Kapitel 4

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„I'll be there for you

'Cause you're there for me too"

-The Rembrants

Ich werde am nächsten Morgen viel zu früh wach. Die vorhandene Nervosität hat mich einfach nicht schlafen lassen und die Nachricht, die ich erst vor wenigen Stunden von Logan bekommen habe, hat es nicht wirklich besser gemacht. Er hat natürlich schon am ersten Abend Freunde gefunden und war mit ihnen bis früh in den Morgen unterwegs ist. Selbstverständlich freue ich mich für ihn, er soll die Zeit an der Uni genießen, jedoch zeigt es mir nur wieder, wie gut meine Freunde ohne mich klarkommen. Ich dagegen bin schon froh, wenn ich den Tag überstehe ohne negativ aufzufallen. Ich atme tief ein und checke auf meinem Handy meine sozialen Netzwerke.

Als mein Wecker dann endlich klingelt, entschließe ich mich, aufzustehen und mich fertig zu machen. Nachdem ich geduscht habe, stehe ich in meinem Ankleidezimmer und schaue mir die große Anzahl an unterschiedlichen Kleidungsstücken an. Wie es sich für die Tochter des Inhabers eines Modeimperiums gehört, besitze ich eine beachtliche Anzahl an Kleidern, Schuhen und Taschen. Schon immer wurde darauf geachtet, dass ich stilvoll gekleidet bin und damit die Firma repräsentiere.

Ich weiß eigentlich immer zu welchem Anlass ich was tragen kann, aber jetzt schaue ich mich verzweifelt in dem großen Raum um. Ich schwanke zwischen einem lässig-schicken Outfit mit Jeans und Blazer und etwas mädchenhafterem, wie einem Kleid.

Nach langem Überlegen entscheide ich mich für eine schwarze Jeans und ein schlichtes weißes T-Shirt. Darüber ziehe ich einen grauen langgeschnitten Blazer an. Der Look wird durch weiße Gucci-Sneaker und einem Hermès-Gürtel abgerundet.

Als ich komplett geschminkt mit gestylten Haaren vor dem Spiegel stehe, bin ich zwar nicht ganz so zufrieden mit meinem Erscheinungsbild, aber so werde ich bestimmt nicht negativ auffallen.

Ich streiche meinen Blazer glatt bevor ich nach unten gehe, um zu frühstücken. Pierre hat mir ein Omelett gemacht, welches ich genieße, während ich mit meinem Vater rede. Dieser hat schon gegessen und blättert gerade noch die Zeitung durch. Eigentlich wäre er schon auf der Arbeit, aber für meinen ersten Tag bleibt er etwas länger zuhause. Er weiß genau, wie nervös ich heute bin, weshalb er versucht, mich mit banalen Geschehnissen aus der Firma abzulenken. Es gelingt ihm mehr oder weniger, jedoch bin ich ihm dankbar für diesen Versuch.

Nachdem sich Dad versichert hat, dass ich den Tag auch wirklich überstehe, verabschiedet er sich von mir. Ich esse in Ruhe zu Ende, dann schnappe ich mir meine Tasche, verabschiede mich von Pierre, und verlasse das Haus nachdem ich noch einen letzten Blick in den Spiegel geworfen habe.

Wie immer steht Jones schon bereit, sodass wir uns direkt auf den Weg machen können. Meine Unsicherheit steigt proportional zu der Strecke, die wir hinter uns legen. Ich versuche, ruhig ein- und auszuatmen, was mir aber nicht hundertprozentig gelingt. Meine Gedanken überschlagen sich. Ich lege mir Sätze und Themen zurecht, die ich sagen und über die ich sprechen könnte, ich aber sicher niemals benötigen werde. Warum sollte ich auch mit jemanden über klassische, englische Literatur reden oder jemanden mit dem Satz 'Was für ein schönes Wetter, oder?' ansprechen? Immerhin regnet es. Ich sollte meine Überlegungen wenigstens den aktuellen Umständen anpassen.

Die Zeit im Auto vergeht viel zu schnell. Auch wenn ich heute Morgen gedacht habe, dass ich relativ bereit bin für diesen Tag, so hat sich diese Ansicht wieder geändert. Am liebsten würde ich Jones bitten, wieder umzudrehen, denn ein weiterer Tag der Vorbereitung würde mir guttun.

Allerdings würde ich ohne die Besichtigung wahrscheinlich keinen einzigen Vorlesungssaal finden. Abgesehen davon würde ich mich selbst in zwei Wochen nicht vorbereitet fühlen.

Like The Sea (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt