Epilog

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Es war Jahre her, dass er seinen eigentlichen Namen gehört hatte und dann kommt dieses Mädchen zu ihm in den Laden und deckt sein bestgehütetes Geheimnis auf. Er war Meister Alfredo Ramsley. Ein Name, der er hoffte längst vergessen zu sein, aber dem war nicht so. 

Aber genauso wie sie ihn erkannt hatte, wusste er spätestens bei ihrem ersten Wettkampftag in Vallentia wer sie war. Nur warum erkannte kein anderer die offensichtlichen Ähnlichkeiten? Es gab hunderte, aber keinem fällt es auf? So viele Leute wie das Mädchen schon getroffen hatte und keiner hat es bemerkt... Das ist nicht möglich, also was hat Trice getan?

Ja, er wusste von Trice. Sie stand ebenfalls im Dienste des Königs, aber ihr Verschwinden hatte er niemals mit dem Mädchen in Verbindung gebracht.

Mit der Prinzessin von Artemia. Delia Dornewill.

Als er nun zu ihrem Wettkampf gegangen ist, war das nur pure Neugier. Sie erinnerte ihn an jemanden und damals hatte er nur einen Verdacht wer sie sein könnte. Als ehemaliger Lehrmeister bewunderte er Philippas Technik und ihr Talent, aber da war mehr. Es waren nicht nur ihre hellen Augen, die ihm damals als erstes an ihr aufgefallen waren, als sie in seinen Laden kam, sondern es war der ihm nur allzu bekannte Funke. Der Funke, der kälter und kälter wurde, das eisige Aufblitzen in ihren Augen. Er kannte es bereits. Nur bei Philippa war es um so viel stärker. Er stand ganz hinten, spähte nur zwischen den Tribünenrängen hindurch, doch selbst hier hinten konnte er die Wellen der Kälte spüren. Da wusste er eines gewiss: Sie konnte Eis bändigen, aber ohne Kontrolle. Sie müsste lernen es zu beherrschen, sonst würde es ihr nur schaden.

Er wusste das, aber er konnte ja nichts sagen, er war nicht mehr der ehemalige Meister der Königin, er war nur ein einfacher Buchhändler. Aber er musste ja gar nichts sagen, schließlich stand sie nur wenige Stunden später vor ihm und konfrontierte ihn mit seiner Vergangenheit.

Aber sobald Philippa gegangen war, kreiste wieder nur diese eine Frage in seinen Gedanken herum. Warum erkannte sie niemand? 

Und er kam nur zu einem Entschluss, den er sofort überprüfte, als die Tür hinter ihr zu viel und er diese auch zuschloss um ungestört. Er stand hinter der Theke seines Ladens, wo er sämtliche Dokumente, die er damals noch in die Hände bekam, lagerte.

Er war damals ein junger, wissbegieriger Idealist, der sein Leben einzig und allein der Wissenschaft widmen wollte. Ihn interessierte es als junger Mann brennend, neue Zauber zu entwickeln für die Naturmagie. Als Naturmagier fiel ihm das leicht, aber irgendwie kam er auf Umwege dazu auch an den Fähigkeiten herumzutüfteln. Er musste Monate lang experimentieren, bis er einen kleinen Erfolg verzeichnen konnte. Aber eines nachts kam ihm dann die zündende Idee.

Ihm kam die Idee eines Verschleierungszaubers, der es jedem Arcani ermöglichen sollte ungeachtet unter Menschen zu sein. Es war, als wäre man ein anderer Mensch, denn selbst die engsten Freunde und Familie würden einen nicht mehr erkennen können.

Er war so stolz auf sich, als er es dem König demonstrierte. Der König schien auch ziemlich interessiert daran zu sein, aber nun ja... er hatte andere Vorstellungen über den Einsatz des Elixiers. Er forderte mehr. Er forderte, dass dieser Verschleierungszauber jegliche Arcani-Fähigkeiten, selbst vom stärksten Arcani, unterdrücken sollte, sie überhaupt nicht erst ausbilden sollte und man beinahe schon wie ein Menschlein wäre. Meister Ramsley verstand nicht, warum ein König ausgerechnet das wollte, aber wer war er um seinen König zu hinterfragen? Ein Niemand und so setzte er sich an die gewünschten Verbesserungen. Ganze fünf Jahre dauerte es, bis er dieses Mal Erfolg hatte. Aber das Elixier hatte nie die gewünschte Dauer.

Ramsley glaubte es waren nur wenige Wochen vor dem Anschlag, da wurde der König ganz drängend und wütend, bei seinem wöchentlichen Bericht über seinen Forschungsstand. „Es sollte jetzt aber schon fertig sein!" Schrie er immer wieder und wieder und fuhr sich immer wieder durchs Haar.

Ramsley wollte ihn nicht enttäuschen und so setzte er sich Tag und Nacht hin und forschte, bis er ein zufrieden stellendes Ergebnis erhielt. Aber für einen großen Preis...

Die Fähigkeiten von jungen Arcanis reifen über die Jahre ihrer Entwicklung hin. Sie wachsen zeitgleich mit dem Charakter der Person. Aber der König wollte, dass die Fähigkeiten unterdrückt wären und so musste er zwangsläufig auch einen Teil der Persönlichkeit einem nehmen. Wie sich das äußern würde, wusste er nicht, er hatte keine Zeit für Tests. Er vermutete aber trotzdem, dass die Verschleierung andauern würde, bis die Fähigkeiten gänzlich ausgeprägt waren und das war mit ihrem 17. Geburtstag. Sobald er es dem König präsentierte, würde er es  ihm aus den Händen reißen und nur noch wissen wollen , wie es zu Hand haben war.

„Einfach schlucken." Viel dabei war nicht, aber die Nebenwirkungen, die er nicht einschätzen konnte. Das war das Risiko...  Er warnte auch den König vor diesen beträchtlichen Risiko, aber er hörte nicht wirklich auf ihn. "Ich habe keine Studien dazu!" „Es wird genügen. Das verschafft ihnen Zeit. Sie sind brillant, Meister Ramsley." Lobte der König ihn und er war entlassen. 

Es war nur Wochen vor dem Anschlag als er endlich diese Errungenschaft einfuhr und danach hatte er Ewigkeiten nicht mehr daran gedacht. Er wusste damals ja gar nicht von und für wen er diesen Zauber so schnell erschaffen musste! Aber jetzt...

Er hatte das Bild von Philippa und ihrer Tante gesehen, in dem Buch und dann war es ihm klar.

Der König gab seinen Zauber Trice, dem Kindermädchen, und sie muss mit der Prinzessin abgehauen sein - in die Menschenwelt. Nur das ergab Sinn. Und Philippa bekam das Mittel. Aber selbst wenn wäre es ein Ding der Unmöglichkeit für Trice gewesen eine Prinzessin, ein Kind aus einer der mächtigsten Familien, die es in ganz Luxant gibt, über 15 Jahre zu verstecken. Sie war eine Naturmagierin mit nur geringe Ausprägung, nicht mal mit all seinen Modifikationen dachte er, könnte sie es schaffen. Aber irgendwie musste sie es gemacht haben. Sonst wäre Philippa nie solange sicher und behütet gewesen. Trotzdem...

Er wusste nicht ob er stolz darauf sein sollte, dass sein Zauber so gut wirkte oder ob er sich schlecht fühlen sollte, weil er einem Kind seine Persönlichkeit nahm und es so die Hölle durchmachen musste. 

Die Schuld, die er über die letzten Jahre angehäuft hatte kam wieder über ihn. Es erstickte ihn beinahe, aber dann - nach einem kurzen Moment des Suhlen im Selbstmitleid - richtete er sich auf und fasste einen Plan. Er würde den armen Mädchen helfen und wenigstens sie vor dem Tod bewahren, wenn er schon nicht den König und seine Tochter davor retten konnte.

Eins wusste er jetzt nachdem er sie in Aktion erleben konnte und er auch ihre Verzweiflung, die Angst und den Schmerz in ihren Augen sehen konnte: Sie brauchte etwas, worauf sie sich stützen konnte, jemand der sie anleitete und das konnte nur er sein. Außerdem kannte sie sein Geheimnis. Viel zu verlieren hatte er nicht - sie schon.

Dachten die Menschen jetzt schon, dass ein Talent wie das von Philippa außergewöhnlich war und sie feierten, sollten sie erstmal darauf warten, wie gut sie wirklich ist, wenn er mit ihr fertig war. Sie wurde unterschätzt und wenn er, Meister Alfredo Ramsley, eines von ihrer Mutter gelehrt hat, dann das man wohl niemals eine Dornewill unterschätzen sollte. In den Frauen der Familie steckt immer mehr drin, als es den Anschein macht.

Also, willkommen zuhause Delia Dornewill. Prinzessin von Artemia.

Die Chroniken der Arcani - das GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt