Kapitel 27

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Die Tage vergingen wie im Flug. Albträume hatte ich keine, denn Alex, das Genie, mixte mir ein Schlafmittel zusammen, was die Erinnerungen in meinen Träumen nicht aufkommen ließ, nur leider gab es so was nicht für den Tag. Deshalb warf ich mich kopfüber in meine Arbeit. Nur wenn ich ständig beschäftigt war, dachte ich nicht an die Geschehnisse. Jede freie Minute verbrachte ich eigentlich in den Sporthallen, verbesserte mein Bogenschießen, versuchte an meinen Fähigkeiten weiter zu arbeiten und übte mich im Nahkampf. Denn etwas tief in mir war davon überzeugt, dass wenn ich besser gewesen wäre, Felian niemals eine Chance gegen mich gehabt hätte. Es war wie ein Schutzmechanismus, der etwas in mir betäubte und auch von den anderen Schülern abgrenzte. An sich fühlte sich alles plötzlich so komisch an. Als wäre meine ganze Welt verrutscht und käme nicht wieder ins Gleichgewicht. Lord Colton war sehr erstaunt als ich verbissen an den einzelnen Übungen feilte bis zur Perfektion, aber er schien es zu mögen, denn ich erreichte nun sogar einmal ein Lob von ihm. Aber seine Sympathien für mich ließ trotzdem zu wünschen übrig. Ich machte im Training viele Fortschritte, sowie beim Bogenschießen. Einzig und allein das Nahkampftraining ließ mich jedes Mal aufs Neue frustriert zurück. Ich kam irgendwie nicht voran und Adriane besiegte mich jedes einzelne Mal. Wenn ich nicht trainierte, saß ich in der Bibliothek, las über die einzelnen Fähigkeiten und wie man sich gegen sie schützen konnte - zum Beispiel gegen Gedanken Manipulation - oder suchte nach Antworten zu meiner Herkunft. Ich wusste inzwischen, dass es immer mal wieder Gesegnete der Götter gab. Das waren Arcani, die die Götter reicher beschenkten, aber nicht zu verwechseln mit deren Auserwählten. Die Gesegneten waren ganz normale, nichtadelige Arcani, wobei eine ihrer Fähigkeiten auf höchster Stufe ausgeprägt war. Aber eigentlich nur eine. Sprich, die Anzahl von zwei bis drei Fähigkeiten wurde nicht überschritten. Auserwählte standen in der Gunst eines ganz bestimmten Gottes, der ihnen ein zusätzliches Talent schenkte. Sie waren die einzige Verbindung, die die Arcani noch wirklich zu den Göttern hatten und sie waren sehr selten. Meistens ließen sich niedere Gottheiten auf diese Spielchen ein, aber von den großen 12 war zur Zeit nur vier oder fünf bekannt. Ich hab von einem Jungen aus einem anderen Königreich gelesen, der von Demeter auserwählt worden sein soll und er kann die Erde bändigen. Viel bekannt war darüber aber nicht. Aber meine Situation war dadurch nicht erklärt. Ich hatte alle meine drei Fähigkeiten auf Level 5, was eigentlich nur den höchsten Adelskreis vorbehalten war oder ich war eine Anomalie des Lebens. Egal wie, es blieb ein Rätsel und meine Tante war keine Hilfe. Nirgends in den Jahrbüchern oder in den Namenverzeichnissen fand ich den Namen Beatrice Allington. Es gab sie nicht. 

Manchmal leistete mir Ellie Gesellschaft in der Bibliothek, aber sie verstand meine Faszination für alte Schmöker nicht und ihre überkritischen Blicke regten mich auf, deshalb bat ich sie immer öfter, mich allein zu lassen, was sie auch immer ohne Murren machte. Heute aber bat sie mich um etwas: Ich sollte endlich mal wieder mit ihr in der Mittagspause zusammen essen gehen. In letzter Zeit setzte ich keinen Fuß in den Speisesaal, aus Angst vor den durchbohrenden Blicken und der Aufmerksamkeit die mir zu Teil wurde, seit Felian weg war. Ich hatte keinen wirklichen Hunger und holte mir meist nur eine trockene Scheibe Brot in unserem Wohnheim und verschwand dann wieder in meiner Bücherwelt, im Wald oder in den Hallen. Aber ich tat Ellie den Gefallen und machte mich nach meiner letzten Stunde des Vormittagsunterrichts auf zum Speisesaal. Ich hatte mein Tablett schon und steuerte Ellie an, die mir wild wank. „Hallo! Schön, dass du es einrichten konntest!" Meinte sie und ich wurde vorsichtig. Das klang nicht nach Ellie. Sie war ruhig, zu ruhig und das konnte nichts gutes bedeuten. „Klar." Erwiderte ich und zauberte ein Lächeln auf meine Lippen. „Wir haben uns eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr gesehen. Sag wie geht es dir?" „Ähm, wir hatten heute früh zusammen Giftkunde." Überlegte ich laut und Ellie schaute nur verlegen im Raum umher und murmelte ein „Ups, stimmt ja". Bevor sie noch was sagen konnte, stopfte sie sich den Mund voll und starrte an mir vorbei zu den Menschenmassen in meinem Rücken. Ich war zwar verwirrt, aber schob weiterhin konzentriert mein Essen von links nach rechts. Ein paar mal wagte ich einen Blick über meine Linke und Rechte Schulter, nur um tuschelnde Gruppen zu sehen, die abrupt ihre Gespräche abbrachen, als ich zu ihnen sah. Alle Menschen waren doch gleich! Gerade seufzte ich laut auf, als ich sah, wie Ellie ihre Augen weit aufriss und zwischen mir und etwas neben mir hin und her blickte. Ich wollte sie gerade fragen, was denn los wäre, da wurde ein Stuhl neben mir nach hinten geschoben und jemand setzte sich neben mich. „Hallihallo, ihr zwei Lieben! Es stört euch doch nicht, wenn wir uns setzen, oder?" strahlte uns Florence an und ich bestätigte dies nur mit einem einfachen, überforderten Nicken. Und so setzten sich Florence, Alex, Philipp, der Unbekannte und Robyn mit an unseren Tisch. Von überall aus der Mensa konnte man die argwöhnischen und neidischen Blicke auf uns ruhen spüren, da uns die Ehre zuteil wurde, mit den Prinzen zu speisen, doch das löste ein beklemmendes Gefühl in mir aus. Ich hatte sie alle nicht mehr gesehen, seit wir uns damals in Alex Zimmer voneinander verabschiedeten, was zum größten Teil an mir lag. Gedankenverloren starrte ich auf den Unbekannten. Er saß halt einfach plötzlich neben Ellie, die mir gegenüber saß und ich starrte Löcher durch ihn durch und merkte so auch gar nicht, wie er mir die Hand entgegen streckte und irgendwas sagte. Zu spät bemerkte ich das, erst als schon ein schiefes Lächeln seine Lippen zierte und ich nachfragen musste. „Ähm, Entschuldigung. Ich habe gerade nicht aufgepasst. Wie heißt du?" „Ich bin Christopher oder einfach nur Chris. Ich bin ein guter Freund der drei Spasten da neben dir. Schön dich endlich mal persönlich kennenzulernen!" Lachte er nur und verzieh mir so meinen Fauxpas. „Hey, ich heiße Pippa!" Immer noch gedankenlos erwiderte ich seinen Händedruck doch er schaute mich nur verschmitzt grinsend an. „Ich weiß! Ich hab schon sooo viel von dir gehört. Mir wären fast schon die Ohren abgefallen, so wurden sie voll gelabbert." Auch in meinem Gesicht bildete sich nun ein aufrichtiges Lächeln und ich folgte Chris Blick weiter zu Alex. „Was denn?" verteidigte sich dieser mürrisch und der ganze Tisch fing an zu lachen. „Ich hoffe Alex hat nur das Gute von mir preisgegeben!" scherzte ich. „Wie es gibt auch schlechte Seiten an dir? Na da bin ich aber mal gespannt!" stieg er mit ein und lenkte mich so gut ab. Eine Zeit lang sagte niemand etwas und Ellie neben mir schien sich auch wieder einigermaßen beruhigt zu haben - obwohl ich eigentlich vermutet hätte sie würde ausflippen wo sie doch endlich haut nah die Prinzen kennen lernte - auch wenn mir die Blicke, die alle Anwesenden miteinander austauschten nicht entgingen. „Pippa, es ist kein Zufall, dass wir heute hier alle zusammen essen." Erhob Alex nun das Wort. Ich erstarrte in der Bewegung und musterte alle Anwesenden, wobei Ellie beschämt auf den Boden guckte und sich Philipp und Robyn wohl weit weg wünschten. „Seit dem... Vorfall, bist du nicht mehr du selbst. Und der ist schon mehr als einen Monat her!" Ich schluckte die Essensbrocken herunter und legte mein Besteck beiseite um meine Arme ineinander zu verschränken. „Du bist so blass, ausgemergelt und ständig beschäftigt. Dann noch das ganze Training, deine Faszination für diese alten Büchern und das du manchmal wie vom Erdboden verschwindest." Die Worte die Alex nutzte konnten nicht ihm entspringen, denn etwas sehr ähnliches hatte Ellie erst kürzlich auch gesagt. In fast eins zu eins den selben Worte. Sofort schnellte mein Blick zu ihr und schuldbewusst senkte sie beschämt den Blick, während ich nur empört reagierte. „Du lässt Mahlzeiten sausen und und und. Ich erkenn dich gar nicht mehr wider! Wir machen uns alle Sorgen!" „Ellie!" Zischte ich wütend und schob meinen Stuhl zurück um aufzustehen, aber Alex hielt mich fest. „Wegrennen bringt dir nichts. Jetzt nicht und auch nicht in der Zukunft. Also hör verdammt nochmal auf, so ein Feigling zu sein und rede mit uns oder mir!" Das war die Falsche Wortwahl Freundchen! Und das war wohl auch seinen Verwandten klar, denn sie zogen nur geräuschvoll die Luft ein. „Wie hast du mich genannt?" „Was Alex eigentlich sagen wollte war, dass wir Angst haben, dass du daran zerbrichst! Felia-" versuchte Flori die Situation zu entschärfen, doch machte es nur noch schlimmer. „Sprich ja nicht seinen Namen aus!" Warnte ich sie und irgendwas ließ sie wirklich stocken. „Okay. Der Bastard hat jeden getäuscht und dich verletzt, aber alles in sich rein zu fressen, hilft nicht dabei zu verarbeiten. Du musst mit jemanden darüber reden und wenn es keiner von uns sein soll, besorgen wir dir einen Spezialisten, aber ein ausschweifendes Training kann dir nicht weiterhelfen!" beschwichtigte mich Flori, aber es war zu spät. Ich riss mich los und starrte auf alle nieder. „Mir geht es gut. Und ich werde mit keinen von euch Möchtegern Freunden über irgendwas reden, was eh nicht existiert. Ihr seid nicht meine Familie. Weder meine Mutter, mein Vater oder meine Tante, denn meine Familie ist tot. Also wagt es nicht mir irgendwelche Ratschläge zu erteilen." Erwiderte ich bemüht ruhig, aber die Wut sprach Bände. „Glaubst du, durch ein paar Pillchen und deinen leichtfertigen Aussagen ist die Vergangenheit einfach so vergessen?" Ich richtete meine Finger auf Alex und dachte immer wieder an seine Kommentare, dass ich dies oder das machen sollte, dann würde es mir besser gehen. „Oder glaubt ihr, dass wenn ich mich mit Belanglosigkeiten wie Shoppen oder so einen Scheiß beschäftige, dass es mir dann besser geht? Nein! Ihr wisst gar nichts über mich und erst recht wisst ihr nicht, wie es ist alles in seinem Leben zu verlieren." „Werd jetzt nicht unverschämt, Pippa. Wir wollen dir nur helfen!" Unterbrach mich Alex, jetzt auch schon eindeutig wütender. „Ich will eure scheiß Hilfe aber nicht, geht das nicht in eure Köpfe?!" Schrie ich auf und nun lag alle Aufmerksamkeit auf mir. Aber es war mir gleich. „Ich verbiete dir so mit mir zu reden! Ich bin immer noch dein Prinz und du solltest mir Respekt erweisen! Hätte ich das gewusst, dann..." Auch Alex sprang nun auf und sah mich mit glitzernder Wut in den Augen an, aber mit dem Gesagten ließ er alles nur eskalieren. Er wollte so spielen? Na gut. „Was dann? Dann hättest du mich in dieser elendigen Gasse sterben lassen? Niemals mit hierher gebracht? Gerne! Das alles hier ist der pure Wahnsinn! Mein Leben war toll, bis du aufgetaucht bist! Wegen dir ist meine Tante tot, wegen dir bin ich hier und muss mir jeden Tag die Scheiße aus dem Mund eines jeden hier antun und bin mit einem fucking Psychopathen ausgegangen! Weißt du was, lass mich einfach in Ruhe. Lasst mich einfach alle in Ruhe." „Pippa-" „Oh, komm mir nicht so ‚Beste Freundin'! Wie konntest du mich nur so verraten und zu ihm rennen? Ich glaubs einfach nicht. Von dir will ich auch nichts mehr wissen!" Fauchte ich Ellie an und ich sah die Tränen in ihren Augen. Sie wollte zwar noch was sagen, aber brach ab bei meinem finsteren Blick. „Haltet euch aus meinen Leben raus und hört auf über mich bestimmen zu wollen. Ich kann selber mein Leben verpfuschen, dafür müsst ihr nicht noch mitwirken! Also bleibt dort, wo der Pfeffer wächst! Und sollte es auch nur einer wagen sich noch einmal in mein Leben einzumischen, lernt ihr mich mal richtig kennen." Eises Kälte rann durch meine Venen und irgendwas passierte mit mir, denn ich sah das angsterfüllte zusammen zucken meiner (ehemaligen) Freunde. Damit rannte ich meinen Stuhl um und verließ die mucksmäuschenstille Mensa mit meinen sieben Sachen. Es war hart und ich fühlte mich direkt ausgelaugt, aber niemals würde ich es zulassen jetzt Schwäche zu zeigen. Also reckte ich mein Kinn in die Höhe und ignorierte die Blicke in meinen Rücken. „Das lief ja super, Bruderherz." Kam die sarkastische Bemerkung von Philipp noch zu mir rüber, aber ab dann hörte ich nur noch das Chaos das hinter mir ausbrach.

Die Chroniken der Arcani - das GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt