Take me home country roads

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Mary Lous Sicht

Ich stand über die Küchenzeile gebeugt und telefonierte mit meiner Mom um ihr mitzuteilen, dass wir heil in Montreal angekommen waren. Ich erzählte ihr von dem wunderschönen Haus das Nathan gehörte, dass wir fast aus dem Supermarkt geflogen waren und natürlich auch über das wiedersehen mit den Jungs. Wir waren endlich wieder vereint und selbst die Frauengeschichten die sie auf dem Tisch ausgebreitet haben waren mir egal gewesen hauptsache sie waren wieder bei uns.

Nathans Haus lag außerhalb der Stadt an einem großen See. Es besaß eine große Veranda und eine noch größere Terrasse. Nach einigen Metern änderte sich die Wiese vor der Terrasse in einen Strand. Dieser war zwar nicht wie der auf den Malediven, aber trotzdem wundervoll. Die Jungs spielten gerade eine Runde Beach-Volleyball. Es war ziemlich grenzwertig das so zu nennen, da zwischen den feinen Sandkörnchen immer wieder grobe Kieselsteine auftauchten.

Der Himmel veränderte sich von dem strahlenden blau in ein dunkles Rot und auch die Sonne verabschiedete sich langsam und wollte hinter dem See verschwinden. Die Jungs kamen alle etwas aus der Puste hoch zum Haus geschlendert. Lucas lag einige Meter zurück, was mich zum Lachen brachte. Die Kondition die, die Eishockeyspieler aufbrachten besaß er leider nicht was ihn und niemand anderen störte. Lediglich Alex zog ihn damit immer wieder auf.
Fünf verschwitzte oberkörperfreie Männer betraten das offene Wohnzimmer das mit der Küche verbunden war. Ich legte mein Handy zur Seite und schaute ihnen zu wie sie in die verschiedenen Gästezimmer wanderten um sich dort umzuziehen. Währenddessen klemmte ich mir die fünf riesigen Marshmallow Packungen, Schokolade und Cracker unter den Arm. Gegessen haben wir vorhin bereits aber bei einem gemütlichem Langerfeuer sollte natürlich das papige zuckerzeug nicht fehlen.

Wenig später saßen wir alle eingepackt auf Baumstämmen rund um das Lagerfeuer. Nathan hat im Wohnzimmer eine Gitarre stehen, die eigentlich nur zur Dekoration galt aber Casey hat diese ohne mit der Wimper zu zucken mitgenommen. Er wollte etwas spielen und war der Meinung, dass soetwas an einem Lagerfeuer nicht fehlen durfte. Auf Lucas' Vorschlag, doch einfach Spotify zu verwenden reagiere er deshalb nur mit einem Augenverdrehen.
"Also Jimi Hendrix, dann zeig mal was du kannst" herausfordernd grinste Alex ihn an. Casey ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen und stimmte die Gitarre zuerst. Es dauerte ganz schön lange. Solange, dass ich mir bereits meinen dritten Smore zusammen legte als die ersten Akkorde eines Liedes erklangen. Das brachte mich dazu augenblicklich meinen Kopf zu heben. Ich liebte diesen Song auch wenn er eigentlich uralt war und er erinnerte mich an meine Kindheit und die damaligen Lagerfeuer. Als der Sänger eigentlich einsteigen sollte, zögerte ich nicht und sang die erste Strophe mit.

Almost heaven, West Virginia
Blue ridge mountains, Shenandoah river
Life is old there, older than the trees
Younger than the mountains, growin' like a breeze
Country roads, take me home
To the place I belong
West Virginia, mountain Momma
Take me home, country roads

Lucas stieg auch mit ein. Es war uns beiden ziemlich egal, dass wir krumm und schief sagen aber es war ein toller Song der hoffentlich nie in Vergessenheit geraten wird. Take me home country roads hieß er. Casey grinste vor sich hin und wippte selbst im Rhytmus mit. Jedes Mal wenn der Refrain wieder kam sang er auch mit und ich musste ehrlich zugeben; er hörte sich verdammt gut an. Seine tiefe Stimme passte zu dem Song und anders als Lucas und ich konnte er wirklich singen. Er, der harte Eishockeyspieler. Auch Alex und Nathan wippten im Takt des Liedes mit. Der Einzige der weder einen Mucks noch eine Bewegung machte war Owen. Mir fiel heute schon den ganzen Tag auf, dass er ziemlich leise war. Er gab seine Kommentare zum richtigen Zeitpunkt ab und sie waren genauso schlagfertig wie sonst immer aber irgendetwas war anders. Irgendetwas stimmte nicht. Er erzählte weder seine Frauengeschichten noch von seinem Zuhause obwohl er es liebte über seine Familie zu sprechen.
Vorhin nach dem Essen saßen wir noch eine Weile am Tisch und unterhielten uns. Mitten in einer Disskusion über Lias Koslowsky und Owen, über den sie in letzter Zeit in Verbindung mit dem Eishockey öfter sprachen, hat sein Handy geklingelt. Mit einem knappen "ist wichtig" war er aufgestanden und für eine dreiviertel Stunde in seinem Zimmer verschwunden. Alex hat darauf nur gesagt "Das ist vermutlich Tyler". Ich aber hatte keine Ahnung was das zu bedeuten hatte. War das ein Codewort für irgendwas? Wer zur Hölle war denn bitte Tyler? Mir war schon öfter aufgefallen, dass er bei einer bestimmten Nummer alles stehen und liegen ließ um an sein Telefon zu gehen. Die anderen Jungs wirkten aber nie genervt oder soetwas. Sie schauten ihm meist lächelnd hinterher. War dieser Mensch am anderen Ende der Leitung etwa irgendjemand unglaublich wichtiges für Owen? Keine Ahnung.

Während ich so darüber nachdachte, schaute ich ihn über das Lagerfeuer hinweg an. Er spielte mit einem kleinen Holzsplitter und hatte die Kaputze seines Adidas Hoodies halb über den Kopf hezogen und wie vorhin schon; er sah nachdenklich aus. Als würde er meine Gedanken hören blickte er plötzlich auf und schaute mir in meine Augen. Sanft lächelte er mich an und da war er wieder. Der Owen, der mir auch geraten hat Nathan zu verzeihen. Seine andere Seite. Nicht der harte extreme Eishockeyspieler, der Verteidiger und Enforcer, der Aufreißer und Verführer und natürlich der mit der großen Klappe. Manchmal denke ich, dass alles ist nur eine Schutzschicht. Mich würde interessieren wer durch diese Schicht hindurch kommen konnte und an sein Herz gelangen würde.

"Ich muss euch was sagen" gestand Owen und riss mich somit aus meinen Gedanken. Alle Köpfe rückten zu ihm herum und blickten ihn fragend an.
"Ich wusste, dass dieser Tag kommen wird", stöhnte Alex. "Du hast eine geschwängert oder?" mitleidig sah er ihn an.
"Nein, herrgott. Etwas schlimmeres" bei seinen Worten bildete sich Gänsehaut auf meinen, in einen dicken Pulli gehüllten, Armen. Als ich zu Nathan aufblickte der mich im Arm hielt, sah auch er mich alarmiert an.
"Was gibt es denn für einen dreiundzwanzig jährigen aufsteigenden Eishockeyspieler schlimmeres?", fragte Casey und legte die Gitarre zur Seite. "Du wirst immer besser und musst nur noch an Koslowsky vorbei. Also was gibt es schlimmeres?" wiederholte er.
"Bevor wir hier her sind, war ich nocheinmal in Buffalo. Der Vorstand hat mich dort hinzitiert. Bevor ihr es Übermorgen über die Medien erfahrt, sollt ihr es lieber von mir wissen" er stockte und warf den Holzsplitter in das Feuer.
"Diese Saison war die letzte in der ich das Sabres Trikot getragen habe. Sie haben mich an die New York Islanders verkauft, weil alle denken, dass ich dort noch bessere Aufstiegschancen habe" platzte er mit der Neuigkeit heraus. Ich könnte schwören, dass Nathans Herz einen kleinen Aussetzter gemacht hat und auch meines schlug nun ziemlich unregelmäßig. Owen. Owen DeBlanc den ich auf Nathans Party kennengelernt habe, der mich so eingeschüchtert hat und trotzdem so ein guter Mensch war würde uns verlassen, weil andere Männer in Anzügen bestimmt haben, dass das das beste für ihn sei.

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