Beverly
Wie es sich wohl anfühlt, zerquetscht zu werden?
Wenn man an einer Wand steht oder auf dem Boden liegt und sich eine Stahlwand auf einen zubewegt und einen zu zerdrücken droht. Es keinen Ausweg gibt. Wie fühlt es sich wohl an, wenn einem jeder Knochen bricht? Vermutlich erst die Nase, sofern man den Kopf nicht zur Seite dreht. Aber ich wollte auch nicht unbedingt, dass meine Füße und Knöchel als erstes zerquetscht wurden. Oder würde mein Kopf so schnell zum Platzen gebracht werden, dass einem alle Schmerzen erspart bleiben würden?
Der Bleistift glitt rasch über das Papier und die kratzenden Geräusche beruhigten mich auf seltsame Weise. Nur die kleine Mücke, die mir wieder und wieder auf die Wange flog, störte. Aber ich wollte sie nicht zerquetschen oder erschlagen. Denn mittlerweile war ich so weit, zu glauben, dass Karma mich sogar für das Töten einer Mücke bestrafen würde.
Aidan schlief bereits, aber mich hielten meine aufdringlichen Gedanken wach. Die Tatsache, dass Chase aus irgendeinem Grund sauer auf mich war, obwohl wir heute Mittag noch betrunken in meinem Zimmer über die tiefsten Abgründe seiner Seele (damit meinte ich Gina, denn viel tiefer ging seine Seele wohl nicht, als seine Beziehung zu verheimlichen) gesprochen, und nach dem Abendessen hatte er mich plötzlich wieder verabscheut. Und die Ironie an der Sache war, dass dieses Verhalten Chase in einem Satz beschrieb. Unsere Beziehung war ein ständiges hin und her zwischen Hass und „Liebe", vorsichtig ausgedrückt. Normalerweise machte mir das nicht sonderlich viel aus. Ich war ein oder zwei Tage sauer auf ihn und bestrafte ihn mit Schweigen, während er bissige Kommentare von sich gab und mir böse Blicke zuwarf. Und danach ging das Leben weiter.
Aber ich hatte bereits genug Gewichte um meinen Körper geschnallt, da brauchte ich seine Launen nicht auch noch.
Ich lag auf dem Sofa in meinem Zimmer vor dem Kaminfeuer, das irgendwie immer zu brennen schien, ohne das Zimmer zu überheizen, hatte meine Beine aufgestellt, meine Zeichenmappe auf dem Schoß und zeichnete mir alles von der Seele. Das hatte ich schon lange nicht mehr getan und glatt vergessen, wie gut es sich anfühlte. Ich zeichnete Corona, Arthur, Brikeena. Ich visualisierte den Streit zwischen Chase und mir -ein Bild, auf dem ich selbst nicht recht erkennen konnte, was es darstellen sollte. Es war egal, denn diese Zeichnungen waren für mein Seelenheil und nicht für eine Ausstellung im Louvre gedacht. Ich zeichnete das Schloss, ziemlich dunkel und verzerrt, wie in einem Alptraum. Auf dem Papier hatte ich das Gefühl, einen verfluchten Ort zu zeichnen. Dann skizzierte ich einen Friedhof, der, wie ich vermutete, mit Theodoric's Tod zusammen hing. Und aus irgendeinem Grund zeichnete ich das Szenario von Fabiana's Tod.
Ich versuchte wirklich, nicht mehr an sie zu denken, weil ich nichts als Schuld, Wut und Verzweiflung verspürte, aber es war schwierig, die Geschehnisse zu ignorieren. Schließlich war ich an ihrem Tod schuld gewesen. Jo hatte sie umgebracht, damit Aidan und ich ungestört zusammen sein konnten.
Wäre ich nicht wieder in sein Leben getreten, wäre Fabiana jetzt noch am Leben.
Und Fabiana war besser für ihn. Sie war perfekt, flüsterte die boshafte Stimme, der ich bestimmt widersprochen hätte, wenn ich nicht so erschöpft gewesen wäre, immer weiter über Fabiana und ihren Tod nachdenken zu müssen. Und die Tatsache, dass Aidan es bei ihr besser gehabt hatte.
Irgendwann gegen drei Uhr nachts ließ ich den Bleistift fallen und schüttelte meine rechte Hand aus. Ich klappte die Zeichenmappe zu und legte sie auf den Couchtisch vor mich. Dann setzte ich mich auf, stützte die Ellenbogen auf die Knie und hielt mir den Kopf.
Zwei Tage. Zwei verdammte Tage und ich hatte sieben Stunden zeichnen müssen, um alles zu verarbeiten. Das war doch ein Witz.
Ich sah zum Fenster hinüber, und betrachtete mich in der Spiegelung. Furchtbar. Wirre Haare, Augenringe und ein Gesichtsausdruck, der sogar Hundebabys verschreckt hätte. Vielleicht hatte Trev's Tante, Sita, damals doch recht gehabt, als sie gemeint hatte, ich hätte eine schwarze Aura.
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Wicked Game (Band 3)
Paranormal„Wenn wir uns unser Leben aussuchen könnten, wären wir auch nicht glücklicher." *** Einen Zauberspruch schreiben, der einen Zauberer mit Phönixblut in den Adern töten kann. Nichts leichter als das, wenn man eine ausgebildete Hexe mit Jahrhunderte la...