Kapitel 25

169 18 2
                                    

25

Leo

„Met a lot of people

But nobody feels like you."

- Ali Gatie

Genervt davon, dass Carly mich und Emma unterbrochen hat, gehe ich auf sie zu.

„Was willst du?", frage ich sie etwas unfreundlicher als geplant. Es liegt nicht an ihr persönlich, aber Carlys Timing ist manchmal einfach miserabel.

„Was ist denn schon wieder mit dir los?", fragt sie, doch im nächsten sehe ich wie ihr Blick über meine Schulter zu Emma wandert. „Ah, ich verstehe. Ich mache schnell, dann kannst du dich wieder Emma widmen. Ich habe meinen Schlüssel vergessen und brauche deinen."

„Schon wieder?", frage ich sie genervt. Aber um mich nicht lange mit ihr aufzuhalten, ziehe ich den Haustürschlüssel aus meiner Hosentasche und gebe ihn ihr.

„Aber leg ihn unter die Matte, sonst komme ich wieder nicht rein."
„Wird gemacht Chef", sagt sie und grinst dabei, sodass ich innerlich aufstöhne. Bestimmt vergisst sie es eh. „So, ich will dich dann auch nicht weiterstören, viel Spaß mit Emma." Sie blickt mit vielsagendem Blick an die Stelle, wo ich sie vermute.

„Danke", sage ich grimmig und drehe mich wieder um. Doch Emma ist nicht mehr da. Sie sitzt wieder in der Sitzgruppe bei ihren Freunden und lacht über etwas, das jemand von ihnen gesagt hat. Als sich gerade ein Lächeln auf mein Gesicht schleicht, weil sie so unbeschwert wirkt, bemerke ich einen wütenden Blick am Rande meines Gesichtsfeldes. Es ist Jesse, der mich grimmig ansieht.

Klar, schließlich steht er von Anfang an auf sie. Trotzdem soll er sich nicht so anstellen. Immerhin kann ich nichts dafür, dass sie einfach nicht von ihm möchte. Ich wende mich also von ihm ab und gehe wieder zur Bar, um Jake wieder unter die Arme zu greifen. Der Arme hat schon einen sehr roten Gesichtston.

Lange kann ich ihm allerdings nicht helfen, weil Jesse am Rand des Tresens auftaucht und mich mit verschränkten Armen ansieht. Ich stöhne genervt auf. Dafür habe ich einfach keine Zeit. Und auch keine Lust, wenn ich ehrlich bin.

„Hey Mann, hast du mal kurz?"

Widerwillig begebe ich mich zu ihm.

„Aber nur kurz", sage ich knapp, um direkt deutlich zu machen, dass er mir hier keine Szene machen soll. „Was gibt's?"

„Du weißt doch genau, was ich von dir will." Er fängt jetzt also tatsächlich mit dem Scheiß an.

„Red Klartext, Jesse."

„Halt dich von Emma fern."

„Ich soll was?" Belustigt sehe ich ihn an. Als könnte er mir irgendwas vorschreiben.

„Du hast mich schon verstanden. Du weißt, ich steh auf sie."

„Und deshalb hast du ein Alleinrecht auf sie? Hast du sie dazu auch schon mal befragt?" Glaubte er wirklich, er könnte hier irgendwelche Besitzansprüche stellen?

„Deswegen hast du auch behauptet, ich würde nur wieder einen Korb bekommen. War das etwa dein Plan, um dich an sie ran zu machen? Sie mir auszuspannen?" Bei diesen Worten kann ich ein Lachen nicht mehr zurückzuhalten.

„Meinst du das ernst? Du weißt, dass sie auch ein eigenständiger Mensch ist. Sie hat das ganz alleine entschieden." Jesse baut sich etwas vor mir auf und ich bin mir nicht sicher, ob er sich jetzt hier in der Bar mit mir schlagen möchte oder ob er nur versucht, mich einzuschüchtern. Netter Versuch.

„Ich hatte ja gar keine Chance!"

„Jesse, jetzt mach da doch keine große Sache raus, ich habe dir doch nicht die Freundin ausgespannt." Jesse funkelt mich an und ich sehe wie er überlegt, was er als Nächstes sagt. Dass er überhaupt ein Drama daraus macht. Als er mir gesagt hat, dass er was von Emma möchte, war der Zug schon längst abgefahren. Sicher könnte ich ihm das sagen, dann würde er endlich den Mund halten, aber es geht ihn einfach nichts an.

„Du wirst schon noch sehen, was du davon hast", knurrt Jesse mich geradezu an und mir fällt es echt schwer, mein Lachen zu unterdrücken. Er macht sich hier gerade vollkommen lächerlich.

„Ist das so? Meinst du nicht, du solltest es sein lassen? Immerhin ist es ihre Entscheidung und mit dir wollte sie nun mal nicht ausgehen."

Jesses Blick wird immer dunkler, er ist kurz davor, dass ihm der Kragen platzt. Natürlich ist es ziemlich scheiße von mir, ihn darauf hinzuweisen, dass sie halt nichts von ihm möchte. Jesse ist schließlich mein Freund und eigentlich hätte ich gar keine Lust, mich um ein Mädchen zu streiten. Aber es ist Emma.

„Du wirst es irgendwann vermasseln, Leo. Sie ist einfach zu gut für dich."

„Du kennst sie kaum. Als ob du das beurteilen könntest." Aber er hat Recht. Mein Blick geht an Jesse vorbei und bleibt an Emma hängen. Ihre blauen Augen sind auf uns gerichtet, die Stirn ist gerunzelt. Sie muss merken, dass wir diskutieren und sicher auch, dass es um sie geht. Ich schlucke schwer. Sie ist auf jeden Fall zu gut für mich.

„Du kannst mich mal, Leo", brummt Jesse dann und geht weg wie ein beleidigtes Kind. Mir soll es recht sein, schließlich muss ich arbeiten und habe echt keine Zeit für diesen Kindergarten.

Ich bediene weiter die Gäste und mixe die Getränke, während von Emma und den anderen immer wieder ein lautes Lachen zu mir rüber schallt. Sie so glücklich zu sehen löst ein ungewohntes, friedliches Gefühl in mir aus. Dieses Mädchen hat die letzten Wochen mehr als genug durchgemacht und ich bin absolut nicht unschuldig daran. Umso zufriedener bin ich, dass das Wochenende so perfekt verlaufen ist. Ich hätte nicht gedacht, dass sie mir das mit Sarah so schnell verzeiht, aber ich weiß auch, dass ich nicht aufgegeben hätte. Nicht, wenn ich sie ständig vor mir sehe, wie sie sich auf die Unterlippe beißt und mich unschuldig anblickt. In meinem Träumen spüre ich ihre weiche Haut unter meinen Fingern, ich höre ihr melodisches Lächeln als wäre sie direkt bei mir. Dieses Mädchen ist so anders als ich anfangs gedacht habe. So viel unsicherer, zurückhaltender und liebevoller. Ich wäre blöd gewesen, hätte ich sie so einfach gehen lassen. 

Like The Sea (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt