Deep Storys

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Mary Lous Sicht

Entspannt lag ich auf dem Rücken in Nathans Bett und lauschte seinen Erzählungen über Montreal. Er kam direkt aus der Stadt und war in einem Penthouse aufgewachsen. Besser gesagt in dem Stadion bei ihnen um die Ecke. Er redete und schwärmte viel von seiner Mutter. Ihren Kochkünsten, ihrer Fürsorge und ihren unerschöpflichen Nerven. Die musste man vermutlich haben mit einem Sohn, der nur das Eishockey in seinem Kopf hat. Er erzählte von seiner ersten Freundin, seiner High School und dem ganzen Mist den er angestellt hat als er jung war. Er redete solange von seiner Teenager Zeit, bis er auf ein Thema kam, bei dem ich ihm ganz besonders gut zuhörte. Seine Anfangszeit als Profieishockeyspieler. Von dem Brief der gekommen war, bis hin zu der NHL Combine und dem Entry Draft.

"Von dem Tag an als ich den Brief zum ersten Mal in der Hand gehalten habe, habe ich es mir so in den Kopf gesetzt, es in die National Hockey League zu schaffen. Ehrlich gesagt, war das mein Traum seit ich mit meinem Vater das erste Mal bei einem Montreal Canadiens Spiel war. Ich musste das Eishockey, meine Termine mit dem Vorstand, das College, die Spiele dort und meine ganzen Frauengeschichten sortieren und unter einen Hut bringen.", ich drehte mich zu ihm um, um ihn besser ansehen zu können.
"Das war keine leichte Aufgabe. Vorallem mit den Partys und den Frauen" er kicherte.
"Ja das kann ich mir denken" ebenfalls lachend schüttelte ich meinen Kopf.
"Das mit den Frauen und den Partys war sicherlich sehr schwer" die Ironie in meiner Stimme bewegte ihn dazu, noch mehr zu lachen.
"Eigentlich nicht. Ich musste mir nur eine neue Nummer zulegen"

Eine ganze Weile sprach er weiter über all das bis wir an dem Tag ankamen, der über seine Zukunft entscheiden sollte. Er sprach über den Draft. Der Tag, an dem jedes NHL Team einen neuen Nachwuchsspieler wählen durfte. Jener an dem Phil mich damals nicht dabei haben wollte. Ohne jedoch einen weiteren Gedanken an diesen Menschen zu verschwenden, konzentrierte ich mich wieder voll und ganz auf meinen jetzigen Freund.
"Ich war ganz außer mir. Bei dem Interview danach, fragte mich die Moderatorin was ich mir denn noch wünschen würde an diesem besonderen Tag. Niemand hatte damals eine Antwort darauf. Niemand außer mir. Ich wollte nur, dass mein Vater bei mir war" und in diesem Augenblick fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Nathan und Lucas' Vater. Beide sprachen oft von Bill. Dieser aber war ihr Stiefvater. Ich wusste, dass sie ihn beide liebten und er sie auch, trotzdem war da eine Leere wenn Nate über das Thema sprach.
"Erzähl mir von ihm" bat ich und sah ihm an, dass es ihm schwer viel alleine darüber nachzudenken.
"Er war ein toller Dad. Der Beste. Er hat mich immer mit ins Hockey genommen. Seine eigene Mannschaft, welche nur eine Hobbymannschaft war, spielten fast jeden Tag Eishockey. Mich hat er Zuhause abgeholt und mitgenommen. Wenn wir Abends zurück kamen, tranken wir eine heiße Schokolade und egal was es zu Essen gab, wir verputzten es bis auf den letzten Bissen. Er war immer für mich da." ein gewisser Schmerz lag in seiner Stimme als er dieses 'war' aussprach. Ich wollte ihm helfen. Ich wollte ihm zeigen, dass ich für ihn da war, aber er war gerade für nichts anderes zugänglich. Deshalb ließ ich ihn weiter in seinen Erinnerungen schwelgen.
"Wir kamen mal im Winter ziemlich spät erst aus der Arena. Ich durfte an dem Abend mit den Großen spielen und das auch nur, weil ich ein paar Tage davor dreizehn geworden war und mich für einen Erwachsenen gehalten habe. Auf jeden Fall hat Mom schon drei, vier Mal angerufen. Sie wollte wissen wo wir waren. Wir haben das abgetan und nur gesagt, dass wir länger auf dem Eis waren und jetzt Nachhause kommen würden. Dad hat es aber nie geschafft" er schluckte schwer und ich wusste genau was es war, das er da runter schluckte. Ich fuhr ihm durch die dunklen Haare und es dauerte einige Zeit bis er es schaffte weiter zu sprechen.
"Wir hatten einen Unfall. Einen sehr schweren Unfall den nur ich von uns beiden überlebt habe. Hier" er setzte sich auf und zog sich seinen Pulli über den Kopf. Erst jetzt erkannte ich den feinen weißen Strich, der an seiner Schulter anfing und sich bis zur Mitte seines Unterarms zog. Mit meinen Fingerspitzen fuhr ich die Linie nach die einen starken Kontrast zu seiner braun gebrannten Haut abgab.
"Ich hab mir den Ober- und Unterarm gebrochen. Das ist die Narbe die ich noch von meiner Operation habe. Es hat lange gedauert bis ich drüber hinweg war und länger bis ich wieder in das Stadion gehen konnte. Ich besuchte fortan nur noch eine Halle die auf der anderen Seite der Stadt lag und das nur, um nicht in die Arena zu müssen in der mein Vater seine letzten Minutem gelebt hat" seine Augen waren glasig aber er konnte nicht weinen. Er lag einfach nur da und schaute auf einen bestimmten Punkt in seinem riesigen Zimmer. Die Geschichte war nicht lang und ausführlich gewesen, was vermutlich für uns beide besser war. Ich lag einfach bei ihm, lauschte seinem Herzschlag und versuchte ihm beizustehen.

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