14
Leo
"Only thing that I can't afford is to lose myself
Tryna be somebody."
- The Chainsmokers
Schon bevor ich die Wohnung betrete, höre ich das laute Dröhnen des Fernsehers. Das kann nur eins bedeuten: Carly hat Liebeskummer. Dass sie sich dann in einer Decke eingewickelt vor den Fernseher setzt und lautstark Actionfilme guckt, bin ich mittlerweile gewohnt. Ich bin einfach nur froh, dass sie sich dann keine Schnulze reinzieht und dadurch noch mehr in Selbstmitleid versinkt.
Ich lasse mich neben sie auf unser großes Sofa fallen und suche die Fernbedienung, um den Ton leiser zu stellen.
"Möchtest du drüber reden?", frage ich sie und blicke in ihre geröteten Augen.
"Nein", schnieft sie. Sie nimmt mir die Fernbedienung aus der Hand und dreht den Ton wieder lauter. Ich akzeptiere das. Sie weiß, wenn sie wirklich etwas loswerden möchte, bin ich für sie da.
Carly ist in den letzten zwei Jahren zu einer wirklich guten Freundin von mir geworden. Ich habe sie in der ersten Woche in London kennengelernt, als ich gerade nach einer Wohnung gesucht habe. Sie war sozusagen meine Rettung. Ohne sie hätte ich wahrscheinlich noch länger in diesem schrecklich heruntergekommenen Hotel wohnen müssen. In London ist es nämlich gar nicht so leicht, in kurzer Zeit eine Wohnung zu finden. Außerdem hat sie mir tatkräftig bei der Arbeitssuche geholfen.
Carly ist toll. Sie ist offen, tough und immer für einen Spaß zu haben, aber wenn es um Bethany, ihre Freundin, geht, ist sie ganz anders. Sie sagt nicht ihre Meinung und lässt sich alles von ihr gefallen. Keine Ahnung, was in ihrem Kopf passiert, wenn es um ihre Beziehung geht. Bethany und Carly können nicht miteinander und nicht ohne einander und trennen sich deshalb in regelmäßigen Abständen.
Eine Zeitlang verfolge ich den Film, jedoch schweifen meine Gedanken schnell ab. Es ist niemand anderes als Emma, die sich ungewollt in meine Gedanken schiebt. Seit Freitag sehe ich ihre eisblauen Augen und ihr Lächeln immer wieder vor mir und ich hasse es.
Emma kommt aus einer Welt, die mir einfach zu oberflächlich ist. Alles dreht sich darum, wer das meiste Geld und die krassesten Autos hat. Die Menschen bilden sich ihre Meinung bevor sie einen kennengelernt haben und verurteilen Menschen, die nicht so viel Geld und schicke Klamotten haben wie sie selbst. Ich möchte mit dieser Welt wirklich nichts zu tun haben.
Trotzdem kann ich mich nicht von ihr fernhalten. Ich habe das Gefühl sie ist anders, versteckt sich hinter einer Maske, die ihr aufgezwungen wird, um immer perfekt zu wirken und bloß keine Schwäche zu zeigen. Ihre Zurückhaltung lässt sie arrogant wirken, doch ich habe schnell durchschaut, dass sie einfach nur unsicher ist. Und genau das macht sie für mich so interessant.
Ich versuche, mich immer wieder dran zu erinnern, dass ich mich von Emma fernhalten sollte. Das ist nicht meine Welt und ganz egal, wie es weitergeht, es wird nicht gutgehen.
Ich hätte es einfach dabei belassen sollen, dass Emma mir aus dem Weg gehen möchte. Dann müsste ich auch nicht an ihr verlegenes Lächeln denken und daran, wie ihr Atem stockt, wenn ich ihr näherkomme. Verdammt. Ich muss dieses Mädchen aus meinem Kopf bekommen.
Da meine Gedanken meistens durch Sport wieder aufklaren und mich auf die wirklich wichtigen Dinge fokussieren lassen, verschwinde ich in meinem Zimmer. Carly ist mittlerweile eingeschlafen und hoffentlich wieder besser drauf, wenn sie aufwacht.
Ich wechsele meine Jeans zu einer Jogginghose, mein T-Shirt lasse ich an. Dann hole ich den Boxsack aus der Ecke neben meinem Kleiderschrank und hänge ihn an den Haken an meiner Decke. Um ihn dauerhaft hängen zu lassen, ist das Zimmer einfach zu klein. Ich mache mich kurz mit ein paar lockeren Übungen warm, anschließend ziehe ich mir die Boxhandschuhe an und schlage mit harten Hieben auf den Boxsack ein.
![](https://img.wattpad.com/cover/197496262-288-k171547.jpg)
DU LIEST GERADE
Like The Sea (Band 1)
RomanceEmma ist reich, klug und gutaussehend. In einer Welt aufgewachsen, in der Reichtum und das Auftreten die größte Rolle spielen, versucht sie immer, selbstbewusst und unfehlbar zu wirken. Niemand soll wissen, wie sehr sie eigentlich an sich selbst zwe...