Kapitel 18

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Es war kühl und feucht an meinen Füßen und sobald ich meine Augen öffnete, erblickte ich einen Baum nach dem anderen. Es war still, nur das Rauschen der Blätter im Wind war zu hören und die Sonne schien durch die Baumwipfel und Kronen und legte Schatten auf mich. Es war wunderschön und ich genoss das Vogelgezwitscher des Morgens. Langsam und bedachte lief ich über das Moos und kam zu einem Flusslauf, an dem ein dicker Wolf vom Wasser trank. Wie aus dem nichts erschien neben dem Wolf eine bildhübsche junge Frau mit braunen Haare, weißer Leinen Kleidung und mit Pfeil und Bogen auf dem Rücken. Sie strahlte eine solche Macht aus, die ich bei noch niemanden sonst je gespürt habe. Die Frau streichelte den Wolf hinter den Ohren, wobei sich das Tier in ihre Hand schmiegte. „Trete ruhig näher!" Ohne das sie aufsah, rief sie mich zu sich und vorsichtig trat ich näher an sie heran. Es war komisch wie ruhig ich doch war, obwohl ich mich einem Raubtier näherte. „Wer sind sie? Kennen wir uns?" Fragte ich verwirrt und starrte sie immer noch an. „Das wirst du noch früh genug herausfinden. Doch heute geht es nicht um mich! Es geht um dich!" Ich kannte ihre Stimme, doch nur woher? „Um mich? Was habe ich denn hiermit zu tun?" Ich verstand gar nichts mehr, doch anstatt das sie darauf einging, erzählte sie ohne auf mich zu achten weiter. „Weißt du, im Leben gibt es viel Schlimmes. Dir ist viel schlimmes widerfahren und du hast selbst die Grausamkeit und Hinterhältigkeit der Menschen gesehen. Das war nicht der Sinn der Schöpfung! Loyalität, Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit sollte eigentlich die Geschöpfe jeder Erde ausmachen, doch Arroganz, Gier und das Verlangen nach Macht verdarb alle Beziehungen und die Götter änderten dies indem sie einem jeden Arcani ein Beschützertier an die Seite stellten." „Ähm, wie bitte?" „Ich bevorzuge die Gesellschaft von Wölfen, wie diese hier. Sie ist trächtig und ich habe im Gefühl das deine besondere Beziehung hier bald entstehen wird." Sie streichelte den Wolf unaufhörlich aber plötzlich sah sie auf und ihre grauen Augen schienen sich in meine zu durchbohren. „Dein Leben wird sich radikal ändern, doch hab keine Angst davor. Das Leben beinhaltet so viele Facetten also lebe nicht in der Vergangenheit oder in der Trauer, sondern genieße das hier und jetzt. Aber wenn du nicht von der Vergangenheit ablassen kannst, dann sind Wörter wohl die beste Lösung um aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen." Der Wolf verschwand in Nebelschwaden wie auch die Namenlose Schönheit, doch ihre Augen vergaß ich so schnell nicht. Ich war gefangen im Nebel und bekam keinerlei antworten auf die kryptischen Worte der Frau, bis ich in meinem Bett aufschreckte.

Ich schlurfte ins Bad und machte mich fertig, aber den Blick in den Spiegel wollte ich nicht riskieren, denn ich wusste was ich sehen würde. Tiefe dunkle Augenringe, die alles andere überstrahlten, in einem fahlen Gesicht mit matten blauen Augen. Ich war ausgelaugt von den letzten drei Wochen und mein Herz blutete seit dem Tag von Beatrice Tod immer mehr und auch wenn ich versuchte mich mit Sport oder dem Aufholen vom Unterrichtsstoff abzulenken, der Schmerz blieb, dazu kam aber Schlafmangel oder dann doch Albträume in denen ich sie jedes Mal sterben sah und mich, wie ich den Mann - ihren Mörder - tötete. Ellie fragte schon die ganze Zeit was nur mit mir los sei und ewig kann ich ihr nichts mehr vorspielen, deswegen will ich es ihr heute sagen. Jemand anderen gab es in meinem Leben hier auf Elima nicht. Und deshalb stand ich nun am frühen Morgen vor Ellies Tür und klopfte daran um sie zum Wochenendfrühstück abzuholen will. Ein lautes Stöhnen und ein Geräusch was sich anhörte als wäre jemand aus dem Bett gefallen, waren die Antwort. „Wer stört um solch eine unmenschliche Zeit?" Die Tür wurde geöffnet und eine mürrische Ellie mit verstrubbelten Haaren und verrutschter Schlafmaske kam in dem Türspalt zum Vorschein und starrte mich in den Boden. „Pippa! Bist du aus dem Bett gefallen oder hast dich verirrt, denn anders kann ich mir nicht erklären, wieso du hier bei mir sein solltest." Knurrte sie und lief wieder zu ihrem Bett, während ich eintrat. Vielleicht sollte ich erwähnen, dass Ellie nichts von meinem „Frühstücks-Plan" wusste und ein Morgenmuffel war. „Ich dachte, wir könnten zusammen frühstücken." Ich strahlte sie an im Versuch die Stimmung zu verbessern, doch Ellie zog einfach nur die Bettdecke über ihren Kopf und grummelte. „Es ist Wochenende! Ich könnte jetzt ausschlafen! Meine fantastischen Träume genießen und alles. Mir stand heute eigentlich eher der Wunsch nach einem langen Ausschlafen!" Motzte sie, aber ich gab nicht Kleinbei. „Bitte, Ellie. Jetzt bist du doch eh schon wach und kannst mit mir essen gehen!" Ich hatte recht und das wusste auch Ellie und so lief sie murrend und fluchend ins Bad und machte sich fertig und das gab mir die Zeit ihr Zimmer zu erkunden. Ich war noch nie hier oben, aber genau so habe ich mir ihr Zimmer vorgestellt. Bunte Wände mit Bildern strahlte mir entgegen, Seile waren kreuz und quer durch das Zimmer gespannt, wo Kleidung hing, sowie am Boden herum lag und lose Blätter flatterten am Boden zusammen mit Stiften umher. Trotz des Chaos spiegelte dies perfekt ihre Persönlichkeit wieder. Alles bunt, alles chaotisch, typisch Ellie. Doch etwas irritierte mich, denn ein kleiner Baumstamm stand in der Nähe des Fensters und war überraschenderweise ziemlich ordentlich und eine schneeweiße Eule saß dort drauf. Langsam näherte ich mich ihr, streichelte ihr vorsichtig übers Gefieder und sie fing an zu Gurren. „Wie ich sehe hast du Henry kennengelernt. Hey, Kleiner!" Ellie kam wie aus dem Nichts angezogen aus dem Bad und streichelte nun liebevoll ihrerseits Henry, wahrscheinlich ihr Schutztier. „Henry, Pippa. Pippa, Henry." Stellte sie uns vor und meinte nach einer kurzen, stillen Unterhaltung mit der Eule, dass wir nun gehen können. „Was war das denn eben in deinem Zimmer?" Fragte ich sie aus, als wir schon über den Campus gingen, denn ich verstand dieses Starren meiner Freundin auf ihr Schutztier nicht so recht. „Ich kann doch mit Tieren reden. Eine meiner Fähigkeiten." Stimmt, da war was. Wir holten uns in der Menschen verlassenen Cafeteria unser Frühstück und fingen an zu essen, doch was mir auf der Seele brannte, verdarb jegliche Freude am Essen. „Man kann das ja kaum mit ansehen wie du dein Essen massakrierst. Also was ist los?" Fragte sie prompt. Also schluckte ich hart und fing dann an zu erzählen. „Ich hab dir doch erzählt, wie ich hier her kam... Alexander, Philipp und Robyn haben mich nicht nur einfach auf der Straße aufgesammelt." „Wie jetzt?" „Ich hatte ein paar Probleme auf der Erde. Seit meinem Geburtstag liefen komische Sachen bei mir ab. Ich wurde verfolgt, beinahe überfahren und bin Mördern entwischt und immer wieder haben mich die drei gerettet und mir dann offenbart, dass ich eine Arcani bin. Ich wusste nichts davon, meine Eltern waren tot und von meiner Tante hätte ich das nie gedacht. Meine Tante opferte sich für mich, als mich jemand umbringen wollte und starb deshalb. Ich weiß nicht warum, aber anscheinend ist jeder Mensch gegen mich. Erst in der Schule unsichtbar, dann wurde ich verfolgt und war in einem Rampenlicht, was ich nie wollte und hier bin ich das erste Mal normal. Seit ich aber nun auf Elima bin, habe ich nie wirklich die Zeit gefunden zu trauern. Es ging alles so schnell und da ist soviel Neues gewesen, dass ich nicht weiß wo mir der Kopf steht. Jetzt aber in den letzten Tagen belastet es mich mehr als es sollte und ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll! Meine Tante ist weg für immer und mir ist nichts von ihr geblieben!" Ich schluckte hart und wollte hier nicht in Tränen ausbrechen, doch das war schwerer als erwartet und ich war froh als mich Ellie ohne Worte in ihre Arme zog und tröstete. Ich konnte einfach weinen und als ich mich wieder im Griff hatte, meinte Ellie ebenfalls traurig, dass ich niemals alleine wäre und sie mir immer beistehen würde. „Dafür sind doch Freunde da!" Und diese Aussage ließ wieder die Tränen in mir aufsteigen, denn noch niemals konnte ich von mir behaupten das jemand - außer meiner Tante - für mich da war und gerade deshalb weinte ich wieder, denn Ellie hatte so viele Eigenschaften, die mich an Tante Beatrice erinnerten. Fröhlich, gutmütig und liebevoll, aber auch mal streng wenn es zu meinem besten ist. Ellie verstand sich blendend darauf, mich aus der Reserve zu locken und mich auf andere Gedanken zu bringen und genau das versuchte sie auch jetzt, als sie meinte, wir könnten ja in die Sporthalle gehen. „Also ich dachte mir, dass wir heute nochmal das Phänomen vom Waffenunterricht testen. Ob du wohl nochmal so schießen kannst?" Ellie forderte mich heraus und hatte somit das perfekte Mittel gefunden mich abzulenken.

Die Chroniken der Arcani - das GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt