XX. Cassiel

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↠𝐒 𝐂 𝐀 𝐑 ↞

,,Was für ein Kleid wollt Ihr tragen?", fragte die Zofe, die mich auch das erste mal in dieses riesige Schlafzimmer geführt hatte und legte fragend den Kopf schief. Ihre leuchtend roten Haare fielen ihr über die Schulter als sie ein weißes und dann ein dunkel rotes Kleid in die Höhe hielt Verwundert hörte ich auf, in den Schaum vor mir kleine Figuren zu zeichnen und sah sie an. Sie, Jennifer wie sie sich knapp vorgestellt hatte und ihre Begleitung Crystal waren kurz nachdem Dr. Jensen gegangen war hereingestürmt und hatten mich in Beschlag genommen. ,,Wie bitte?", fragte ich irritiert und setzte mich in dem warmen Wasser der Badewanne auf. Denn ich hatte es ohne eine Schwindelattacke oder sonstiges hoch erhobenen Hauptes aus dem Schlafzimmer in das Bad geschafft und wurde seitdem ununterbrochen nach Dingen gefragt, die mir vollkommen gleichgültig waren. ,,Sie hat gefragt, was für ein Kleid Ihr anziehen möchtet", wiederholte Crystal mit nasaler Stimme und faltete meinen dreckigen Umhang.

Sie verzog ihr Gesicht, als ihr Blick auf meine Löchrige und Blutgetränkte Hose fiel. ,,Ich ziehe keine Kleider an", erwiderte ich schlicht und nahm ehrfürchtig die Seife vom Beckenrand. So etwas wie Seife, Badezusatz oder Haaröl hatte ich noch nie in meinem Leben besessen und mit einem gewissen Misstrauen drehte ich die glibschige Seife im Sonnenlicht. Sie roch wunderbar und mit bedächtigen Bewegen ließ ich die Seife über die nicht bandaschierten Teile meines Körpers gleiten.

Die mit Wasserdichten Pflastern Verbände juckten unangenehm, als Jennifer die Kleider zur Seite legte und neben mich trat. Mit geübten Fingern nahm sie das Haaröl und begann meine knotigen und spröden Haare zu bearbeiten, bevor sie mit säuerlicher Stimme weitersprach: ,,Ihr müsst ein Kleid tragen. Etwas anderes ist unangemessen" Bei ihren Worten rutschte mir die Seife aus den Fingern und verschwand im Schaum der Wanne, als ich mich instinktiv anspannte. ,,Unangemessen für was?" Meine Worte klangen abgehackt und die Angst und Besorgnis hatte sie rau werden lassen. Mit voller Wucht kehrte der Kloß in meinen Magen zurück, den ich bei so vielen neuen Eindrücken vollkommen vergessen hatte. Den Kloß den ich verdrängt hatte, weil ich mich in der Sicherheit dieses Badezimmers und der Tatsache dass der König noch nichts getan hatte wiegte.

Doch ich wusste nicht, was der König plante.

Er war so...Nett.

Aber ich sollte es besser wissen.

Er war ein Monster.

.,Der König und der Rat isst heute zu Abend und Ihr werdet dabei sein", erklärte sie und massierte meine Kopfhaut. Ruckartig nickte ich, bis mein Gehirn die Tragweite ihrer Worte erfassen konnte. Mein Herz setzte einen Schlag aus um dann doppelt so schnell gegen meine geprellten Rippen zu schlagen. ,,Was?!", keuchte ich und setzte mich blitzschnell in der Wanne auf. Wasser schwappte aus der Badewanne und meine Verletzungen machten sich bemerkbar. Doch ich ignorierte Sie und starrte entsetzt an.

,,Ich soll mit wem Essen?", krächzte ich panisch und starrte die zwei Frauen mit schreckgeweiteten Augen an. Crystal strahlte mich an und schien meine Reaktion vollkommen egal zu sein. ,,Mit dem König und seinen engsten Beratern" Sie hielt ein neues Kleid hoch.

Es war lang und hatte Ärmel die bis zu den Handgelenken gingen.

Die Farbe erinnerte mich an den Nachthimmel und es glitzerte Silber Blau.

Bis zur Taille war es eng und ab der Mitte fiel es in ausladende Falten auf den Boden. ,,Das ist Perfekt",sagte auch Jennifer und klatschte erfreut in die Hände. Sprachlos sah ich Sie an, zwang mich dazu meinen Puls zu beruhigen und hielt mir den Kopf. Diese Frauen schienen meine Sorge, meine Angst eindeutig für vollkommen unwichtig. Oder sie waren einfach ahnungslos. Ich verengte meine Augen und musterte sie noch einmal. Doch es waren nur zwei einfache Frauen, wahrscheinlich Fae, die ihre Arbeit zu erledigen schienen. Ich sah Crystel an, die meinen Blick erwiderte und einen Schritt zurück trat. ,,Kommt Ihr bitte aus der Badewanne. Das Essen wird bald stattfinden", bat sie und legte sichtlich entzückt das Kleid zur Seite. Meine Hände waren eiskalt und vorsichtig, unter den beobachtenden Blicken der Zofen stieg ich aus der großen Wanne und nahm das angewärmte Handtuch entgegen. ,,Wir haben zwei Stunden", erklärte Jennifer und dirigierte mich zum Schminktisch. Der Boden unter meinen Füßen schien zu schwanken, als ich mühselig den scheuchenden Bewegungen der Frau auswich. ,,Und Ihr werdet fabelhaft aussehen" Ich setzte zu einer Erwiderung an, wollte Erklären warum ich verdammt nochmal nicht in der Position war die Haare gekämmt zu bekommen und auch keine Almosen von diesem Mann und seiner Gefolgschaft haben wollte. Doch sie redeten untereinander angeregt, ignorierten meine Sprechversuche und ließen mich mit meinen Gedanken alleine.

[...]

,,Fertig", erklang die freudige Stimme von Crystel und riss mich aus meinem Gedankenfluss in den ich versunken war. Zwei ganze Stunden hatten die Frauen meine Haare, mein Gesicht, Nägel und Haut bearbeitet. Und wenn man von meinen Kopfschmerzen durchs nachdenken und den Versuch meine Lage zu begreifen absah, fühlte ich mich wie neugeboren.

Und ein Blick in den großen Spiegel neben dem Begehbaren Kleiderschrank zeigte mir, dass ich auch so Aussah. Denn mein Spiegelbild war nicht mehr die junge Frau, die gegen Monster kämpfte. Die Zofen hatten es geschafft mich in eine Lady mit perfekter Frisur und betontem Gesicht zu verwandeln. Meine goldenen Haare, die sie mir gerade geschnitten hatten, wirkten gesund und fielen mir in Wellen über die Schulterblätter.

Mein etwas zu schmales Gesicht war ohne Schmutz und mit Hilfe von dunkler Farbe auf meinen Augenlidern hatten sie es geschafft meine strahlenden violetten Augen noch mehr zu betonen. Mein schmaler Körper, der trotz meiner lauten Proteste in dem Kleid steckte, wirkte nicht so abgemagert wie sonst und das bisschen Dekollete was ich besaß, wurde perfekt in Szene gesetzt. Zunächst hatte ich mich mit Händen und Füßen gegen ein das Kleid gewehrt. Ich zog keine Kleider an. Sie waren im Falle eines Kampfes und einer Flucht unpraktisch. Und ich war nicht hier um mich für den König an und umzuziehen wie es im gerade passte. Doch als die Zofen mit einem strengen Blick erklärten, dass der König diese Angelegenheit sonst selber in die Hand nehmen würde, gab ich nach. Denn ein kleiner Teil in mir hatte befohlen mein Glück nicht über zu strapazieren und mich nun wegen so einer banalen Sache erneut gegen die Malice zu stellen.

Vor allem in meinem Zustand.

Und so trug ich das erste mal in meinem Leben ein Kleid. Aber meine Verbände verschwanden unter dem seidigen Stoff und mein bandagierter linker Fuß war zu meiner Freude wirkten die Schmerzmittel. ,,Ihr seht wunderschön aus! Wie eine Königin", sagte Crystel ehrfürchtig und Jennifer sah sie warnend an. Ich sah die Frauen an und zwang mich zu einem Lächeln.

Es war die Unsicherheit, die mir jegliche Freude über mein Aussehen nahm.

Was wird mit passieren?

Wie ging es Lilien?

Meiner Mutter?

Fragen, die mich seit Stunden beschäftigten. Doch ein Klopfen riss mich aus meinem Gedanken und ich erkannte, dass ein Krieger in voller Rüstung eintrat.

Es war der Malice, dem ich vor zwei Tagen an der Schlucht gegenüber stand.

Der Malice, der gezögert hatte. ,,Sir Cassiel" Die beiden Frauen knicksten leicht und der Krieger starrte mich perplex an. Doch er fing sich schnell wieder, räusperte sich und nickte den Damen knapp zu. Ich musterte ihn argwöhnisch und schielte an ihm vorbei zum Gang. Doch in meinem Zustand machte ein Flucht undenkbar. Und ohne Ciel. Unwillkürlich zog sich mein Herz zusammen und ich wusste, ich musste meinen Freund retten. ,,Ich bin gekommen um Euch zu dem Abendmahl zu geleiten, Mei-", er biss sich auf die Zähne und räusperte sich noch einmal. ,,Ähm Ja. Wenn Ihr mir folgen würdet"

Er zog aus seiner Scheide, die am Rücken an seiner Uniform befestigt war zwei goldene Stäbe. ,,Der Arzt hat Euch zwei Krücken herausgesucht, die Euch wegen eurer Verletzung sehr nützlich sein sollten" Ich blinzelte ein paar mal verwirrt und umschloss die kühlen Griffe der Krücken. Etwas ungeschickt legte ich meine Unterarme in die Kuhle der Krücke und schwang mich testweise vor und zurück. Mein Kleid war störend, aber wenn wir nicht sprinteten sollte ich gut hinter dem verwirrenden Cassiel hinter her kommen. Ich nickte den Damen ebenfalls noch einmal zu und atmete tief ein. ,,Dann los. Ich krieg das hin", sprach ich mir selbst Mut zu und folgte Cassiel.

Gefährtin des KönigsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt