14

162 17 9
                                    

Aidan

Ich glaubte nicht, dass Beverly sonderlich viel geschlafen hatte.

Gegen zwei Uhr nachts war ich kurz aufgewacht. Das Kaminfeuer hatte noch gebrannt und sie hatte immer noch auf der Couch gesessen und wie eine Besessene gezeichnet. Gerne hätte ich ihr gesagt, dass sie sich hinlegen und zu schlafen versuchen sollte. Aber sie hatte so konzentriert ausgesehen, dass ich verstanden hatte, dass Schlaf ihr nicht helfen konnte. Dafür war ich innerhalb von Sekunden wieder weggedöst.

Und als ich am Morgen wieder aufwachte, lag sie nicht neben mir. Dabei war es erst kurz nach sieben und das Frühstück gab es erst um acht.

Kurz dachte ich, dass sie vielleicht auf ihr Zimmer gegangen war, um sich umzuziehen, doch dann fiel mir ein, dass das hier ihr Zimmer war. Ich zog mir meine Jean und das T-Shirt von gestern über und beschloss, ein paar meiner Klamotten in Beverly's Schrank zu deponieren, weil es sehr unwahrscheinlich war, dass wir tatsächlich auch nur eine Nacht getrennt voneinander schlafen würden. Ich wollte mich eben auf die Suche nach ihr machen, als mir auffiel, dass sie ihre Zeichenmappe gar nicht versteckt hatte. Sie lag auf dem kleinen Tisch vor dem Sofa.

Ich stand lange da und wog die Wahrscheinlichkeit ab, dass Beverly genau in der Sekunde durch die Türe spazieren würde, in der ich meine Nase in ihre Angelegenheiten steckte.

Versteht mich nicht falsch, vor ein paar Monaten hätte ich nicht einmal ernsthaft mit dem Gedanken gespielt, in ihre Privatsphäre einzudringen. Aber sie redete einfach nicht mehr mit mir. Zumindest nicht so, wie sie es sollte. Ich hatte gehofft, dass ihr ein bisschen Alkohol und ein sarkastischer Chase aus der Niedergeschlagenheit helfen würden, aber es war nur für eine kurze Zeit gewesen und jetzt war er sauer auf sie, und sie fühlte sich noch beschissener als zuvor.

Ich konnte ihr nicht helfen, wenn sie mir nicht sagte, was los war. Obwohl ziemlich offensichtlich war, was sie bedrückte, aber es tot zu schweigen kreierte lediglich eine tickende Zeitbombe in ihr.

Ich stand immer noch unschlüssig da, als die Türe geöffnet wurde und ich schuldbewusst herumfuhr, als hätte alleine der Gedanke ans Herumschnüffeln eine unausgesprochene Regel gebrochen.

„Um Himmels willen!", fluchte ich. „Erschreck' mich doch nicht so!"

Trish kniff die Augen zusammen und sah sich um. „Wo ist Bev?"

„Keine Ahnung, was willst du?"

Sie blinzelte mich irritiert an. „Hat da jemand auf der falschen Seite des Bettes geschlafen?"

Ich rollte mit den Augen und sie kniff sie noch viel misstrauischer zusammen. „Du dachtest, ich bin Bev, als ich reingekommen bin, oder? Warum bist du so erschrocken? Was hast du angestellt?"

„Gar nichts", versicherte ich ihr und sie nickte langsam. Vermutlich, weil ich nicht gelogen hatte, sie mir aber ansehen konnte, wie gehetzt ich war. Schließlich seufzte ich. „Ich hab nur... mit dem Gedanken gespielt, mir ein paar ihrer Zeichnungen anzusehen..."

Sie schnappte überaus theatralisch nach Luft und stemmte die Fäuste in die Hüften. „Aidan Gavin Campbell!"

„Was denn, ich hab doch gar nichts gemacht!" Ich kam mir vor wie ein Kleinkind, das sich vor seiner Mutter rechtfertigen musste.

Sie schüttelte enttäuscht und verärgert den Kopf. „Du solltest dich schämen!"

„Ach, sei doch still", entgegnete ich, ging zum Couchtisch, nahm die Zeichenmappe und legte sie unter die Sitzkissen des Sofas, um nicht nochmal in Versuchung zu kommen. „Zufrieden?", fragte ich und drehte mich zu Trish. „Aber ich werde ihr sagen, dass ich drüber nachgedacht habe." Trotzig ging ich zu dem Spiegel, der über der Kommode hing, und versuchte meine Haare zu einem akzeptablen Lockengewirr zuzurichten. Zwecklos. Mir mussten mal wieder die Haare geschnitten werden, so viel stand fest.

Wicked Game (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt