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Aidan

„Nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein." Ich schüttelte entschieden den Kopf. „Nein. Darin sieht meine Schwester aus wie ein Pudel. Überleg dir was anderes."

Canna stieß genervt den Atem aus und Chase legte studierend den Kopf schräg, während Addie sich einmal um die eigene Achse drehte.

„Ich finde es süß", meinte er. „Das passt doch zu ihr. Es ist schön... puffig."

Trish schüttelte den Kopf. „Aidan hat recht. Addie sieht aus wie eine Wolke, wenn sie dieses Kleid trägt. Oder ein Schaf. Ihr Bauch ist doch schon so groß, da braucht sie nun wirklich keine Rüschen mehr."

„Rüschen passen zu ihr", mischte Beverly sich ein. „Sie sind lieblich und unschuldig. Wie Zuckerwatte."

„Ähm, hallo?" Addie winkte uns beleidigt zu. „Ich stehe direkt vor euch. Überlegt bitte zwei Mal, welche Adjektive ihr mir gegen den Kopf schmeißt, die mein Gemüt beschreiben, bevor ihr mich beleidigt, danke."

Es war der Tag vor Brikeena's Hinrichtung, der Scheiterhaufen wurde vor dem Schloss aufgebaut und war von Beverly's Zimmer aus viel zu gut zu sehen. Nein, ich scherze nicht. Sie wollten Brikeena verbrennen. Und wir waren alle an einem Punkt angelangt, an dem wir die Hoffnung so gut wie aufgegeben hatten und die ganze Angelegenheit mit Brikeena in schierer Verleugnung von uns wegschoben, anstatt uns damit auseinanderzusetzen. Natürlich war das keine Lösung, aber manchmal kam man erst dann auf die Lösung eines Problems, wenn man sich von besagtem Problem distanzierte. Und genau das taten wir seit einer knappen Stunde, in der Canna Addie schon alle möglichen Kleider gezaubert hatte und Chase, Beverly, Trish und ich Jury spielten.

Im Grunde genommen war es Haarspalterei, denn Addie hätte in einem Kartoffelsack und mit Fünflingen im Bauch immer noch in einem Modemagazin modeln können. Zumindest waren das Beverly's Worte gewesen, als wir für die Modenschau alle in mein und Addie's Zimmer gewandert waren, weil Beverly den Scheiterhaufen nicht jedes Mal hatte sehen wollten, sobald sie an ihrem Fenster vorbeiging.

„Was sagst du zu dem Kleid, Ads?" Ich lehnte mich zurück. „Du musst darin zum Altar flanieren."

„Flanieren." Addie schmunzelte mich an und drehte sich zu dem bodenlangen Spiegel. Ihr Blick glitt über das Kleid und ein Hauch Traurigkeit blitzte in ihren Augen auf. Ich wusste, was sie dachte.

Das war genau das Kleid, in dem sie sich ihr Leben lang gesehen hatte. Schon als Kind. Ein langes, schneeweißes Rüschenkleid mit kurzen Ärmeln auf denen kleine, funkelnde Steinchen saßen. Es war so unfassbar märchenhaft und kitschig, aber zu Addie passte es.

Das hätte es zumindest.

Wenn sie noch die Addie von vor zwei Jahren gewesen wäre.

Sie war keine Braut mehr, die in ein so unschuldiges, mädchenhaftes Kleid gehörte. Sie hatte sich zu sehr verändert. Es war zu viel passiert, und dass Addie sich nicht zu hundert Prozent wohl fühlte, sah ich ihr an.

Die Traurigkeit verblasste jedoch so schnell wie sie gekommen war und Addie drehte sich entschlossen wieder zu Canna um. Nach dem ganzen Chase-Finley-Drama hatte Finley es für besser gehalten, nicht mehr ständig in unserer Nähe zu sein. Ins besondere in Chase' Nähe und hatte daher ihre Schwester geschickt, um uns bei dem Kleid zu helfen.

„Wir müssen was Anderes versuchen. Vielleicht etwas mit langen Ärmeln aus Spitze? Das wäre doch ganz niedlich."

So ging das noch eine Weile weiter. Canna versuchte es mit sehr engen, Figur betonten Kleidern, mit weiten, die Addie's Bauch kaschierten, langärmlig, kurzärmlig, welche aus Seide, welche aus Spitze... Dann mussten wir eine Pause machen, weil die Babies Addie ununterbrochen traten und sich bewegten.

Wicked Game (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt