Like The Sea (Band 1)

Kapitel 6

6

Leo

„Beauty queen of only eighteen

She had some trouble with herself"

- Maroon 5

Es ist ein typischer Wochentag der ersten Uniwoche. Normalerweise ist die Bar viel voller während des Semesters, wenn die Studenten alle wieder in London sind, aber in der ersten Woche sind sie noch der Meinung, sich dieses Semester besonders anstrengen zu wollen. Dann sitzen hier nur wenige Gäste, die sich nach der Arbeit ein Bier gönnen. Erfahrungsgemäß ändert sich das jedoch schon zum Wochenende und ab nächste Woche wimmelt es hier nur so von Studenten, auch durch die Woche.

Jetzt, zum Beginn meiner Schicht, sitzen nur drei Anwälte von der Kanzlei gegenüber am Tresen. Sie sind Stammgäste und wahre Idioten. Alle drei sind verheiratet und haben Kinder reden aber trotzdem die ganze Zeit nur über ihre heiße Kollegin Samantha, die eindeutig zu kurze Röcke bei der Arbeit trägt. Ich kann darüber nur den Kopf schütteln.

Ich hoffe, dass sich das Riff noch füllt, denn sonst wird sich meine Schicht wahrscheinlich ziemlich ziehen.

Ich bin gerade dabei, Gläser zu spülen, als sich die schwere Eingangstür des Riffs öffnet und ein kalter Luftzug in die Bar strömt.Ehrlich, ich habe jetzt schon keine Lust auf die kalten Jahreszeiten.Ein Mädchen kommt mit gesenktem Blick herein. Ihr Gesicht erkennt man aufgrund einer schwarzen Cappie nicht. Schon auf dem ersten Blick sieht man, dass sie hier nicht hingehört und sie sich unwohl fühlt. Ihre Arme sind vor der Brust verschränkt und auch jetzt, wo sie an der Bar sitzt, macht sie keine Anstalten hochzusehen.

Ich trockne mir die vom Spülen nassen Hände ab und gehe zu ihr, um ihre Bestellung aufzunehmen.

"Was kann ich dir bringen?", frage ich sie. Das Mädchen antwortet nicht direkt, sodass ich mir erst unsicher bin, ob sie mich gehört hat. "Was...", setze ich also wieder an, doch da unterbricht sie mich.

"Einen Gin Tonic", sagt sie kaum hörbar, mit kratziger Stimme. "Mit viel Gin", fügt sie noch hinzu als ich mich gerade umdrehe.

Während ich ihr Getränk zubereite, frage ich mich, was mit ihr ist. Normalerweise setzen sich die Menschen nicht um kurz nach sechs alleine in eine Bar, um sich zu betrinken und das hat sie offenbar vor. Ich mische den Gin Tonic stärker als ich es sonst machen würde, aber nicht so stark, wie ich es machen würde, wenn es drei oder vier Stunden später wäre.

Als ich ihr das Glas hinstelle, sieht sie zum ersten Mal auf. Eisblaue Augen sehen mich ausdruckslos an. Ich erkenne sie sofort. Vor zwei Tagen ist sie mit ihren Freunden hier gewesen, hat mich angerempelt und mir dann die Schuld dafür gegeben. Sie ist mir direkt unsympathisch gewesen.

Emilia Montgommery ist ein reiches, überprivilegiertes Mädchen von der seit heute Mittag ein Nacktfoto im Netz kursiert. Kurz bevor sie in den Laden getreten ist habe ich noch einen Beitrag über sie in dem Fernseher gesehen, der hinter der Bar hängt.

Jetzt hier, alleine in der Bar, wirkt sie nicht so hochnäsig und arrogant wie am Samstag. Sie sieht fertig aus, die Augen gerötet als hätte sie viel geweint und ihre Schminke ist leicht verschmiert. Sie ist wohl nicht so glücklich mit den aktuellen Schlagzeilen. Naja, wer hoch fliegt, kann auch tief fallen.

Sie ist es, die den Blickkontakt abbricht, woraufhin sie den Gin Tonic in einem Zug leer trinkt und mir das Glas rüberschiebt, was ich als Aufforderung sehe, es wieder zu füllen. Alles klar, wenn sie sich betrinken möchte, dann soll sie das machen, ist ja nicht mein Problem.

Im Laufe des Abends fülle ich immer wieder ihr Glas nach, dabei komme ich nicht drumherum, sie das ein oder andere Mal zu beobachten.

Emilia ist auffällig hübsch. Ihre hellbraunen Haare umrahmen ihr zartes Gesicht, auch wenn ihr schon ein paar zerzauste Strähnen ins Gesicht fallen. Durch den Alkohol sind ihre Wangen und Lippen schon leicht gerötet. Ihre blauen Augen würden mich fesseln, wenn ich nicht wüsste, was für ein Charakter dahintersteckt. Ihr abfälliger Blick bei unserer ersten Begegnung am Samstag hat mir nur mal wieder gezeigt, dass solche Mädchen immer gleich sind.