ƙιʅʅҽɾ

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Sobald ich völlig verheult die Wohnung betrete, steht Anne vor mir und zieht mich erschrocken in eine feste Umarmung und ich wünschte in diesem Augenblick, meine Mutter hätte mich jemals in den Arm genommen.

Doch stattdessen hat sie mich als Kind ans Bordell verkauft, nur damit sie sich wieder Alkohol und Drogen besorgen kann. Wie oft habe ich mich gefragt, was ich falsch gemacht habe? Wieso sie mich nicht geliebt hat, wie es eine Mutter tun sollte, aber ich nehme an, ich kann ihr keinen Vorwurf machen. Das Leben auf der Straße ist kein leichtes und sie hat bestimmt nicht geplant gehabt schwanger zu werden. Eine Abtreibung ist zu teuer gewesen und ein Kind sowieso.

Trotzdem wäre es mir lieber gewesen, sie hätte mich vor irgendeinem Waisenhaus ablegt, statt mich zu verkaufen, wie einen Gegenstand, aber sie wollte vermutlich aus ihrer Situation den bestmöglichen Provit ziehen. Da ist es ihr wahrscheinlich gerade Recht gekommen, dass das schmutzige Bordell in der Straße, in der sie täglich anschaffen gegangen ist, nach jungen Huren gesucht hat, für Kunden mit "besonderen Vorzügen".

Ich verstehe nicht, wie sie es übers Herz gebracht hat, zu wissen, dass ihr Kind wenige Meter von ihr entfernt genötigt und vergewaltigt wird, doch vielleicht war es ihr einfach egal, oder sie hatte sich das Gehirn schon so sehr weggesoffen, dass sie wenige Tage später nicht einmal mehr gewusst hat, dass ich existiere.

"Was ist denn mit dir passiert?", reißt mich Anne aus meinen tristen Gedanken und nimmt mit besorgtem Blick mein verheultes Gesicht in ihre Hände. Und da ist es mir plötzlich egal, was sie von mir denkt oder wie sie mich gleich sehen wird.

"Harry ist verheiratet", bricht es aus mir heraus und erneut beginne ich zu weinen, denn ich habe noch lange nicht alle Tränen aufgebraucht.

"Ja", erwidert sie und zieht mich sanft ins Wohnzimmer, wo sie mich aufs Sofa drückt und sich neben mich fallen lässt. "Harry hat kurz nach seinem achtzehnten Geburtstag geheiratet."

"Er hat es mir einfach nicht gesagt", schluchze ich und halte mir die Hand vor den Mund, um meine Laute ein wenig zu dämpfen.

"Wieso hätte er das denn sollen?", fragt sie und streichelt mir beruhigend über den Rücken, doch in ihrem Blick liegt etwas Wissendes und ich bin mir mit einem Mal sicher, dass sie schon lange erkannt hat, dass da etwas zwischen ihrem Sohn und mir ist.

Und bevor ich genauer darüber nachdenken kann, sprudelt alles von Anfang an aus mir heraus. Sie hört mir einfach nur zu und unterbricht mich nicht, was ich ihr hoch anrechne, denn ich glaube kaum, dass andere Mütter so ruhig bleiben, wenn ihnen ein männlicher Teenager unterbreitet, dass er mit ihrem Sohn herumgemacht hat, obwohl der seit über einem Jahrzehnt in einer Ehe ist.

"Das... Louis, ich bin völlig geschockt, ich weiß gar nicht richtig, was ich sagen soll. Ich habe nicht gewusst, dass Harry sich wirklich so... so herzlos verhalten kann", haucht Anne und in ihrem Blick spiegelt sich Schmerz und Enttäuschung, weshalb ich den Kopf eilig senke, denn diesen Ausdruck halte ich fast nicht aus.

"Er hat sich gebessert." Ich merke, wie mein Körper langsam wieder herunterkommt und ich nicht mehr ganz so aufgewühlt bin, wie bis vor wenigen Minuten, was mich erleichtert durchatmen lässt. "Mir ist nicht mehr so unwohl bei ihm und er hat mir nie richtig weh getan. Ich mag ihn wirklich gerne, aber er... wieso hat er seine Familie und mich belogen? Womit haben wir das verdient?"

"Verdient hat das keiner von euch, aber ich glaube er hat sich da früh in etwas ganz Dummes mit seinem Vater verstrickt", sagt sie leise und streicht weiterhin unablässig über meinen Rücken. "Bestätigt hat er mir das nie. Aber er ist nicht der Harry, den ich gekannt habe. Ja, er hatte schon immer seine Probleme mit anderen Menschen, aber er war früher zumindest ein wenig unbeschwerter und fröhlicher. Bist du... denn in ihn verliebt?"

"I-Ich... das weiß ich nicht", flüstere ich und starre betrübt auf meine Hände, die in meinem Schoß liegen, weil ich mich nicht traue, ihr in die Augen zu sehen.

"Das wäre doch im Grunde etwas Schönes... Er mag dich, das merke ich ihm an. Ich bin der Ansicht, dass du ihm gut tust, auch wenn das sicherlich nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Er war schon lange nicht mehr so fröhlich, gesprächig und gut gelaunt. Und dann sind wir aus dem Urlaub zurück und plötzlich kommt er wieder vorbei und erzählt von allem Möglichen, isst mit uns zu Mittag und lacht. Das mag sich für dich seltsam anhören, aber er ist richtig aufgeblüht seit da auf einmal der 'heimatlose Stricher' in sein Leben gestolpert ist."

Anne sieht mich so herzlich und voller Zuneigung an, als ich es doch wage, den Blick zu heben, dass mir ganz warm ums Herz wird.

"Harry hatte nie vor sich früh zu binden und dann plötzlich stand er mit dieser Taylor vor der Tür und hat uns zur Hochzeit eingeladen. Wir haben das Mädchen eigentlich als seine beste Freundin kennengelernt, doch er hat sich wohl Hals über Kopf in sie verliebt, aber wie unsterbliche Liebe hat es für Robin und mich nie gewirkt. Was an der ganzen Sache auch seltsam gewesen ist, ist dass Harrys und Taylors Väter Geschäftspartner sind und ich immer das Gefühl hatte, Harry wird von seinem Vater unter Druck gesetzt, was diese Partnerschaft angeht. Die Feierlichkeiten waren sehr unpersönlich und schnell vorrüber, der Hauskauf schon abgeschlossen und auch ein zweijähriges Kind hatte er sofort, weil sie ihre Tochter von einem anderen Mann in die Ehe gebracht hat. Ich hatte nie das Gefühl, dass er sonderlich glücklich mit ihr ist, aber er hat immer das Gegenteil behauptet und ist sogar richtig wütend geworden, wenn ich ihn darauf angesprochen habe, weswegen ich es irgendwann aufgegeben habe. Und nach über zehn Jahren Ehe, war ich mir dann auch irgendwann sicher, dass sie die Frau für ihn ist, auch wenn er sich seit der Beziehung mit ihr kaum mehr wie der Harry verhält, den ich großgezogen habe." Gegen Ende hin wird sie immer leiser und sie scheint erleichtert, sich das endlich einmal von der Seele geredet zu haben. "Dann warst du plötzlich da und er hat dich angesehen, wie er Taylor noch kein einziges Mal angesehen hat. Glaub mir, du liegst ihm sehr am Herzen, auch wenn er das vielleicht nicht zeigen kann oder sich total falsch verhält. Wahrscheinlich kann er mit seinen eigenen Gefühlen einfach nichts anfangen und ein Menschenversteher war er nie und wird er nie sein."

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Wer hätte gedacht, dass Louis mit Anne so offen über das alles reden kann? :)

Bis bald
Maybe

[1104 Wörter]

Only the Brave || larry stylinson fanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt