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Aidan

Das Labyrinth machte mir zu schaffen. Die Magie in ihm machte mir zu schaffen.

Brikeena hatte Beverly zwar vorgewarnt und gemeint, dass die bestehenden Magiespuren heftig waren, aber ich hätte nie gedacht, dass ich sie in einem solchen Ausmaß wahrnehmen würde. Ich glaubte jedenfalls nicht, dass ich mich in meinem ganzen Leben jemals so lebendig und präsent gefühlt hatte, wie in diesem Augenblick.

Doch, einmal vielleicht. Als ich mit fünfzehn mit meinen Eltern und Addie zwei Wochen in Norwegen gewesen war, um einen entfernten Verwandten zu besuchen und Addie die glorreiche Idee gehabt hatte, im Wald spazieren zu gehen. Und da die Erwachsenen unter sich hatten bleiben wollen, hatte ich sie begleiten müssen. Die Wälder und Landschaften in Norwegen waren wunderschön, besonders im Winter mit all dem Schnee, und ihr bloßer Anblick hätte mir gereicht, aber wir waren an einem nicht vollständig zugefrorenem See angekommen, und meine Schwester hatte mich zu einer kleinen Wette herausgefordert: Wer es länger in dem kalten Wasser aushalten würde. Einsatz war lediglich das letzte Stück Kuchen gewesen, das Zuhause im Kühlschrank gestanden hatte, aber es war ein verdammt guter Kuchen gewesen. Also hatten wir uns bis auf die Unterwäsche ausgezogen und waren in das Wasser gestiegen. Es war grauenvoll und fantastisch zur selben Zeit gewesen. Das Wasser hatte sich wie tausende Nadelstiche angefühlt. Mein Blut war durch meine Adern gerauscht, und mein Herzschlag hatte sich beschleunigt und alles dafür getan, mich warm zu halten. Natürlich hatte ich damals noch nicht gewusst, dass es Dämonenblut gewesen war, das mich bestimmt nicht hätte draufgehen lassen. Nur war zu der Zeit alles noch so normal gewesen.

Das war der Moment gewesen, in dem mir klar geworden war, dass ich mich zum ersten Mal lebendig gefühlt hatte. Wirklich lebendig. Ich hatte alles um mich herum klarer wahrgenommen, als je zuvor. Ich hatte erkannt, dass ich mich niemals auf der Couch vor dem Fernseher, gemütlich in eine Decke eingewickelt, mit einer Tasse Kaffee, lebendig fühlen würde.

Addie hatte verloren. Sie hatte es keine Minute in dem Wasser ausgehalten, wohingegen ich, überwältigt von diesem Klarheitsgefühl, wesentlich länger im Wasser geblieben war. So lange, bis ich die Kälte gar nicht mehr gespürt und gewusst hatte, dass ich den See verlassen musste, wenn ich keine körperlichen Schäden davon tragen wollte. Unsere Mutter war natürlich ausgerastet und hatte uns beiden eine ordentliche Erkältung und Blasenentzündung gewünscht, als wir in den halbnassen Sachen zitternd wieder nach Hause gekommen waren. Mir jedoch war nichts passiert, was dem Dämonenblut zuzuschreiben war, und Addie hatte nach diesem Tag lediglich einen Schnupfen abbekommen.

Die Magie in diesem Irrgarten fühlte sich genauso wachrüttelnd an. Vielleicht noch viel wachmachender. Denn zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, meine eigene Magie zu spüren, die mir von meinem Dämon verliehen wurde. Ich war mir nicht sicher, ob ich darauf zugreifen konnte, aber dass sie da war, wusste ich. Es fühlte sich beinahe so an, als wäre sie in einer Kiste eingesperrt und mir fehlte der richtige Schlüssel, um sie zu befreien. Aber sie tobte in mir und wollte unbedingt raus, soviel stand fest.

Ich fragte mich, ob es Beverly ähnlich ging.

Die ganze Zeit konzentrierte ich mich nur darauf, meine Freundin zu finden. Es war so ziemlich das Einzige in meinem Kopf. Und an jeder Abzweigung hatte ich das unumstreitbare Gefühl, in eine bestimmte Richtung gezogen zu werden. Es war kaum zu beschreiben. Ich konnte es nur mit der Empfindung vergleichen, sich nicht sicher zu sein, die Haustüre abgeschlossen zu haben. Man muss einfach zurück und nachsehen. Dieser innere Zwang, dem man hilflos ausgeliefert ist und sich am besten einfach widerstandlos ergibt. Mit jedem Schritt fühlte es sich so an, als würde ich Beverly gleich um die nächste Ecke herum stehen sehen.

Als das Gefühl in mir zu brodeln begann, traute ich mich schon fast nicht mehr, um die Ecke zu schauen, weil ich befürchtete, sie wieder nicht gefunden zu haben. Und ich sollte recht behalten. Beverly fand ich nicht.

Wicked Game (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt