Kapitel 28

184 12 4
                                    

28

Leo

„Now I know I'm falling in deep

'Cause I need you here with me."

- Marshmello feat. CHVRCHES

"Dich hat es ja richtig erwischt." Carly steht plötzlich hinter mir und starrt mich mit einem Grinsen an, für welches ich ihr am Liebsten irgendwas ins Gesicht werfen würde. Sie hat doch keine Ahnung. Am besten soll sie sich um ihren eigenen Kram kümmern. Um ihre merkwürdige Beziehung mit ihrer merkwürdigen Freundin zum Beispiel. Mir ist aufgefallen, dass Bethany diese Woche noch kein einziges Mal hier war und falls sie nicht auf die glorreiche Idee gekommen sind, ihre Beziehung in Bethanys Wohnung auszuleben, dann haben sie mal wieder eine von ihren zahlreichen Beziehungspausen eingelegt. Dafür ist Carly aber eigentlich viel zu entspannt.

Als guter Freund und Mitbewohner sollte ich sie vielleicht einfach drauf ansprechen, aber dass sie gerade im ungünstigsten Moment in die Wohnung gekommen ist, stört mich erheblich. Sie beweist in letzter Zeit wirklich unglaublich schlechtes Timing.

Die Aussicht auf einen Abend mit Emilia, ihrem melodischen Lachen, gutem Essen und voraussichtlich bombastischem Sex waren zu gut, als dass ich mich jetzt mit nichts von dem zufriedengeben könnte. Ob sie so plötzlich gehen wollte wegen meiner Reaktion auf die Nachricht auf meinem Handy?

Nachdem ich viel zu lange auf einer Stelle stand und Carly sicher mit einem Todesblick angesehen habe, weil sie so eine Behauptung aufstellt, rausche ich an ihr vorbei.

Ok, ganz ehrlich, mich hat es erwischt. Wenn ich nur den Hauch von einem kranken Stalker in mir hätte, würde ich ihr folgen und mir genau ansehen, was sie den Rest des verdammten Tages noch so macht.

In meinem Zimmer werfe ich mich rücklings aufs Bett und starre die Decke an. Sowie ich auch nur darüber nachdenke, wie lange es noch dauert bis ich Emilia wiedersehe – es sind sechzehn Stunden -, könnte ich mich dafür selbst schlagen. Ich bin verrückt, vollkommen verrückt. Ich weiß genau, dass ich das alles eigentlich nicht möchte. Ich möchte sie nicht so begehrenswert finden und nicht das Bedürfnis haben, sie ständig um mich zu haben, denn ich weiß genau, dass ich es irgendwann bereuen werde.

Egal wie liebenswert Emilia ist, ihr Umfeld ist nicht meine Welt und ich sicher nur ein spannendes Abenteuer, denn am Ende gesellt sich gleich und gleich nun mal gern. Sie wird sich einen reichen Typen suchen, womit ich vollkommen einverstanden wäre, denn diese Welt ist wirklich nichts für mich. Aber dieses dümmliche Grinsen auf meinem Gesicht, was immer erscheint, wenn ich an sie denke, hält mich davon ab, mit diesem Gedanken einverstanden zu sein.

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich jetzt doch wie ein kranker Stalker anhöre: Am liebsten hätte ich sie ganz für mich allein. Dafür, dass ich Emilia erst seit ein paar Wochen kenne, denke ich eindeutig zu viel an sie. Mittlerweile weiß ich, dass sie nicht so ist, wie ich bei unserem ersten Zusammentreffen dachte und ich hasse mich dafür, dass ich so vorschnell geurteilt habe. Bin ich damit nicht genauso wie ich dachte wie sie sei?

Fuck. Ich muss jetzt wirklich an was anderes denken, sonst werde ich noch verrückt.

Ich streife mir gerade ein T-Shirt über als mein Blick auf das Handy fällt, welches schon auf dem Bett liegt. Stöhnend greife ich danach. Dieses blöde Ding hatte Emma und mich vorhin unterbrochen. Spencer, dieser Mistkerl.

Spencer an Leo (19:53)

Komme dich nächste Woche besuchen, ob du willst oder nicht.

Scheiße.

Leo an Spencer (20:16)

Was verschafft mir die Ehre?

Normalerweise würde ich mich wirklich über einen Besuch von Spencer freuen, aber das ist wirklich ein unpassender Zeitpunkt.

Ich möchte Spencer und Emilia ungern einander vorstellen.

Spencer an Leo (20:18)

Man hört überhaupt nichts mehr von dir. Da dachte ich mir, ich komme einfach mal rüber geflogen.

Ich lasse mich wieder rückwärts auf mein Bett fallen.

Leo an Spencer (20:19)

Tu, was du nicht lassen kannst.

Ich werfe das Handy weg und seufze. Spencer, diese Nervensäge. Meine Gedanken werden abgelenkt, als es an der Tür klopft. Ich springe auf in der Hoffnung, dass Emma es sich doch anders überlegt hat. Doch es ist nur Carly. Natürlich.

"Hey, ich wollte dich nicht verärgern. Aber darf ich mir was zu essen aus dem Topf nehmen?"

Ich zucke mit den Schultern.

"Ich mache uns auch ein kühles Bier aus dem Kühlschrank auf und wir gucken einen Film deiner Wahl, Deal?"

Ich grinse Carly an, das ist tatsächlich eine gute Idee.

"Deal. Aber keine blöden Kommentare mehr", warne ich sie.

Sie salutiert und sagt lachend: "Jawohl Sir!"

Carly ist aus meinem Türrahmen verschwunden und auf dem Weg zum Kühlschrank. Wenn es um Bier geht ist sie immer schnell dabei.

Ich folge ihr ins Wohnzimmer und lasse mich wieder auf das Sofa fallen, auf dem ich vor wenigen Minuten noch mit Emma gesessen hatte. Kurz kommt es mir vor als hätte ich ihren Duft in der Nase. Vielleicht sollte ich ihr gleich mal schreiben.

Like The Sea (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt