konnte mich nicht mehr zurück halten. Ich hatte ja genauso gelitten wie er. Vermutlich nicht ganz so schlimm, doch kalt ließ mich das kein bisschen. Ich hatte mich einfach nicht mehr zurück halten können und all der Frust musste raus.

Als ich fertig damit war ihn anzuschreien und ich dann realisiert hatte, was ich getan hatte war es schon zu spät und er musste unglaublich weinen. So sehr weinend hatte ich ihn noch nie erlebt. Er schrie sogar um sich, dass er keine Kraft mehr hätte, keinen Grund mehr zum Leben sah. Natürlich hatte ich ihn umarmt und versucht zu trösten, doch das ging nicht mehr. Ich brachte ihn in sein Zimmer, da es sowieso schon recht spät war und blieb bei ihm, um ihm beizustehen. Nachdem er eineinhalb Stunden durchgeweint hatte und es immer noch nicht besser wurde hatte ich ihm Beruhigungsmittel gegeben. Das half auch sehr schnell und er wurde um einiges ruhiger und ist dann auch eingeschlafen."

Er griff nach seinem Glas und trank ein paar Schlücke, was ich ihm gleich tat. Es tat mir selber weh zu hören, wie sehr er gelitten hatte. Wie schlecht es ihm ging und das nur, weil wir keinen Kontakt mehr hatten. „Als er wieder Depressionen hatte, hat er sich dann auch geritzt?", fragte ich zögernd. Kurz schwieg Jack, sagte dann aber:„Ich glaube du solltest selbst mit ihm über seine Depressionen reden. Er würde sicher nicht wollen, dass ich dir das erzähle." Verstehend nickte ich, deutete das aber als 'ja'.

„Und wie ging es dann weiter?", fragte ich. „Nachdem wir wach geworden sind hat er mich gebeten raus zu gehen und ihn alleine zu lassen, was ich auch gemacht hatte. Doch er wollte mich die nächsten paar Tage nicht sehen, was mich ziemlich beunruhigte. Doch er hatte oft sein Zimmer abgeschlossen und ich konnte so nicht rein. Dann musste ich aber einkaufen gehen und habe ihm das gesagt. Er hat wie immer nicht wirklich geantwortet, nur ein Grummeln von sich gegeben. Dann bin ich eben einkaufen gegangen und zurück gekommen." Er machte kurz Pause und musste sich durchs Gesicht wischen. Mein Magen drehte sich um und mein Herz schlug unglaublich schnell. Hatte er etwa...

The start of lifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt