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Leo
„I've been wrong about a million times
But I got one thing right."
- Marshmello & Kane Brown
Ich höre wie Emma unsere Haustür lautstark zuknallt und frage mich, was hier gerade eigentlich passiert ist. Wütend trete ich gegen den Boxsack. Dass dieser Streit so eskaliert war nicht geplant. Scheiße. Entnervt laufe ich aus meinem Zimmer raus.
Im Wohnzimmer sehe ich Carly, die hinter der Küchentheke steht und mich vorwurfsvoll ansieht.
"Was ist? Willst du ihr nicht wieder hinterherrennen?", schnauze ich sie an. Immerhin ist sie diejenige, die Emma wieder zurückgeholt hat. Ohne sie wäre es nicht noch schlimmer geworden als es sowieso schon war.
"Nein, ich würde jetzt auch nicht wiederkommen wollen", sagt sie trocken. Sie hat recht, ich auch nicht. Trotzdem wünschte ich sie würde zurückkommen und wir könnten den Streit einfach aus der Welt räumen.
"Du hast es verkackt, Leo", drückt sie noch hinterher. Als wüsste ich das nicht.
"Halt den Mund, Carly. Ernsthaft. Das hilft mir gerade wirklich nicht weiter."
"Ein bisschen gesunder Menschenverstand würde dir schon helfen. Was hat dich dazu gebracht, ihr zu sagen, dass es ihr nur ums Geld geht?"
"Das habe ich so nicht gesagt", keife ich sie an.
"Aber gemeint." Sie erhebt sich von ihrem Platz, schnappt sich ihre Tasche und läuft an mir vorbei. "Naja, ich muss jetzt los. Du kommst ja nicht mit, oder?"
Ich gebe ihr keine Antwort, sondern gehe einfach in mein Zimmer und schlage die Tür zu. Ich schlage wieder und wieder auf den verdammten Boxsack ein, aber meine Wut verraucht einfach nicht. Ich bin auf alles und jeden wütend, aber vor allem gerade auf mich selbst. Ich hätte niemals gedacht, dass sie abhaut. Ehrlich gesagt war ich mir ziemlich sicher, dass sie nachgibt.
Einen Moment lang überlege ich, ob ich direkt zu ihr soll, aber ich weiß, dass das ganz sicher wieder nicht gutgehen würde, weshalb ich mich dazu entscheide laufen zu gehen. Ich muss diese negative Energie loswerden.
Ich ziehe mir meine Laufsachen an und ziehe die Wohnungstür lautstark hinter mir zu.
Ein kalter Wind schlägt mir entgegen und ich muss daran denken, wie Emma gerade allein durch die Kälte musste. Ob sie Jones angerufen hat?
Ich verbanne Emma aus meinen Gedanken und fange an zu laufen.
Die Anstrengung tut mir gut. Je mehr meine Muskeln anfangen zu brennen, desto klarer wird mein Kopf. Ich blende meine Umgebung komplett aus, renne schneller als je zuvor, aber es hilft nichts. So ein Mist. Mit jedem Meter werde ich wütender und wütender. Nicht auf Emma, sondern auf mich selbst. Ich habe es verkackt. Ich habe übertrieben und Dinge in diese Diskussion interpretiert, die überhaupt nicht dagewesen sind.
Das Laufen bringt einfach überhaupt nichts und, wenn ich denke, dass es nicht schlimmer werden kann, dann werde ich zuhause angekommen, etwas anderem belehrt. Ich habe meinen Haustürschlüssel in der Wohnung liegen lassen. Genervt trete ich gegen die Hauswand und setze mich dann vor die Haustür. Ich hoffe nur, dass Carly und Beth nicht ewig lang weg sind.
Bestimmt eine halbe Stunde sitze ich schon vor der Tür und je länger ich warte, desto präsenter wird Emma wieder vor meinem inneren Auge. Ich sehe ihr enttäuschtes Gesicht vor mir, die blauen Augen, die vor Tränen geglänzt haben. Als sie gegangen ist, war davon jedoch nichts mehr zu sehen. Ihr Blick war kalt und abweisend.
"Wartest du auf jemanden?" Vor mir steht ein dunkelhaariges Mädchen, welches mich offen anlächelt. Sie wohnt unter uns, das weiß ich, aber ihr Name ist mir entfallen. Sie ist attraktiv, keine Frage, aber das interessiert mich gerade selten wenig.
"Ich habe meinen Schlüssel vergessen und muss auf meine Mitbewohnerin warten", erkläre ich ihr und habe das Gefühl, ihr Lächeln wird direkt noch ein wenig breiter.
"Wenn du magst kannst du auf einen Kaffee mit reinkommen", schlägt sie mir vor. Ich bin nicht wirklich begeistert von der Idee, da mir aber nicht wirklich was anderes übrigbleibt, nehme ich das Angebot an und folge ihr in ihre Wohnung.
Sie ist genauso geschnitten wie unsere, jedoch ist das eindeutig eine Frauenwohnung. Überall hängen Bilder, Kerzen sind gefühlt auf jeder freien Ecke der Wohnung verteilt und mir kommt ein süßlicher Geruch entgegen, den ich nicht zuordnen kann.
"Setz dich doch aufs Sofa." Während ich das mache, geht sie zur Küche. Als sie zurückkommt setzt sie sich auffällig nah an mich und drückt ihr üppiges Dekolletee in meine Richtung. Ich dagegen versuche besonders unauffällig ein Stück von ihr wegzurücken, ich werde das Emma ganz sicher nicht antun, da kann sie sich noch so aufreizend vor mich setzen. Andererseits weiß ich auch nicht, ob ich das mit Emma wieder eingerenkt bekomme...
„Und du wohnst mit deiner Freundin über mir?"
„Nein, nur meine Mitbewohnerin", stelle ich klar. Ich weiß nicht, ob ich es mir nur einbilde aber ich glaube ihr Lächeln wird noch ein wenig breiter.
„Ich bin übrigens Ashley und wie heißt du?"
„Leo", gebe ich knapp zurück, ich frage mich worauf das hier hinausläuft. Ich mein, sie macht mich ziemlich offensichtlich an.
„Es freut mich, dich kennenzulernen. Ich habe dich schon öfter hier gesehen", erklärt sie und fährt fort als ich ihr darauf nicht antworte. „Studierst oder arbeitest du hier? Du kommst aus Amerika, oder?"
„Beides, ich studiere an der Uni und arbeite nebenbei in einer Bar hier in der Nähe." Ihre zweite Frage beantworte ich nicht. Es ist unüberhörbar, dass mein Akzent nicht vornehm britisch ist.
„Ach wirklich? In welcher denn?"
„Im Riff", sage ich und bereue es sofort. Nicht dass sie demnächst ständig in der Bar rumhängt.
„Kenn ich nicht, aber wenn da so heiße Typen wie du arbeiten, sollte ich da unbedingt mal vorbeischauen." Ihr offensichtliches Geflirte ist mehr als schrecklich. Mein Blick wandert runter zu ihrer Oberweite und wieder hoch zu ihren Lippen. Emmas sind schöner, ist der Satz, der mir durch den Kopf schießt.
Ashley beugt sich langsam zu mir rüber. Sie drückt mir ihre Lippen auf den Mund und ihre Hände wandern meinen Körper hinunter. Einen Moment bewege ich mich nicht und es fühlt sich falsch an. Wenn das mit Emma jedoch so oder so nichts mehr wird, ist es vielleicht genau das, was ich brauche. Ablenkung.

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Like The Sea (Band 1)
RomanceEmma ist reich, klug und gutaussehend. In einer Welt aufgewachsen, in der Reichtum und das Auftreten die größte Rolle spielen, versucht sie immer, selbstbewusst und unfehlbar zu wirken. Niemand soll wissen, wie sehr sie eigentlich an sich selbst zwe...