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Beverly

Es war kein Märchenschloss für Königinnen und Könige mehr, sondern ein Geisterschloss. Obwohl wir auf dem Weg nach unten niemandem über den Weg liefen, spürte die Bedrohung, die in der Luft hing, während wir von Flur zu Flur schlichen, um jede Ecke lugten und uns achtsam weiterbewegten.

Der lange Flur im untersten Stock, der den Eingang zu den Verließen beherbergte war definitiv der beängstigendste, weil wir uns auf dem Weg zu Corona's Statue in Richtung Thronsaal bewegen mussten.

Wir schlichen in den Schatten nahe an den Wänden entlang bis zu dem Corona-Duplikat und ich murmelte den Zauber. Als sich die Statue geräuschvoll zur Seite bewegte, kniff ich die Augen zusammen, in der Hoffnung, dass uns niemand hören konnte. Schnell suchte ich nach dem unsichtbaren Türgriff und öffnete den Eingang. Chase trat nach mir ein und die Statue schob sich wieder vor.

„Oh Gott, sie kommen", hörte ich Misoa weinen, als wir die Treppen nach unten schlichen.

„Shhh!", machte Brikeena. Ich trat aus den Schatten und Misoa atmete auf.

„Beverly! Oh mein Gott, ein Glück!"

Die beiden waren alleine hier unten. „Wo sind die Wachen?"

„Die sind vor ungefähr vier Stunden abgehauen", erklärte Misoa. „Sie haben Schiss gekriegt und uns hier sitzen lassen, ich dachte, du wärst Odilia, oder Cillian, oder-"

„Schon gut", unterbrach ich sie sanft. „Jetzt sind wir ja da." Brikeena sah zwar in meine Richtung, doch sie sagte nichts. Bestimmt war sie diejenige gewesen, die Misoa erklärt hatte, dass Odilia sie hier raus katapultieren würde. „Hört zu, wir müssen euch, hier raus bringen."

„Ja, bitte!", rief Misoa. „Hol mich hier endlich raus."

Trotzdem ging ich zuerst zu Brikeena's Zelle, hielt mich an den Stäben fest und drückte mein Gesicht zwischen ihnen hindurch.

„Du hast mir geholfen", begann ich und blickte in ihre düsteren Augen. „Sie ist es, hab ich recht?" Ich nickte zu Misoa. „Du hast Angst, dass Odilia ihr etwas antut, nachdem sie schon deinen Mann umgebracht haben."

Ich konnte die Furcht in Brikeena's Augen glitzern sehen, aber sie sagte noch immer nichts. Schnell machte ich einen Schritt von den Gittertüren weg und betrachtete die Zellen. „Keine Sorge, wir holen euch beide hier raus, und dann verschwinden wir."

Misoa nickte und obwohl Brikeena noch immer schwieg, konnte ich ihr ansehen, dass sie nur aus diesem Irrenhaus verschwinden und ihre Enkelin in Sicherheit bringen wollte. Wenn ich sie richtig einschätzte, dann hatte sie keinerlei Interesse daran, mit Odilia mitzugehen.

„Schlüssel gibt es nicht, oder?", fragte ich hoffnungsvoll, doch Misoa schüttelte den Kopf. Ich stieß den Atem aus.

„Na, schön. Dann eben auf die altmodische Art." Obwohl ich viel zu unruhig und gehetzt war, um mich zu konzentrieren, blieb mir keine Wahl und ich stellte mir mit geschlossenen Augen vor, wie sich die Gitterstäbe der Zellen auseinanderbogen. Die metallenen, kratzenden Geräusche verrieten mir, dass es klappte.

Als ich die Augen wieder aufschlug, sah ich, dass meine Arbeit ein bisschen verkrüppelt war, aber das passte schon. Brikeena und Misoa kletterten beide aus den Zellen und Chase hielt paranoider Weise sein Messer bereit.

„Können wir durch den Ataria in den Katakomben verschwinden?", fragte ich Brikeena und sah aus dem kleinen Zellenfenstern nach draußen. Es regnete nicht mehr und der Himmel wurde heller.

„Können wir, aber der Eingang zu den Katakomben ist auf der ganz anderen Seite des Schlosses", meinte Brikeena.

„Wir müssen es versuchen."

Wicked Game (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt