eight

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Heute war der Tag der Gala gekommen, der Dad schon die ganzen Tage entgegenfieberte.

Ich fühlte mich, als wäre ich verkleidet.
So vertraut und doch so fremd. Seit Mom's Tod war ich auf keiner einzigen Veranstaltung mehr gewesen, hatte kein einziges Mal ein Kleid an.

Und jetzt stand ich hier in der Küche, lehnte am Tresen und versuchte tief ein und auszuatmen.
Mein enges schwarzes Kleid fühlte sich falsch an.
Es endete kurz über meinen Knien, wirkte weder zu kurz, noch zu lang. Der Ausschnitt war einfach und etwas tiefer ausgeschnitten. Ein schlichtes Kleid, das typische, kleine Schwarze. Zumindest würde ich damit nicht zu viel Aufmerksamkeit erregen.

Ridley trat in die Küche. ,,Du schaffst das, los geht's, Vic", sagte er zu mir.
,,Natürlich schaffe ich das", log ich. ,,Aber ich habe einfach keinen Bock."
,,Bei uns gibt es keinen Bock nicht", sagte mein Vater mit tiefer, autoritärer Stimme als er ebenfalls zu uns kam.

Scheiße, konnte ich nicht einmal die Ruhe vor dem Sturm genießen?
,,Das hier ist eine Einweihungsparty, keine Trauerfeier, Victoria. Meinst du wirklich das Kleid ist das richtige?", fragte Dad skeptisch.

,,Wo soll ich denn jetzt bitte noch ein Kleid herkriegen?", fragte ich ihn genervt. Eigentlich sollte ich mich besser kontrollieren, aber gerade ging es einfach nicht.

,,Aus deinem Kleiderschrank?", sagte Ridley ironisch, so als wäre ich dumm.
,,Nimm das Kleid das Mom so gerne mochte", riet er mir dann, wobei seine Stimme schon viel sanfter war.
Ich musste ein Zusammenzucken unterdrücken.

Ich wusste ganz genau welches Kleid mein Bruder meinte.
Es war ein rotes Cocktailkleid aus Satin, mit tiefen Ausschnitt, dünnen Trägern und etwas ausgestelltem Rock. Es hörte sich unspektakulär an, aber die Tatsache dass es nur bis zur Häfte meiner Oberschenkel ging und die Taille gut betonte, machten das Kleid besonders.
Außerdem hatte Mom es an mir immer geliebt.
,,Gute Idee", erwiderte ich schlicht und ging nach oben.

Sobald ich das Kleid anhatte änderte ich meinen Lippenstift noch einmal zu einem etwas unauffälligerem und zog mir schwarze High Heels an.
Mom hatte Recht: meine Taille wirkte schlanker, meine Beine länger und meine Haarfarbe kam besser zur Geltung.
Als ich herunterkam, war ich überrascht.
Es waren schon Gäste da und ich hatte die Zeit komplett vergessen.
Ich ging auf meinen Dad zu, der gerade bei dem Vater von Hayden war, ebenfalls ein Junge aus der Saint, allerdings einer der Seniors, also hatte ich wenig mit ihm zu tun.

,,Victoria, schön dich zu sehen", sagte Mister Baker und schüttelte meine Hand.
Ich lächelte breit und erwiderte seinen Händedruck, bevor ich mich seiner Freundin zuwandte. Hoffentlich war dieses Mädchen älter als ich, denn sie sah verdammt jung dafür aus dass sie mit einem fünfzigjährigen zusammen war.

,,Schön Sie kennenzulernen, ich bin Victoria."
Ich umarmte sie leicht.

,,Geht mir genau so, ich bin Shannon."
Sie erwiderte mein Lächeln.

Kurz redete mein Dad noch mit den beiden, während ich daneben stand und ab und zu etwas einwarf.
Als nächstes war die Familie von Zac dran.
Gott steh' mir bei.

Seine Mutter war eine hochgewachsene, nicht wirklich natürliche Frau in den Vierzigern.
,,Victoria, mein Süße, wie geht es dir?", fragte Serena mich erfreut. Es wirkte zumindest so, aber wahrscheinlich war sie genauso fake freundlich wie ich.

,,Blendend." Ich lachte, mehr oder weniger gezwungen.
,,Wie geht es euch?", fragte ich, als ich zu Zac's Vater überging und auch ihn umarmte.

Während mir Zac's Vater Callum antwortete, ging ich zu Zac.
Ich konnte nicht bestreiten, dass er gut in dem dunklen Anzug aussah, aber die Tatsache dass ich über seinen Charakter Bescheid wusste, hemmte meine Begeisterung für sein Aussehen ungemein.
,,Vic", sagte Zac und lächelte.
Wann immer meine Familie und seine Familie dabei waren, war Zac charmant und nett. Aber mich konnte er nicht täuschen.

Kaum hörbar seufzte ich und ließ mich vom ihm umarmen.
,,Schön dich zu sehen, Zac", sagte ich, aber selbst ich merkte, dass es sich unecht anhörte.

Zac schüttelte nur leicht den Kopf und kurz meinte ich, etwas in seinen Augen aufblitzen gesehen zu haben, aber es war so schnell verschwunden wie es gekommen war.

Während Dad Callum in ein endloses Gespräch verwickelte, wandte ich mich ab.
Es war erst eine halbe Stunde vergangen und doch hatte ich das Gefühl kaum noch atmen zu können.
,,Entschuldigt mich, ich gehe mich kurz auffrischen", sagte ich, blickte dabei aber nur Serena an.
Sie nickte und lächelte kurz.

Aber anstatt auf Toilette zu gehen, verschwand ich nach draußen. Ich brauchte dringend frische Luft.
Erleichtert registrierte ich, dass niemand vor dem Haus stand und nur ich raus gekommen war, um mir eine Pause zu gönnen.
Die Erleichterung hielt nur so lange, bis ich die Kieselsteine hinter mir knirschen hörte.
Ich hob meinen Blick vom Boden und sah die fremde Person an. Kurz musterte ich im schwachen Licht das Gesicht, bis ich erschrocken registrierte wer dort neben mir stand. Ethan Carrington.

,,Ginger, was für ein Zufall", murmelte er mit dunkler Stimme und schnaubte, bevor er eine Zigarette aus der Zigarettenschachtel fischte und sie sich anzündete.
Ich hob beide Brauen, aber nur weil ich wusste das Ethan das in der Dunkelheit nicht sehen konnte.

,,Was machst du hier? Ich wusste gar nicht dass deine Familie auf der Gästeliste steht", erwiderte ich nur, ohne auf seinen Spitznamen einzugehen. Ethan und sein dummer Spitzname konnten mich mal.

,,Überraschungen gibts", spöttelte er nur.
Ich erwiderte nichts, was sollte ich auch auf so einen dummen Spruch antworten.
,,Warum bist du hier draußen?", fragte er, bevor er einem tiefen Zug nahm und ihn kurz darauf ausblies. Der stechende Geruch stieg mir in die Nase und unwillkürlich zog ich sie kraus.
Überrascht runzelte ich die Stirn. Was interessierte Ethan das?

,,Durchatmen, bevor du mit deiner Zigaretten gekommen bist", sagte ich spitz.
Warum konnte ich nicht aufhören Ethan immer zurück zu provozieren? Mein Gott, ich war doch sonst immer so kontrolliert.
Aber anstatt genau so dumm zu antworten, lachte Ethan nur leise. Er hatte dummerweise ein wirklich schönes, kehliges Lachen. Ich biss mir auf die Lippe und verkniff mit ein Grinsen.
Scheiße, ich war so dumm. Warum stand ich hier mit Ethan?
So viele Fragen auf die ich einfach keine Antwort wusste.
,,Ich muss rein. Denk dir was für unsere Firma aus", spielte ich auf seine Worte vor ein paar Tagen an und wandte mich einfach ab, ohne ihn noch einmal anzusehen.

Es war verdammt kalt in nur einem Kleid und Ethan verwirrte mich. Das war Grund genug, um sich auf den Weg nach drinnen zu machen.

the great VictoriaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt