Broken

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Mary Lous Sicht

Kurz und knapp stand 'Abbruch' am Ende des Formulars. Noch kämpfte ich mit mir selbst. Ich war mir nicht sicher ob ich meinen Studienplatz ändern wollte. Ich habe mich an vielen Colleges beworben und einige würden mich nach wie vor nehmen. Ich könnte nächstes Jahr im zweiten Semester ganz normal anknüpfen und dann war die ganze Buffalo-Sache für mich beendet. Kein Phil mehr, kein Nathan mehr, keinen Ärger mehr. Ich konnte einen Neuanfang wagen und musste keine Angst mehr haben in sämtliche Lügennetze zu fallen. Ich konnte neue Männer kennenlernen - irgendwann - und mit ihnen glücklich werden. Unabhängig von all dem was hier geschehen war. Neues Vertrauen, neue Geschichten und eine neue, stärkere Mary Lou.

"Hey" ertönte eine unglaublich heiße und tiefe Stimme bei der die Frauen reihenweiße in Ohnmacht fielen. Owen kam an meinen Tisch und rutschte auf die Bank mir gegenüber. Auch die Frauen in dem Cafe schauten ihm hinterher und fragten sich vermutlich was er hier mit mir tat. Heiße Typen sollten natürlich mit heißen Mädels zusammen sein. Er sah jedes Mal wenn ich ihn sah, egal mit oder ohne blauem Auge, gut aus. Genauso wie Nathan.. . Er trug eine schwarze Hose mit Löchern an den Knien und einen ebenfalls schwarzen Nike Hoodie, dessen Kaputze er sich gerade vom Kopf strich. Bevor ich etwas sagte schaute ich mich nocheinmal hier drinnen um. Selbst die Kellnerin sabberte ihm hinterher was mich dazu brachte meine Augen zu verdrehen.
"Hi, was machst du hier?" verwundert schaute ich ihn an, denn gerade jetzt fiel mir auf, dass ich Lucas und nicht diesen Frauenmagneten erwartet habe.
"Lucas verspätet sich und da dachte ich, dass du nicht alleine warten musst, komme ich zu dir" sein spitzbübisches Grinsen machte mich misstrauisch. Keine Ahnung was der Schönling schon wieder ausheckte. Ohne ein weiteres Wort legte ich den Brief wieder sorgfältig in das Kuvert und verschränkte meine Arme vor der Brust.
"Wie geht es dir, Kleines?" diese Frage traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Er saß vor mir und schaute mich mit solch einem ernsten und zugleich besorgtem Gesichtsausdruck an, dass ich heulen hätte können. In den letzten zwei Wochen habe ich die Frage von meinen Eltern, Geschwistern, Lucas, meiner Mittbewohnerin und vielen anderen Leuten gehört. Niemand, bis auf Lucas selbstverständlich, wusste was das zu diesem Zeitpunkt in mir auslöste. Noch dazu, wenn Owen mich mit solch einem durchdringenden Blick musterte, als wüsste er genau wie es mir ging. Ich kannte diese Seite von ihm nicht und ich war mir nicht sicher ob ich sie kennenlernen wollte.
"Nicht gut" gab ich zu und schaute tief in meine Kaffee Tasse, um seinem Blick zu entkommen.
"Ihm auch nicht, Baby. Ihm auch nicht. Es gab einen Vorfall neulich im Training. Er ist auf Jack losgegangen und hat solange auf ihn eingedroschen bis er blutverschmiert war. Erst ich konnte ihn von dem Kleinen runterreißen was mir selbst fast eine Schlägerei mit dem Idioten eingebracht hätte. Er vergisst sich Mary Lou. Er vergisst sich, weil er nur noch an dich denken kann. Er ist am Ende mit seinen Kräften" mit einer ganz sanften Stimme redete er auf mich ein. "Er weiß, dass er einen Fehler gemacht hat und glaub mir, er bereut ihn zutiefst. Ich kenne Nate nun seit...fast sechs Jahren und ich hab ihn noch nie so mit sich selbst kämpfen sehen. Denk mal darüber nach. Ich werde dir da in nichts rein reden. Schließlich geht es mich nichts an, aber ich denke du fühlst dich genauso wie er" das hat gesessen. Diese Ansprache hat mir einen richtigen Tritt in die Magengrube verpasst. Das schlimmste an der ganzen Sache jedoch war: Er hatte recht. Ich fühlte mich genauso wie Nathan, nur dass er seine Probleme mit seinen Fäusten regeln wollte. Ich lief lieber vor ihnen davon.

Langsam nickte ich und kämpfte gegen die ein oder andere Träne, die versuchte zum vorschein zu kommen, an.
"Danke", sagte ich knapp. "Danke, dass du mir das erzählt hast. Ich werde drüber nachdenken" und somit versuchte ich mich mit einem Lächeln.
"Ich weiß, dass er dir etwas bedeutet. Machen wir uns nichts vor. Du magst ihn, er mag dich und das wisst ihr beide schon lange. Langsam wird es nur Zeit, dass ihr euch das eingesteht" ich war erlich gesagt wirklich überrascht wie ernst dieser Mensch sein konnte. Wenn er doch auch so sein konnte, wieso ließ er dann immer nur die andere Seite von sich heraus hängen?
"Übrigens du bist eine unglaublich schlechte Lügnerin" sein schelmisches Grinsen kehrte zurück.
"Ich weiß nicht was du meinst" ich bemühte mich beiläufig zu klingen, was mir vermutlich nicht ganz so gut gelang.
"Doch das tust du" lachte er und natürlich spielte er auf die Lüge mit dem Sex an. War ja klar. Da war er wieder; Owen DeBlanc.

Wir saßen uns eine ganze Weile so gegenüber und unterhielten uns über sämtlich Dinge. Ich erzählte ihm viel aus meiner Heimatstadt und wie es zu Phil gekommen war und all das. Dabei ließ er durchscheinen, dass er selbst sogar halb Kanadier ist. Ich redete und redete, während er mir ohne eine Unterbrechung zuhörte. Von sich selbst, ließ er nicht sonderlich viel durchscheinen. Besser gesagt gar nichts, aber das störte mich nicht.
Nach einiger Zeit stieß Lucas dann zu uns. Pitsch nass und mit einem Kaffee gewappnet setzte er sich neben Owen. Die beiden unterhielten sich erstmal eine Weile über Lucas' und Alex' Eroberungen an jenem Samstag Abend während ich aus dem Fenster starrte. Das hier war das selbe Cafe und der selbe Platz an dem ich und Nathan auch gesessen waren.
"Genial!", rief Lucas aus. "Du hast den Brief schon" so schnell wie er nach dem Kuvert griff und das Formular mit meinem Studiumabbruch heraus gezogen hat, konnte ich gar nicht reagieren. Fortan lief alles wie in Zeitlupe ab. Sein Lächeln verwandelte sich in einen so ernsten Gesichtsausdruck, dass ich seine Reaktion gar nicht mehr deuten konnte.
"Du willst gehen?" fragte er mich kurz und knapp. Auch Owen versuchte einen kurzen Blick auf das Stück Papier zu werfen und seine Züge nahmen den selben Ausdruck wie die von Lucas an.
"Vielleicht"
"Das kannst du nicht ernst meinen! Du kannst mich doch nicht hängen lassen!" ich erkannte die aufkommende Wut in seinen Augen. Ich wusste aber nicht was ich erwiedern sollte.
"Ich kann das nunmal nicht Lucas! Ich weiß nicht was ich tun soll. Er hat mich so enttäuscht. Er hat mir ins Gesicht gelogen und damit kann ich einfach nicht umgehen. Es fühlt sich noch schlimmer an, als würde ich mir vorstellen du wärst derjenige gewesen der mich wochenlang belogen hat" die Tränen krochen in meine Augen und drohten über meine Wangen hinunter zulaufen.
Nachdenklich schaute er mich an.
"Was wäre wenn.." er kratzte sich verlegen am Hinterkopf und schaute auf den Boden.
"Nein!", rief ich aus. "Sag mir nicht, dass du es gewusst hast?!"
Entschuldigend sah er mich an und in diesem Moment verglühte auch mein letzter Hoffnungsschimmer. Mein bester Freund hat mich ebenfalls belogen. Ich nahm ihm, ohne ihn aus den Augen zu lassen, den Brief aus der Hand, packte ihn in meine Tasche und verließ den Laden.
Ich hörte Lucas noch meinen Namen rufen, aber Owen hielt ihn zurück. Wofür ich in diesem Moment wirklich dankbar war.

Wir sind BuffaloWo Geschichten leben. Entdecke jetzt