Bill - (ES)

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Ich kann mir nicht erklären, warum meine Mutter mich den letzten Tag noch auf die neue Schule schickt.

"Du könntest schonmal Freunde finden, damit du nicht alleine in den Ferien bist"

Wow. Tolle Aussage, Mama.
Mit gesenktem Kopf laufe ich durch die befüllten Gänge und dränge mich an den vielen Schülern vorbei.
Als ich den Blick hebe, kann ich gerade noch bremsen, sonst wäre ich in einen Jungen mit braunen Haare gerannt.
Erschrocken bleibt er stehen, was ich ihm gleich tue.
»Tschuldigung.«, murmle ich schnell und laufe mit geröteten Wangen an ihm vorbei.
Er war ja schon ganz niedlich...

Meine Gedanken verfliegen, als ich das Sekretariat betrete und ein nettes Lächeln aufsetze.
»Du musst bestimmte Y/N sein?«
Ihre nette Erscheinung lässt mich sofort entspannen und ich nicke.
»Gut, dann folge mir.«
Ihr blau-grauer Rock schwingt bei jedem Schritt, während meine Nervosität steigt.
Bei einer Klassenzimmertür bleibt sie stehen und lächelt mir noch schnell aufmunternd zu, bevor sie die Klinke nach unten drückt.
Das Gespräch im Raum verstummt und alle Blicke landen auf mir.
»Das ist Y/N. Sie wird ab heute eure neue Mitschülerin sein.«
Nach diesen Worten schiebt mich die Direktion ins Zimmer und schließt die Tür hinter sich.
In der Menge finde ich den Jungen von erst wieder und mir steigt erneut die Röte ins Gesicht.
»Also, Y/N, du kannst dich dann hinter Stanley setzen.«
Die Lehrerin zeigt mit dem Finger auf einen Jungen mit Locken, der wirklich sehr gerade sitzt und die Hände ordentlich auf den Tisch gelegt hat.
Mit einem Nicken befolge ich ihrer Anweisung und setze mich auf den Stuhl.
Der Unterricht wird fortgesetzt, doch meine Augen sehen schräg zu dem Jungen.
Ich würde gerne mit ihm sprechen.
Vielleicht wird er ja ein Freund?
Meine Gedanken vermischen sich mit Träumen und dem Unterrichtsstoff.

***

Den restlichen Tag habe ich gut hinter mir und bin froh, als ich die Sachen packen kann und zum Ausgang gehe.
Meine Augen überfliegen die vielen Schüler, die sich alle in Gruppen zusammengefunden haben und ihren Nachmittag planen.
Das mit dem Freunde finden, hat doch nicht so gut geklappt.
Aber immerhin habe ich seinen Namen, danke dem Englischunterricht, herausgefunden.
Bill.
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er mir aus dem Weg gehen will oder-
In meinem Augenwinkel zieht etwas meine Aufmerksamkeit auf sich.
Bill und seine Freunde stehen unter einem Baum, als drei Jugendliche auf sie zu gehen.
Sie wollen flüchten, doch alle drei halten sie fest und mein Atem stockt.
Will denn hier niemand etwas dagegen tun?
Die anderen Schüler sehen zwar zu ihnen, doch senken den Kopf und gehen mit schnellem Schritt weiter.
Meine Hände ballen sich zu Fäusten und ich gehe mit festen Schritte in die Richtung.
Da der eine mit dem roten Shirt den Rücken zu mir gewendet hat, bin ich im Vorteil.
Mit all meiner Kraft schubse ich ihn nach vorne, sodass er das Gleichgewicht verliert, aber sich wieder fängt.
Bill landet auf dem Boden und sieht mit geweiteten Augen von mir zu dem Typen.
»Was bist du denn für eine Schlampe?«, spuckt der Junge und baut sich vor mir auf.
Plötzlich finde ich nicht mehr gefallen an meinen Plan und mein Mut verblasst.
»Vergreift euch an Leute in eurem Alter und nicht an die, die viel kleiner sind!«, rufe ich aus und mein ganzer Körper zittert vor Angst.
Der Typ grinst, bevor er auf mich zukommt und unsanft mein Handgelenk umgreift.
»Aber mit euch kleinen ist es doch viel lustiger.«, zischt er und drückt zu, sodass ich schmerzend mein Gesicht verziehe.
»Hey!«
Erschrocken zucken wir alle zusammen, als ein Lehrer auf uns zu kommt und drohend den Finger hebt.
Wie Feiglinge rennen die Jungs los und verschwinden in einem Wagen.
»Alles okay?«
Der Lehrer sieht jeden nach der Reihe an.
»Ja.«, antwortet einer der Jungs mit schwarzen Haaren und einer großen Brille.
Nickend verschwindet der Mann, als alle Blicke auf mir landen.
»Das war echt mutig.«, erwidert derselbe Junge und richtet seine Brille.
Meine Augen landen auf Bill, der sich mit einem Nicken neben seine Freunde stellt.
»Keine Ursache...«, murmle ich, während wir weitere Minuten schweigend gegenüber stehen.
Jetzt oder nie, Y/N!
»Sag Mal...Könnte ich vielleicht heute etwas mit euch unternehmen? Meine Mutter will, dass ich Freunde finde...«
Verlegen hebe ich die Schultern und sehe sie flehend an.
Alle tauschen sich einen Blick aus.
»Klar, wir wollten, aber...-«
»Super! Dann bis später!«
Bevor er etwas erwidern kann, laufe ich los und springe ins Auto meiner Mutter.
Das war doch gar nicht so schlecht...

𝐢𝐦𝐚𝐠𝐢𝐧𝐞𝐬Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt