Kapitel 2

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~Pov. Hoseok~
Aufgeregt zuckte mein Bein unkontrollierbar auf und ab. Wir waren gerade erst los gefahren und ich war jetzt schon so aufgeregt. „Hoseok, versuch dich zu entspannen. Wir haben eine Stunde Fahrt vor uns und ich will nicht, dass du nach den ersten zehn Minuten schon umkippst.", sagte Yuri belustigt, die das Auto fuhr. „Ja tut mir leid, aber ich bin aufgeregt.", meinte ich. Wir waren gerade auf den Weg in die Stadt, in der Yoongi gestorben war. Es wurde in den Nachrichten gesagt, dass er dort in der Nähe auf einem Friedhof begraben werden würde und dort fuhren wir jetzt hin. Ich bin noch nie an seinem Grab gewesen und wollte da eigentlich immer hin, doch ich hatte mich nicht getraut. Wovor ich Angst hatte wusste ich nicht, aber nur der Gedanke daran an seinem Grab zu stehen ließen meine Nackenhaare aufstellen und mir lief ein Schauer über den Rücken. Doch jetzt, ein einhalb Jahre später, wollte ich es wagen. Ich wusste, dass es eigentlich nichts schlimmes war auf einem Friedhof an einem Grad zu sein, doch mir war bei dem Gedanken immer noch nicht so wohl.

Doch ich hatte mich nun dazu entschieden und würde es nun auch durchziehen. Nervös war ich trotzdem und ich konnte kaum still sitzen, die ganze Fahrt über nicht. Als wir endlich ankamen spürte ich aber wie mein Körper ruhiger wurde, mein Herz raste aber weiter. Langsam schnallte ich mich ab und stieg aus, wobei sich meine Beine wie Wackelpudding anfühlten und ich mich kurz am Auto fest halten musste. Und das kam nicht von der Autofahrt alleine.

Ich schloss die Autotür und drehte mich langsam zum Eingang des Friedhofes. Ich merkte, wie Yuri sich neben mich stellte und meine Hand nahm. „Es ist alles gut Hobi. Es ist nur ein Friedhof.", meinte sie und zögernd nickte ich. Langsam liefen wir gemeinsam durch den Torbogen des Friedhofes. Sofort sah man einige Gräber und ich bekomme eine starke Gänsehaut, bei dem Gedanken, dass Yoongi dort irgendwo unter der Erde lag. Ein Kloß hatte sich in meinem Hals gebildet und ich spürte, wie mir das Laufen immer schwerer fiel.

Dennoch liefen wir die vielen Wege entlang, was sich anfühlte wie eine Ewigkeit. Jeder Schritt dauerte unglaublich lange. In Zeitlupe sah ich die Gräber an mir vorbei ziehen, doch mein Herz schlug unkontrollierbar schnell. Bis wir an seinem Grab ankamen. Das sah auch Yuri, denn sie blieb mit mir dort stehen. Das Grab sah gepflegt aus. Frische Blumen schmückten das kleine Stückchen Erde und sogar auf dem Grabstein lag eine schöne rote Rose, die mich irritierte, doch ich war viel zu überfordert mit der ganzen Situation, als das ich eine Antwort darauf finden könnte, wieso denn da eine Rose lag. Mein Kopf war leer gefegt, keine Gedanken schwirrten dort herum. Keine Erinnerung, keine Überlegung, nichts. Mein Kopf fühlte sich leer und leicht an, während ich einfach auf das Grab schaute. Ich hatte noch nie so etwas gespürt, doch es fühlte sich an, als wäre ich das erste Mal wirklich hier. Hier im Leben. Das was uns geschenkt worden war, von wem auch immer. Das, was wir nutzen sollten. Das, was wir leben sollten. Im jetzt. Nicht in der Zukunft, nicht in der Vergangenheit. Wir sollten unser Leben jetzt leben. Die Gedanken mal vergessen. Uns selbst mal vergessen. Sich einfach fallen lassen.

Denn das tat ich gerade. Ohne etwas dagegen machen zu können. Doch das wollte ich nicht. Ich fühlte mich gerade unglaublich wohl und befreit. Wieso verstand ich nicht. Doch ich suchte auch keine Antwort. Ich stand einfach hier vor dem Grab meines verstorbenen Freundes und dachte an nichts. An nichts und niemanden, außer an ihn. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Ich war nun hier, endlich bei ihm. Nach all der langen Zeit war ich wieder bei ihm. Ich wusste, dass er tot war. Ich hatte es wohl nie wirklich realisiert, doch nun tat ich es. Er war tot. Und ich musste damit leben. Es akzeptieren. Und vergessen. Doch niemals würde ich ihn vergessen. Ich wusste, dass ich das weder konnte, noch wollte. Doch ich wollte endlich das Geschehene hinter mir lassen. Im jetzt leben. Er war jetzt tot. Er würde nie wieder zurück kommen. Ihn zu vermissen und ihn sich zurück zu wünschen war dämlich. Es würde niemals eintreffen.

Ich spürte eine Hand auf meine Schulter, die mich meinen Kopf langsam zu Yuri drehen ließ. Sie lächelte mich aufmunternd an und langsam schaute ich wieder zum Grab. Wie durch ein Schlag war ich wieder zurück. Zurück in der jetzigen Welt. Und die war voll mit Gedanken, Gefühlen und Erinnerungen. Mein Herz schmerzte unglaublich und Tränen stiegen mir in die Augen, bevor sie meine Wangen hinunter liefen. Mein Körper fühlte sich unglaublich schwer und steif an, sodass ich sogar Angst bekam umzukippen, ohne mich bewegen zu können.

Doch als ich leicht zusammen zuckte, als Yuri wieder meine Hand nehmen wollte, war es um mich geschehen. Ich fiel durch meine weichen Beine auf die Knie, hörte aber nicht auf das Grab anzustarren. Sofort kniete sich Yuri neben mich und nahm mich in den Arm, was ich nur zum Teil erwiderte, denn meine Arme fühlten sich auch unglaublich schwer an. Nun saß ich hier weinend in den Armen meiner Freundin und starrte auf das Grab. Das Gefühl, dass ich gerade verspürte war kaum zu beschreiben. Es war einfach unerträglich, es schmerzte und ich fühlte mich alleine und einsam, trotz Yuri. All das, was ich damals nach seinem Tod Wochen und sogar Monate lang gespürt hatte kam nun alles mit einem Schlag doppelt so hart zurück.

Doch plötzlich fiel mir etwas an dem Grab auf. Etwas, was mich verwirrt und meine Gefühle etwas verdrängte. Ich brauchte einige Sekunden, um es zu verstehen, doch als ich es dann tat musste ich lachen. Ich lachte einfach. „Ist alles okay?", frage Yuri, doch ich hörte gar nicht mehr auf zu lachen. Vermutlich musste mich Yuri gerade für verrückt halten und das war ich auch. Verrückt vor Glück. Verrückt vor Erleichterung. Ich umarmte sie dann plötzlich und ziemlich fest, was sie zögernd erwiderte „E-er lebt! Er ist nicht tot!" Mein Lachen wurde zum Lächeln, dennoch liefen mir Tränen aus den Augen. „Hoseok...du verstehst das wohl nicht richtig..er ist tot. Seit ein einhalb Jahren. Du-" Ich unterbrach sie:„N-nein! Er lebt! G-guck!", sagte ich, löste mich von ihr und zeigte auf das Grab.

Du wirst immer in unseren Herzen bleiben
Min Yoongi
04.06.1988-16.04.2015

Das Geburtsdatum war falsch. Es war nicht mein Yoongi. Er lebte!

The start of lifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt