8. Kapitel

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Die nächsten Wochen über lernte ich die Gaben der anderen immer besser kennen. Sie brachten mir bei, wie ich sie richtig benutzen konnte. Es stellte sich heraus, dass mein Schlüssel für den Schutzschild nicht Wut war, sondern der Wunsch andere vor Unheil zu bewahren. Seit meiner Vision von den Agenten der OFZ hatte ich keine weitere von ihnen gehabt. Alice beobachtete Aros Entscheidungen und diese gaben keinen Grund dafür sich Sorgen zu machen. Eines Abends saß ich, nachdem ich unter Jaspers Anweisung Renesmes Gefühle beeinflusst hatte, auf dem Sofa im Anwesen der Cullens und las in einem meiner Bücher, als Edward neben mir Platz nahm. „Warum erzählst du Carlisle nicht, was dir durch den Kopf geht?", erkundigte er sich. „Du kennst die Antwort", seufzte ich und sah zu ihm hinüber. „Er kann das nicht verstehen. Niemand von euch. Außer ..." Eine Idee schoss mir durch den Kopf. Edward hob eine Augenbraue. „Bleib sitzen, ich hole sie", meinte er. „Dankeschön", wisperte ich und klappte das Buch zu. Wenig später kehrte Edward mit Bella zurück. „Vanessa, wie kann ich dir helfen?", forschte Bella sofort nach. „Stell dir bitte folgendes Szenario vor: Du kannst in die Geschichte von Romeo und Julia reisen. Julia hat sich in einen anderen Mann verliebt und du entwickelst Gefühle für Romeo. Er liebt dich und ihr heiratet sogar. Ihr seid vollkommen glücklich, doch dann erfährst du, dass Julia dazu gezwungen wurde den anderen zu lieben und der Mann überlegt nun, ob er ihr die Wahrheit erzählt. Sie könnte also zu Romeo zurückkehren und deine Aufgabe, als du in die Geschichte gekommen bist, war dafür zu sorgen, dass sie so endet, wie es vorgesehen ist. Du könntest die beiden also wieder zusammenbringen, aber dafür würdest du die Liebe deines Lebens verlassen müssen. Wie würdest du dich entscheiden?" Bella schwieg, nachdem ich geendet hatte. „Das ist eine schwierige Frage", raunte sie. „Für diese Entscheidung bräuchte ich Zeit, aber wahrscheinlich ... würde ich Julia Platz machen." Edwards Blick war voller Sorge, den er mir zuwarf. „Warum möchtest du das wissen, Vanessa?", hakte Bella nach. Ich biss mir auf die Unterlippe. „Esme hat sich nicht wirklich freiwillig neu verliebt. Vanessa hat ein Gespräch der Männer gesehen, die dafür verantwortlich sind und sie überlegen, ob sie den Zauber aufheben, der auf Esme liegt", erklärte Edward an meiner Stelle. Bella legte eine Hand auf meine Schulter. „Oh, Vanessa! Das tut mir so unendlich leid für dich. Hast du Carlisle schon davon erzählt?" „Natürlich und er meinte, dass es nichts an seinen Gefühlen für mich ändert", entgegnete ich. „Dann passt doch alles, oder sehe ich das falsch?", wollte sie von mir wissen. Statt einer Antwort zitterte ich erneut und mein Körper wurde geschüttelt. Bella setzte sich zu mir und nahm mich in die Arme. „Wenn sie den Zauber lösen und Esme Augustus immer noch liebt und er sie auch, wäre alles in Ordnung, aber das weiß ich nicht", schniefte ich mit gepresster Stimme. „Sie soll nicht vor den Kopf gestoßen werden, wenn sie hier ankommt." „Mal angenommen, der Zauber wird fallen gelassen und Esme stellt fest, dass sie Carlisle immer noch liebt und sie kehrt zu uns zurück. Sie sieht dich und ihr berichtet ihr alles, so wird sie sicherlich Verständnis dafür haben", versuchte Edward mich zu beruhigen. „Sie hat dann jedoch ein gebrochenes Herz", stellte ich klar. „Das wollte ich nie." „Vanessa, früher oder später verletzt man andere mit seinen Entscheidungen. Das kann niemand verhindern", meinte Bella und strich tröstend über meinen Rücken. „Außerdem, so muss es ja nicht kommen. Vielleicht wird es ganz anders, als du jetzt denkst." „Hoffentlich", wisperte ich und löste mich aus ihrer Umarmung. „Danke, dass ihr mir zugehört habt." „Keine Ursache", lächelte Bella. „Wir sind eine Familie und für einander da." Mit diesen Worten erhob sie sich und verließ mit ihrem Mann das Zimmer. Ich griff wieder zu dem Buch und las weiter. Als ich die Hälfte des Buchs durchhatte, hörte ich, wie sich jemand näherte. Die Person blieb stehen und ich hörte Carlisles Stimme in meinem Kopf. Seine Gedanken brachten mich dazu den Kopf zu drehen. „Du kannst ruhig weiter lesen", sprach er. „Entschuldige, wenn ich dich unterbrochen habe." Im nächsten Moment stand ich vor ihm. „Mir tut es leid. Mein Verhalten gestern Abend. An deiner Stelle hätte ich mir den Laufpass gegeben", entschuldigte ich mich. Carlisle schüttelte nur den Kopf und nahm meine rechte Hand. „Keine Entschuldigung notwendig, meine Liebe und bitte, hör auf so von dir zu denken. Ich liebe dich. Mehr als alles andere." „Das werde ich versuchen, Carlisle. Wenn ich die ganze Zeit mir den Kopf darüber zerbreche, was möglicherweise passieren könnte, verpasse ich die schönen Augenblicke im Leben. Mit dir und das möchte ich nicht." Carlisle lächelte sanft. „Du erstaunst mich immer wieder", flüsterte er und streichelte mit seiner freien Hand meine Wange. Unter seiner Berührung wurde mir wohlig warm am ganzen Körper. „Ich liebe dich. Mein ruhiger und gefühlvoller Ehemann", raunte ich. „Mehr als Worte es jemals ausdrücken oder beschreiben könnten." Carlisles Lächeln wurde breiter und er zog mich an sich, so dass er seine Stirn auf meine legen konnte. „Ich liebe dich auch, meine wundervolle Ehefrau", erwiderte er mit leiser Stimme. Unsere Lippen fanden sich und ich hörte auf mir Sorgen über meine Vision zu machen. Jemand räusperte sich hinter uns. Sofort ließen wir einander los. Emmet stand dort und grinste. „Verzeiht, wenn ich euch bei was auch immer unterbreche, aber es gab einen Notruf aus dem Krankenhaus. Carlisle, sie brauchen dich." Mein Mann nickte. „Danke, Emmet. Vanessa, möchtest du mitkommen? Dann kannst du gleich die Formulare ausfüllen und wir müssen niemanden deiner Kolleginnen aus ihrem Schlaf reißen." „Sicher", bestätigte ich. Wir spazierten zur Garage und stiegen gleich in das Auto. Was konnte nur geschehen sein? Emmets Gedanken hatten mir das leider nicht verraten, als er uns die Nachricht überbrachte. Zu schade. Im Krankenhaus wurden wir sofort in die Notaufnahme gebracht. Eine junge Frau mit einer Stichwunde knapp oberhalb des rechten Beins. Die Arme. Was hatte man ihr nur angetan? Carlisle schickte die Sanitäter fort und erklärte, dass er ab hier übernehmen würde. Sie widersprachen nicht, sondern befolgten umgehend seine Anweisung. „Was schätzt du, wie alt sie ist?", wollte ich von Carlisle wissen, den Kugelschreiber fest in der rechten Hand. „18 und ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Wunde von einem Messer herrührt", lautete seine Erklärung. Rasch notierte ich seine Worte. Patientenberichte zu verfassen, hatte mir nie sonderlich viel Freude bereitet. Vorsichtig nahm ich die Wunde näher in Augenschein und legte eine Hand daneben. In der nächsten Sekunde war diese verschwunden. Nur eine weiße Narbe war zu erkennen, die kurz darauf ebenfalls nicht mehr zu sehen war. „Wie hast du das gemacht?", wisperte Carlisle und trat neben mich. „Keine Ahnung", entgegnete ich, was auch der Wahrheit entsprach. „Hast du diese Fähigkeit als Agentin irgendwo erlernt?", erkundigte er sich bei mir. „Ja, aber ich habe sie nicht bewusst aktiviert", murmelte ich und runzelte die Stirn. „Vielleicht kannst du nicht nur die Gaben der anderen in dir aufnehmen und benutzen, sondern auch alle, die du jemals bekommen hast, jederzeit nutzen, wenn du es möchtest", schlug Carlisle vor. Die Frau flatterte mit den Lidern. Daraufhin zuckte ich nur mit den Schultern. Wir fielen in die üblichen Routine und sprachen kein Wort mehr darüber, was geschehen war.


Bleib bei mir - Twilight FF (Beendet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt