17. Kapitel

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„Ist etwas vorgefallen?", wollte ich wissen, als Carlisle und ich das Wohnzimmer des Anwesens betraten. Edward schüttelte den Kopf. „Gar nichts. Jacob meinte, dass bei ihnen ebenfalls alles ruhig war", teilte er mir mit. „Dankeschön. Sind Augustus und Esme schon wieder da?" Stille und ich schlug mir die Hand vor den Mund. Carlisle legte einen Arm um meine Hüfte. „Liebling?" „Wo ist Esme?", hauchte ich. „Wahrscheinlich noch auf der Lichtung, wo wir sie gefunden haben", vermutete Bella, die neben Edward stand. „Dann laufe ich gleich los und rede mit ihr", murmelte ich und wandte mich der Haustür zu. „Soll ich dich begleiten?", forschte Carlisle nach. „Das ist lieb von dir, aber das schaffe ich auch allein. Bella, Edward, passt bitte gut auf ihn auf. Lasst niemanden herein, solange ich fort bin", bat ich meine Familie. Bella und ihr Mann tauschten einen irritierten Blick. „Nun, gut, Vanessa. Wir vertrauen dir", nickte Bella schließlich. Mit einem dankbaren Lächeln verließ ich das Anwesen und raste los Richtung Wald. Während des Laufens betete ich, dass Esme noch nicht weitergezogen war. Doch, kaum, dass ich an der frischen Luft stand, hörte ich ihre Stimme in meinem Kopf und sie wurde immer lauter. Sehr gut. Arme Esme. Was sollte ich nur sagen, um sie zu trösten? Wie hatte der Vampir das nur geschafft und weshalb hatten die Volturi nichts davon mitbekommen? Immerhin war es in ihren Hallen passiert. Die Lichtung geriet in mein Blickfeld. Esme saß auf dem Boden. Die Arme um die Knie geschlungen, den Kopf darauf abgelegt. Sie wiegte sich leicht vor und zurück. „Esme?" Zaghaft näherte ich mich ihr. Ihre Gedanken reagierten auf meine Stimme, doch sie hob weder den Kopf, noch streckte sie eine Hand nach mir aus. Langsam ließ ich mich neben ihr nieder und legte eine Hand auf ihr rechtes Knie. „Es tut mir so leid, was geschehen ist", flüsterte ich. „Wirklich. Das hast du nicht verdient und Augustus erst recht nicht. Möchtest du darüber reden?" Sie schüttelte den Kopf. „Ok. Soll ich dich zu dem Rest der Cullens bringen? Sie können dir bestimmt weiterhelfen", versicherte ich ihr. Zaghaft hob sie ihren Kopf. Leere stand in ihren bernsteinfarbenen Augen. „Wird Jasper mir den Schmerz nehmen?", hauchte sie mit belegter Stimme. „Nicht, wenn du es nicht möchtest", erklärte ich sanft. „Komm mit. Hier kannst du nicht bleiben." Esme ließ zu, dass ich sie auf ihre Füße zog. Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper und folgte mir langsam. Während des Rückwegs fasste ich zusammen, was ich erfahren hatte. Ein Vampir hatte Augustus überwältigt und Esme die Kontrolle über ihren Körper geraubt, so dass sie nichts hatte tun können, um Augustus zu helfen. Anschließend hatte der Angreifer Augustus auf eine Bank gestoßen und dort irgendetwas mit ihm angestellt. Mehr hatte Esme nicht gesehen, da sie, wie auch immer, das Bewusstsein verloren und auf einer Straße in Volterra zu sich gekommen war. Was konnte der fremde Vampir nur mit Augustus angestellt haben? Woher kannte er ihn? Esme war er nicht vertraut gewesen und ihre Erinnerungen lieferten mir ebenfalls ein Bild, mit dem ich noch nie konfrontiert worden war. Bestand die Möglichkeit, dass Liam irgendetwas damit zu tun hatte? Sicherlich. Anderseits ... Das hätte ich gesehen. Ganz sicher. Bella empfing uns an der Haustür. „Emse, es tut mir so leid", hauchte sie und umarmte sie. Die Angesprochene blieb still. „Bella, wo ist Carlisle?", raunte ich. Schon erhielt ich meine Antwort. Ich betrat das Haus. Edward warf mir einen Blick zu, als er mich registrierte und ich fokussierte meine Gedanken derart, dass ich ihm alles darüber mitteilen konnte. Er nickte, als ich fertig war und verließ anschließend den Raum. Carlisle saß auf einem Sofa und las in einer Zeitung. Zaghaft nahm ich neben ihm Platz. Sofort legte er seine Lektüre weg und wandte sich mir zu. Seine Hände fanden meine. „Bella und Edward werden sich gut um Esme kümmern", wisperte ich. Er drückte meine Hände. „Davon bin ich überzeugt. Hast du eine Idee, wie das geschehen sein könnte?" „Ein paar lose, aber sie führen zu Paranoia und das ist das letzte, was wir gebrauchen könnten", entgegnete ich. Carlisle ließ meine Hände los und legte einen Arm um mich. Ich bettete meinen Kopf auf seiner Brust. „Warum hat die AFHIAW noch niemanden geschickt? Sie müssten längst einen Agenten damit beauftrag haben." „Wenn sie niemanden entbehren können", schlug Carlisle vor. Seine Stimme klang äußerst ruhig und er malte kleine Kreise auf meine linke Schulter. „Das wäre ... denkbar, aber ich weigere mich daran zu glauben. Das würde bedeuten, dass sie diese Diegese ... Nein. Verdammte Paranoia!" „Vanessa, du bist nicht verantwortlich für das Schicksal dieser Welt", beruhigte Carlisle mich. „Es bringt nichts, wenn du dir die ganze Zeit den Kopf darüber zerbrichst." Ein tiefer Seufzer entwich mir. Seine Worte entsprachen der Wahrheit, aber ich konnte die Verantwortung, die jeder Agent der AFHIAW auf sich nahm, wenn er eine bestimmte Mission hatte, nicht abschütteln. Hatte Liam mit seinen Worten damals recht gehabt? Dass ich die oberste Regel der Agentur mit der Muttermilch in mir aufgenommen hatte und sie deswegen nicht aus meinem Kopf bekam? Plausibel. Vorsichtig drehte ich meinen Kopf etwas, um Carlisles in die Augen schauen zu können. Er hob mein Kinn leicht an. „Was ist?", forschte ich nach. „Du bist wunderschön, Vanessa und ich verstehe nicht, wie du mich wählen konntest", flüsterte mein Mann. „Wie kommst du denn darauf?", hakte ich leicht verwirrt nach. „Carlisle, ich habe dich schon immer bewundert. Deine ruhige Art, dein Mitgefühl und deine Hilfsbereitschaft. Als ich dich hier zum ersten Mal gesehen habe, war ich ziemlich glücklich. Außerdem habe ich recht schnell gemerkt, was ich für dich empfinde, auch wenn ich meine Gefühle zu unterdrücken versuchte." „Erinnerst du dich noch daran, als du einmal recht aufgewühlt im Pausenraum warst?" „Natürlich", nickte ich. „Du hast mich gefunden und deine Hilfe angeboten." „Stimmt und als ich dich so sah, habe ich gemerkt, dass ich nicht wollte, dass du jemals wieder so weinst. Da wollte ich dich in die Arme nehmen und nie wieder loslassen." „Das hast du aber nicht. Stattdessen hast du mich zu dir nach Hause eingeladen und mich deiner Familie vorgestellt." Er lächelte. „Richtig und irgendwann waren wir beide allein in der Küche. Du hast mir erzählt, dass du vielleicht für immer verschwinden wirst. Das wollte ich nicht glauben. Hast du dies eigentlich bemerkt?" „Nein. Ich war zu sehr mit meinen eigenen Gefühlen beschäftigt. Tja, irgendwann musste ich dann wieder gehen und du hast mich zu meiner Wohnung gefahren. Du hast mich bis in meine Küche begleitet und dann wollte ich mich von dir verabschieden, aber du hast mich dann einfach geküsst. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. War das bescheuert, als ich danach wieder Tränen in den Augen hatte?" „Nein und ich werde bestimmt nicht so schnell vergessen, was ich zu dir gesagt habe. Verzeih mir, Vanessa. Du sollst meinetwegen nicht noch mehr leiden, aber ich musste dies tun. Wenigstens einmal." „Stimmt und anschließend bist du einfach so gegangen", grinste ich. „Da wusste ich, dass ich dich liebe und dich nie mehr verlassen wollte, aber ich wusste, was mir meine Pflichten der Agentur gegenüber vorschrieben." Carlisle lächelte. „So kenne ich dich und das ist eine der Eigenschaften, die ich so sehr an dir liebe, meine wundervolle Frau. Du stellst deine Gefühle nicht über das, was getan werden muss." „Hoffen wir, dass sich das niemals ändern wird", kommentierte ich. „Da bin ich unbesorgt", raunte er und legte seine Lippen auf meine. Wir kehrten bald in unser eigenes Haus zurück und redeten noch eine Weile, bevor wir von der alten Leidenschaft gepackt wurden, die anscheinend nicht so schnell vergehen würde.


Bleib bei mir - Twilight FF (Beendet)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt