"Mach schneller, Levi!"
Die letzten Worte der Blondine, bevor der Junge mit ihr über eine rote Ampel fuhr. Ein silberner Audi erfasste die beiden.
Wieder wachte Aidan an der Stelle auf, wie jede Nacht. Er konnte das Gesicht des Mädchens nicht vergessen, das vor seinen Augen gestorben war. Damals war er noch jung gewesen, sechs Jahre alt, vielleicht sieben und er hatte einen grauenhaften Unfall beobachtet. Traumatisiert. So hatte ihn die Ärztin genannt als er das erste Mal in Therapie ging.
Er hasste die Frau nicht wegen der Diagnose, er hasste die Frau für die Therapie. Aidans Meinung nach sollten Dinge, die ein Trauma hervor riefen nicht zurück geholt werden, denn das einzige Ziel eines Traumas war eine Person vor weiterem seelischen Schaden zu schützen.
Anderer Meinung war Doktor Peters - oder 'Angelica' wie sie von ihm genannt werden wollte. Sie hatte Aidan 'geheilt' als er zwölf war. Seit dem hatte er Probleme Freunde zu finden und mochte keine Motorräder mehr.
Nach wie vor des Schlafes beraubt, öffnete der mittlerweile 16-jährige Aidan verzweifelt die Augen und sah auf die Uhr, deren rote Zahlen vom Nachttisch aus in sein Gesicht leuchteten und ihn dazu zwangen seine Augen für einige Momente zu zu kneifen. Viel zu grell.
Es dauerte einige Minuten, bis Aidan sich noch einmal traute seine Augen zu öffnen und nun endlich Zahlen erkennen konnte. 03:37 Uhr. Zu früh um wach zu bleiben, aber an Schlaf war auch nicht mehr zu denken. Aidan wog seine Möglichkeiten ab und entschied sich schließlich dazu sein Handy vom Nachttisch zu nehmen und nach Nachrichten zu sehen.
Vielleicht war das Modell nicht das Neueste und womöglich war die Marke nicht sonderlich bekannt, aber weder das eine, noch das andere störte Aidan, denn solange es um das auch so schon kleine Budget seiner Mutter ging, brauchte er kein Geld für ein neues Handy auszugeben.
Im Endeffekt machte er das Display wieder aus, denn wie erwartet hatte niemand versucht Kontakt mit ihm aufzunehmen, und griff nach seinem Buch und der Taschenlampe. "Vertrauter Fremder", stand auf dem bunten Einband des schon älteren Buches. Aidan las den Liebesroman sehr gerne. Es war wie Heimat für ihn; die Konstante, die sich nie verändert hatte, selbst wenn alles um ihn herum keinen Sinn mehr machte und das Leben nur noch ein einziges, schwarzes Loch aus Verzweiflung und Leid war.
{...}
Ein Klopfen an der Tür und kurz darauf steckte die brünette Frau ihren Kopf durch einen kleinen Spalt. Sie war 34, lächelte so gut wie immer, liebte das Leben und kämpfte damit Aidan eine gute Mutter zu sein.
"Aidan, Schatz", fing sie an, als sie sah, dass er mit vom Weinen geröteten Augen das Buch zuklappte, welches er schon so oft gelesen hatte, "Bist du wieder an der Stelle an der ihr Mann stirbt?"
Als Antwort zuckte Aidan mit den Schultern und legte das Buch weg. Er verstand seine Mutter, sie machte sich auch nur Sorgen um ihn, aber genau das wollte er nicht, für ihn hatte sie schon auf zu viel verzichtet und nicht zuletzt auf ihr Privatleben und ihre Freizeit.
Daraufhin seufzte die Frau leise und trat in das Zimmer. Sie war schon angezogen um zur Arbeit zu gehen, einer von vielen Jobs, denn nachdem sie ihren Schulabschluss nicht beenden konnte, war ein gut bezahlter Job nicht viel mehr als ein Traum. Das Geld reichte trotzdem nicht für alle Wünsche die Aidan hatte und deshalb fasste er diese nie in Worte, sondern behielt sie für sich um seine Mutter nicht weiter zu belasten.
"Aidan, du weißt doch...", begann seine Mutter zu erzählen, doch bei den nächsten Worten stimmte Aidan mit ein, weil er sie schon zu oft gehört hatte: "Wir sind eine Familie und sollten immer zusammen halten."
"Ich weiß, Mam. Wir haben nur uns." Der Junge kannte das nur zu gut. Seine Mutter war zu sehr mit Arbeiten beschäftigt um Freunde zu haben, somit war Aidan der einzige Freund seiner Mutter, sowie seine Mutter ihm seit langem die einzige Freundin war.
Elisabeth lächelte kurz und drückte ihrem Liebling einen Kuss auf die Stirn um kurz darauf auf zu stehen. Es war Zeit, dass sie zur Arbeit ging und Aidan alleine in der Wohnung zurück lies damit er sich in aller Ruhe für die Schule fertig machen konnte.
"Dein Wecker klingelt gleich, du solltest aufstehen." Die Frau ging in Richtung der Tür wobei sie ihrem Sohn den Rücken zuwandte.
"Wenn ich jetzt huste, schreibst du mir eine Entschuldigung für den Unterricht?", fragte Aidan sie vorsichtig. Er meinte es nicht ernst, das meinte er nie ernst, denn wie sehr er die Schule auch hasste, er wurde nie krank um sie ausfallen lassen zu können.
"Einen schönen Schultag, Schatz", beendete seine Mutter das Gespräch ähnlich wie sie es angefangen hatte, bevor sie aus dem Zimmer verschwand. Das Rascheln eines Schlüsselbundes und anschließend der Knall einer sich schließenden Tür, zeigte Aidan auch, dass sie nun weg war und er alleine, wie immer.
[edited 29.11.16]
DU LIEST GERADE
Just Friends
Teen FictionGemeinsam lagen die beiden auf dem Boden in Fynns Teppichwohnung. Fynn auf Aidan, während sich die beiden immer näher kamen. "Was werden die anderen sagen, Fynn?" "Sie werden es nie erfahren, Aidan." Achtung: Diese Geschichte enthält gleichgeschlech...