Ronja/ Antworten

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Ronja POV

So hatte ich Anna noch nie zuvor gesehen. „Steh auf Kleines!" sagte ich immer wieder beruhigend zu ihr. Ich war bestimmt mindestens genauso geschockt wie sie, von dem was wir gerade gehört hatten. Frau Kres konnte sich doch nicht einfach so versetzten lassen. Was hatte sie für einen Grund und das ausgerechnet jetzt?! Jetzt wo Anna sie am meisten bräuchte. Natürlich konnten ich und meine Familie Anna helfen und wir würden auch alles in unserer Macht stehende tun. Ich meine: Anna war ein Teil unserer Familie geworden über die Zeit, so wie ich ein Teil ihrer wurde. Doch,... es war einfach nur verrückt, was sich da zwischen den Beiden in so kurzer Zeit entwickelt hatte und das sie sich Beide darauf eingelassen hatten. Das Ganze war einfach ganz schön riskant. Für Beide... Aber um ehrlich zu sein so verliebt hatte ich Anna wirklich noch nie gesehen. Nicht mal bei ihrer Ex war es so krass. Anna brauchte so viel Halt und Unterstützung wie nur möglich, vor allem jetzt. Wieso also war Frau Kreis einfach so gegangen? Sie hätte doch mit Anna reden können. Oder waren die Beiden etwa aufgeflogen? Hatte diese komische Lea etwas damit zu tun? War sie eifersüchtig auf meine beste Freundin, weil sie etwas bekommen hatte, was diese Lea wollte?! Ich musste unbedingt herausfinden, wer diese mysteriöse Person war, die da so viele Hiobsbotschaften gebracht hatte! Dennoch zuerst sollte ich meine beste Freundin hier von dem Gang runterbekommen und beruhigen. Es war keine gute Idee gewesen sie heute wieder in die Schule gehen zu lassen. Seit wir wach waren, hatte ich schon so ein ungutes Gefühl dabei gehabt, aber Anna konnte sehr stur sein, wenn sie sich was in den Kopf gesetzt hatte. Dieses Häufchen Elend in meinen Armen reagierte im Moment gar nicht auf mich. Da konnte ich ihr noch so gut zureden. –Komm schon Ronja denk nach! Was kannst Du jetzt tun oder sagen um sie wieder ins Hier und Jetzt zu holen?- Fieberhaft überlegte ich hin und her, bis mir die Idee kam. „Hey?! Hey, Kleines?!" vorsichtig drückte ich sie ein wenig fester an mich. „Ich habe einen Vorschlag für Dich. Hörst Du mich?" Ein kleines, schwaches Nicken reichte mir als Antwort. „Was hältst du davon, wenn wir nach dem Unterricht zu ihr fahren? Ich meine zu Frau Kres und sie fragen was das alles zu bedeuten hat? Vielleicht ist gibt es ja eine ganz einfach Erklärung für ihre Versetzung und warum sie sich nicht bei dir meldet?!" Zugegeben, meine Stimme klang weniger fest und zuversichtlich als es eigentlich geplant war. Jedoch zeigte mein Vorschlag Wirkung, Anna regte sich in meinen Armen und drehte ihr blasses Gesicht langsam zu mir. In ihren Augen konnte ich für eine Millisekunde einen Hoffnungsschimmer aufblitzen sehen. „Ja. So machen wir das" gab sie mir leise und mit belegter Stimme zur Antwort. Na hoffentlich klappte das alles so, wie ich mir das dachte...

Anna POV

Ronja hatte Recht. Es gab ganz bestimmt eine Erklärung für Felicitas Verhalten. Warum war ich nicht schon selber darauf gekommen zu ihr zu fahren und mit ihr zu reden? Ich spürte wie neue Kraft in meine Beine floss. Es würde sich alles klären in ein paar Stunden. Für all das mit Felicitas gab es eine Erklärung und sie würde sie mir schon geben. Immer noch ein wenig wacklig auf den Beinen, aber mit einem neuen Plan, stand ich mit Ronjas Hilfe auf. „Wollen wir jetzt erstmal die Kreide holen? Die Anderen wundern sich bestimmt schon, wo wir bleiben." Das war einleuchtend. Nickend setzte ich vorsichtig einen Schritt nach dem Anderen und bemerkte, dass mir das Laufen doch einfacher fiel, als gedacht. Vorsichtig setzte ich einen Schritt nach den Anderen und hielt mich an Ronja fest. Wir hatten einen Plan. Etwas an das ich mich klammern konnte. Etwas was mir neben meiner besten Freundin halt gab. Halt, den ich in dieser Zeit dringend nötig hatte.
Ein paar Stunden später, klingelte zu meiner Erleichterung endlich die Schulglocke und verwandelte meine genervte, aufgeregte und irgendwie freudige Stimmung in ein unglaublich nervöses Gefühl. Wir hatten ein Plan und das lies mich gut fühlen. Das erste Mal in den letzten Tagen, seitdem alles irgendwie den Bach runtergehen zu schien. Doch nun, bemerkte ich, wie ich immer nervöser und aufgeragter wurde. Würde Felicitas da sein? Würde sie mir alles erklären können? Schneller als gedacht, hatten sowohl Ronja als auch ich die Sachen in unsere Taschen gepackt und waren aus dem Klassenzimmer verschwunden. „Heyyyyy!" rief uns Josies Stimme hinterher. „Wo wollt ihr denn ohne mich hin? Ich dachte wir fahren jetzt nach der Schule zu mir und eine Übernachtungsparty schmeißen. Das hatten wir doch so abgesprochen letzte Woche!" Abrupt blieb Ronja stehen und ich ihr ein paar Schritte vor ihr. „Verdammt! Entschuldige bitte Josie, aber wir müssen das verschieben ja?" Ein wütendes Schnauben war zu hören. „Gut, wenn ihr nicht wollt, dann frage ich eben andere Leute!" GOTT! Wie kindlich konnte man denn bitte sein?! Bloß weil es mal nicht nach ihrer Nase ging? Meine Nerven lagen blank. Schnell drehte ich mich zu den Beiden um. „Jetzt hab dich nicht so zickig! Pläne können sich immer mal ändern und das ist heute nun mal der Fall! Also wehe, du machst ein Drama daraus." Kam es trocken und kalt von mir. Josie und Ronja starrten mich an. Ohne Josie noch weiter zu beachten, ging ich auf Ronja zu, griff nach ihrer Hand und zog sie hinter mir her Richtung Treppenhaus. Auf dieses Theater hatte ich gerade absolut keinen Bock. Ich wollte nur noch zu Felicitas und Antworten haben. „Das war... hart" kam es halb belustigt, halb kleinlaut von meiner rechten Seite. „Ich habe keine Lust und keine Zeit für ihre Kinderspielchen. Da muss sie jetzt durch und auch sie muss ein „Nein" zu akzeptieren lernen." „Aber es war geplant, Anna." Mein Blick schnellte zu Ronja rüber. „Ja das war es vielleicht, aber die Umstände sind doch nun vollkommen neu. Das hast du ihr doch heute Morgen in der Bahn erklärt. Das muss sie verstehen." Nun konnte sich Ronja ein sarkastisches Lachen nicht mehr verkneifen. „Josie und sowas begreifen? Anna... Ich dachte, du würdest unsere Freundin besser kennen." Ein leichtes Schmunzeln legte sich für eine kurze Sekunde auf meine Lippen, jedoch drehten sich meine Gedanken im nächsten Moment schon wieder um Felicitas und meine Mutter. Es war wie verhext heute. Auch der Weg zur Bahn, kam mir wieder unendlich lang vor, obwohl wir die Strecke fast rannten. Dann kam noch die Bahn zu spät und als wir dann endlich in der Bahn waren, roch es mehr als unangenehm und mir wurde sofort schlecht. Es waren so viele Leute in dieser Bahn, dass es unmöglich wurde, den Wagon zu wechseln. Wer also mitwollte, weil er dringend irgendwo hinmusste zu seinem Termin, der musste in den sauren Apfel beißen und wohl oder übel diesen Gestank ertragen. Aus diesem Grund, war jede Haltestelle für jeden Fahrgast eine kleine Erleichterung. Die geöffneten Fenster, sorgten zwar für etwas Durchzug, aber egal was es diesen Geruch absonderte, es wurde durch die Fenster nicht besser. Nach einer schier endlosen Fahrt mit der Bahn, kamen wir endlich an der Haltestelle an, an der Ronja und ich raus mussten. Auf dem Bahnsteig blieb ich erstmal stehen. Meine Beine waren schon zum zweiten Mal an diesen Tag wie Pudding und meine Hände begannen zu schwitzen. Ronja sah mich besorgt an. „Es wird alles gut werden, dass wirst Du schon sehen." Beruhigend legte sie mir eine Hand auf die Schulter. „Ja" hauchte ich und atmete einmal tief durch um meinen Magen etwas zu beruhigen. Ein letzter Blick zu Ronja, um mich zu vergewissern, dass es das Richtige war, was wir hier taten und um daraus auch die Kraft zu schöpfen um die letzten paar Meter zu dem Haus zu gehen, in dem Felicitas wohnte. Dort würde ich Antworten bekommen. Dort würde mir ein unglaublicher Stein vom Herzen fallen und ich könnte hoffentlich etwas zur Ruhe kommen. Dort wäre ich sicher, vor meinen ganzen Ängsten und Sorgen. Dort wäre die Frau, die mir den Kopf verdreht und mein Inneres berührt hatte. Dort wäre Felicitas. Wir liefen die Treppe runter und auf den Vorplatz. Inzwischen hatte leichter Nieselregen eingesetzt und es war wieder frischer geworden. Ohne einen Schirm und nur mit einer leichten Jacke bekleidet, fühlte sich der Wind um einige Grad kälter an. Vielleicht lag es auch einfach nur an meinen erschöpften Zustand, dennoch biss ich die Zähne zusammen und kämpfte mich Schritt für Schritt zu dem Ziel. Angst mischte sich mit Vorfreude. Mein Herz schlug um einiges schneller und höher allein nur bei dem Gedanken Felicitas jetzt endlich wieder zu sehen. Sie in meine Arme schließen zu können. Ihren unvergleichbaren Geruch in meine Nase aufzunehmen und mich dann Fallen zu lassen. Ich spürte, wie sich in meiner Brust eine schon etwas vertraute und dennoch aufregende Wärme ausbreitete. Sie konnte jedoch meinen Kopf nicht ausschalten. Sie schaffte es nicht dieses nagende Gefühl in meinem Magen zu vertreiben, welches mein Unterbewusstsein dort platziert hatte. Es fühlte sich an, als würde sich ein Käfig um mich schließen und die Wände immer weiter aufeinander zuwandern. Mit mir mittendrin. Dunkelheit umgab diesen Käfig und eine unglaubliche Kälte. Einsamkeit, Trauer und ein Gefühl von Ohnmacht umkreisten diesen Käfig, wie hungrige Bestien, die nur darauf warteten ihre Klauen endlich in die geschwächte Beute zu schlagen und diese zu zerfetzen. Nein! Noch wollte ich diesen Bestien nicht das geben, was sie so sehr begehrten. Noch war nicht alles verloren! Noch gab es dort mein Herz und das schien und schlug. Noch gab es dort diese Wärme und diese Hoffnung. Inzwischen waren wir in der Straße angelangt, in der Felicitas wohnte. Das Haus konnten wir schon sehen. Ich spürte einen Armen, der sich bei mir untergehakt hatte. Wann hatte Ronja denn das gemacht? Es war nur noch einmal um die Ecke. Bevor wir um diese traten, blieb ich nochmal stehen und sah Ronja an. „Es wird alles gut, richtig?" fragte ich kleinlaut. Gerade fühlte ich mich wie ein kleines Kind. Meine beste Freundin schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln, wie so oft in den letzten Tagen und nickte mir zu. „Okay" stieß ich gepresst aus. Alles in mir war bis auf das Äußerste angespannt. Ich schloss kurz die Augen und versuchte mich auf diese Wärme, die mein Herz ausstrahlte zu konzentrieren, doch die Bestien knurrten immer lauter. Ronja drängte mich nicht. Sie blieb geduldig neben mir stehen und wartete darauf, dass ich den ersten Schritt machte. Jetzt! Ich schlug die meine müden Augen wieder auf und setzte einen Fuß vor den Anderen. Vor dem Haus, gab es einen kleinen Vorhof, auf den man nur durch ein kleines Holztor gelangte. Mit zitternder Hand, öffnete ich dieses Tor und trat, gefolgt von Ronja hindurch. Alles sah aus wie sonst auch. Nichts Besonderes. Die Garage war geschlossen. Das Haus sah von außen auch nicht anderes aus. Vor der Haustür bleiben wir stehen. Meine Finger waren inzwischen eiskalt. Wie in Zeitlupe hob ich meine Hand an und legte einen Finger auf den Knopf neben den Klingelschild mit dem Namen „Kres" darauf. Vorsichtig drückte ich den Finger durch und wartete. Sekunden vergingen. Langsam stieß ich die Luft, die ich unbewusst angehalten hatte, aus. Nichts. Verunsichert sah ich Ronja hinter mir an. „Vielleicht schläft sie" kam von Ronja. Die Unsicherheit in ihrer Stimme konnte sie nicht wirklich überspielen. Ja, so musste es sein. Wenn sie krank war, dann hatte sie sich bestimmt hingelegt um etwas zu schlafen und sich zu erholen. „Probiere es doch noch einmal." Nickend hob ich wieder meinen Finger an und drückte auf den Knopf, diesmal etwas länger. 1, 2, 3 zählte ich im Kopf mit. Wieder wartete ich ab, dass sich was tat. Wenn sie im Wohnzimmer lag und wir sie gerade weckten, dann brauchte sie ja einige Sekunden um wach zu werden und dann zur Tür zu kommen, um zu antworten. Innerlich kamen die Bestien dem Käfig immer näher. Die Gitterstäbe waren nun so eng um mich, dass ich mich kaum noch bewegen konnte. Nur sie schützten mich gerade noch vor den Biestern. Die Sekunden fühlten sich wie Stunden an und mit jeder weiteren Sekunde, die verging schnürte sich meine Kehle mehr und mehr zu. Endlich! Etwas war aus dem Inneren des Hauses zu vernehmen. Ein Lichtstrahl drang zu mir in die Dunkelheit durch, die mich immer gefangen nahm. Sie war da! Felicitas! Ein unglaubliches Hochgefühl durchströmte mich. Ich drehte mich zu Ronja um und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. Jetzt würde alles gut werden. Von drinnen vernahmen wir Beide Schritte und schon im nächsten Moment wurde die Haustür geöffnet. Vor uns stand eine Frau mittleren Alters in einer dicken Jacke eingepackt. Ihre Augen waren braun und unter der Mütze lugten dunkle Haare hervor. Ihr Blick war auf uns gerichtet und zeigte die ein wenig Verwirrung. „Ja?" kam es fragend von ihr. Die Stimme war warm und angenehm. „Wir wollten zu Frau Kres" kam es von Ronja hinter mir. Ich war zu geschockt um auch nur ein Wort aus meinen Mund zu bekommen. Vor mir stand nicht Felicitas, sondern ihre Nachbarin von oben. „Oh!" Den Blick, der nun auf Ronja und mich traf, war undefinierbar. War das Trauer? Bedauern? Verwirrung? Der Lichtstrahl erlosch schlagartig in mir und ich konnte sehen, wie die Gitterstäbe begannen sich in einer rasenden Geschwindigkeit aufzulösen. NEIN! Bitte nicht! Ein dichter Nebel legte sich um mich und ließ meine Sicht verschwimmen. Nein! Bitte! Die nächsten Worte der Frau vor mir, konnte ich nur wie durch Watte wahrnehmen. „Das tut mir aber Leid ihr Zwei. Aber..." Die Bestien kauerten sich hin. Zum Sprung bereit. Konnte es... konnte es wahr sein?! Hatte... hatte diese... Lea... Das was ich nun hören sollte, hämmerte sich in meine Gedanken und mein Herzen, als würde es jemand in Stein meißeln. Dafür geschaffen nie wieder zu verschwinden. Nie wieder zu vergehen. „... Felicitas wohnt seit ein paar Tagen nicht mehr hier. Ihre Wohnung ist komplett leer..." Alles was danach kam, bekam ich nicht mehr mit. Die Gitterstäbe waren verschwunden und die Bestien sprangen mich an und vergruben ihre Klauen und Zähne in mein Fleisch. Ein unglaublicher Schmerz erfasste mich und hüllte mich ein. Von da an, war alles Schwarz und ich... nicht mehr ich...

Etwas rüttelte sanft an meiner Schulter. „Anna?" fragte eine sanfte Stimme. Verwirrt blickte ich mich um. „Was? Was ist passiert?" „Du bist anscheinend eingeschlafen. Ist dir nicht kalt?" Komplett verwirrt blickte ich zu der Stimme hoch. Neben mir, mit einer Hand auf meiner Schulter stand Claudi, meine Mitbewohnerin. „Kommst du mit rein?" Ich nickte nur abwesend und realisierte erst jetzt, dass es schon dunkel und wirklich kalt geworden war. „Ja, ich komme gleich rein." Es war ein Traum. Nein, eigentlich war es kein Traum. Es war meine Vergangenheit. Eine Vergangenheit, die einen bitteren Geschmack in meinen Mund zurückließ und sich eisern um mein Herz legte. Seit diesem Tag hatte ich nie wieder etwas von Felicitas gesehen oder gehört... und irgendwie wollte ich es auch nach einiger Zeit nicht mehr! Ich hatte gelernt mit dem Schmerz zu leben und irgendwann konnte ich sagen, dass er immer weiter in den Hintergrund trat und ein wenig verblasste, aber nie ganz verschwand. So war das anscheinend wenn man jemanden wirklich liebt... mit einem leichten Kopfschütteln, erhob ich mich aus dem Stuhl und ging von der Terrasse nach drinnen.

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Meine Lieben

Es hat sich in letzter Zeit ganz schön hingezogen, aber nun ist es so weit. Wir sind am Ende von D&L angekommen.
Ich möchte mich bei Eich allen herzlich für Euer Verständnis in den letzten Monaten
danken und auch dafür, dass Ihr dabei geblieben seit. Ihr seid einfach die Besten.
Bitte wundert Euch nicht, wenn Ihr irgendwann seht, dass die Kapitel neu erscheinen. Ich werde die Geschichte nur ein wenig von Fehlern bereinigen. ;)

LG Matschu

Desire and Love / girlxgirl teacherxstudentWo Geschichten leben. Entdecke jetzt