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Aidan

„Tut sich schon was?", fragte ich und öffnete hoffnungsvoll meine Augen.

„Nope. Cappuccinobraun."

Angestrengt stöhnte ich auf und ließ mich nach hinten auf den Rücken fallen.

„Ich versteh es nicht, Ads."

„Was denn?"

„Warum Gott mir dämonische Fähigkeiten schenkt, mir aber nicht vergönnt, die Scheiße auch einzusetzen."

Meine Schwester kicherte. „Ich hab auch ein bisschen gebraucht."

„Ich will mich wirklich nicht beschweren, aber... ich kann nichts. Ich weiß nicht, wie ich meine Augen zum Leuchten bringen kann, ich weiß nicht, wie ich mein Supergehör einschalten kann oder wie ich Leute so cool versteinern kann, wie Jo es in der Kirche getan hat. Warum ist es für mich so verdammt unmöglich?"

Addie zuckte mit den Schultern und rappelte sich mühselig vom Bett auf. „Vielleicht hat Jo einfach mehr Magie abbekommen, wenn du verstehst..." Sie spitzte grübelnd die Lippen und betrachtete mich. „Weißt du, was wir jetzt versuchen?"

„Was denn?"

„Du gehst hinaus auf den Flur. Ich fange ganz leise an, dir Sachen zu erzählen und du versuchst, mich nur mithilfe deines Supergehörs zu verstehen. Dann kommst du wieder rein und sagst mir, was ich dir erzählt habe." Sie nickte, als sei das eine tolle Idee.

Ich stand vom Boden auf. „Gut, von mir aus. Aber du musst mir was erzählen, was ich noch nicht weiß."

Sie zog die Augenbrauen zusammen. „Warum?"

„Naja, wenn nicht, dann fängst du gleich an, von Trev oder den Babies zu reden, oder nicht?"

Sie schob die Unterlippe vor. „Na schön. Ich erzähl dir was, was du noch nicht weißt."

„Bin schon gespannt...", murmelte ich und verließ das Zimmer, während Addie auf und ab ging. Ich setzte mich an der gegenüberliegenden Wand auf den Boden und überlegte, mit was für einer Geschichte sie wohl aufwarten würde. Vielleicht ein kleines Geheimnis aus ihrer Kindheit?

Die wichtigere Frage war tatsächlich nur: Wie sollte ich das herausfinden, wenn ich mein Supergehör nicht einschalten konnte? Ich hörte sie etwas Murmeln, aber es war so leise, dass ich es mir genauso gut eingebildet haben könnte.

Ich schloss die Augen, ließ den Kopf nach hinten fallen und dachte daran, wie es sich angefühlt hatte, als ich das letzte Mal mein cooles Gehör aktiviert hatte. Es war im Labyrinth gewesen. Ich war verzweifelt gewesen. Es hatte sich angefühlt, als hätte ich eine Wand durchbrochen. Eine unsichtbare Wand. Mit meinem ganzen Körper, die dumpfen Geräusche waren deutlicher und deutlicher geworden und plötzlich...

„...Idiot", hörte ich Addie sagen und riss die Augen auf. „Was soll ich dir schon erzählen, das du nicht von mir weißt? Kann ich dich nicht einfach ein bisschen beschimpfen?"

Oh mein Gott! Es hatte geklappt. Hatte ich das gerade absichtlich gemacht? Leuchteten meine Augen? Oder drehte ich einfach nur komplett durch und bildete mir Addie's Gerede einfach nur ein?

„Arschloch... Kindskopf..." Beleidigt verschränkte ich die Arme vor der Brust. Das war so nicht abgemacht gewesen. „Ich halte nicht viel von dir... Blödsinn. Was rede ich da? Ich halte gar nichts von dir, hörst du?" Sie seufzte. „Okay, du hörst mich bestimmt noch nicht, sonst wärst du beleidigt ins Zimmer gestürmt."

Ich musste schmunzeln. Ich hatte tatsächlich überlegt, das ganze Experiment abzubrechen, aber ihr Monolog war nun doch ganz interessant.

„Etwas, das du nicht von mir weißt...", murmelte sie. „Etwas, das du nicht... hm. Du weißt so gut wie alles von mir. Ähm..." Ich konnte mir bildlich vorstellen, wie sie die Augen zusammenkniff und in ihrem überfüllten Gehirn nach etwas grub, das sie mir nie erzählt hatte. Schließlich stieß sie den Atem aus.

Wicked Game (Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt